Zum Thema Radikaldemokratie und/oder echte Demokratie
Eine radikaldemokratische Position zu den Punkten aus dem Leserbrief von Lydia Achilles in Nr. 15/24
Der Begriff Radikaldemokratie ist in Abgrenzung zur repräsentativen „Demokratie“ als Kontrastbegriff entstanden, um die Idee der Demokratie (Volksherrschaft) vor dem Missbrauch durch Propagandisten der Repräsentanten zu retten, von denen alle Staatsgewalt ausgeht. Der Begriffsinhalt von Demokratie (Volksherrschaft) und Radikaldemokratie ist der Gleiche. Ein Repräsentativsystem ist NOCH keine Diktatur. Aber sie ist auch keine Demokratie. Sie ist eine kostengünstige Gewaltherrschaft durch eine vor allem medial inszienierte Demokratiesimulation.
Zu 1. Wahlen
In einer echten Demokratie (Radikaldemokratie) spielen Personen-Wahlen eine untergeordnete Rolle. Sie sind Entscheidungen zu konkreten Sachverhalten untergeordnet und Personalien ergeben sich aus Beauftragungen von Funktionären durch das jeweils zuständige Staatsvolk, um die vom jeweils zuständigen Staatsvolk gestellten Aufgaben zu erfüllen. Abgeordnete in einer echten Demokratie (Radikaldemokratie) sind an Aufträge und Weisungen des jeweils zuständigen Staatsvolkes gebunden, und können jederzeit bei Bedarf ausgetauscht werden, falls sie sich für die ihnen gestellte Aufgabe als ungeeignet erweisen sollten. Im Widerspruch dazu steht Artikel 38 des Grundgesetzes. Dort ist festgelegt, dass Abgeordnete nur ihrem Gewissen unterworfen sind. Das ist natürlich ein feiner Herrschafts-Trick in Form des sogenannten „freien Mandats“. Denn die reichsten Eigentümer brauchen dann nur noch den Preis für das Gewissen des jeweiligen Abgeordneten ermitteln und ein verlockendes Angebot unterbreiten. Meistens betrifft das die berufliche Zukunft des Abgeordneten, nach seiner Parlamentskarriere. Aber auch während dessen gibt es genügend Möglichkeiten für Korruption. Die Korruption ist ein wesentliches Merkmal des Repräsentativsystems. Dieses Herrschaftssystem existiert nur durch Korruption, infolge des Eigentumsrechts.
Zu 2. Volksentscheide (Volksbegehren)
Der Begriff „Volksentscheid“ entstammt dem politischen Vokabular des Repräsentativsystems, von deren Propagandisten. Danach ist ein „Volksentscheid“ soetwas wie eine gnädige Gewährung einer Ja- oder Nein-Abstimmung zu einer bestimmten Frage, wobei selbstverständlich die Machthaber die Fragestellungen formulieren und die Hürden festlegen, nach denen diese Gnade gewährt werden kann. In der Regel bestehen derartige Hürden in der Auflage, eine bestimmte Anzahl von Unterschriften beizubringen, die in der Regel so hoch ist, dass der logistische Aufwand dafür die Möglichkeiten für einen „Volksentscheid“ auf ein Minimum beschränken, sodas in jedem Falle ein Rütteln an der Machtbasis der Repräsentanten unmöglich wird, wenn sie im Falle eines Erfolges überhaupt eine tatsächliche Entscheidung erzwingen können und nicht bloß eine Themensetzung für eine Debatte im Parlament bedeuten. In jedem Falle aber bedeuten „Volksentscheide“ in Repräsentativsystemen nichts weiter als ein propagandistisch verwertbares demokratisches Getue, ohne den Ausschluss des Volkes von der Macht der Repräsentanten auch nur anzukratzen. Mit einem „Volksentscheid“ können Diktatoren und Kriege legitimiert werden, weil die Machthaber die Massenmedien in der Hand haben und damit, sowie mit dem Initiativrecht der Fragestellung natürlich den Ausgang entscheidend beeinflussen können.
In einer wirklichen Demokratie (Volksherrschaft), bzw. in einem radikaldemokratischen Staat ist der Begriff „Volksentscheid“ obsolet. Das souveräne Staatsvolk eines radikaldemokratischen Staates entscheidet einfach alles selbst und wählt dafür die geeigneten Personalien mit imperativen (befehlenden) Mandaten. Diese Selbstverständlichkeit braucht dann nicht durch das Wort „Volksentscheid“ betont zu werden, wie in einem Repräsentativsystem, in dem es nur demokratisch aussehen muss, aber die Repräsentanten der reichsten Eigentümer alles in der Hand behalten wollen. Das wesentlichste Merkmal eines „Volksentscheides“ ist die Vortäuschung einer Demokratie durch Repräsentanten, die mit einem „freien Mandat“ vom Wählerwillen entbunden sind. Volksentscheide sind in einem Repräsentativsystem, wenn überhaupt, dann als politischer Betrug angelegt.
Zu 3. Die Organisation in Räten
Der Begriff „Rat“ in einem radikaldemokratischen Staat (echte Demokratie) ist eine Abgrenzung zum Begriff „Parlament“ (Repräsentativsystem), obwohl beide gemeinsam haben, dass sie im Grunde, um auf die antike Idee der Demokratie zurück zu gehen, die Polis beschreiben, in der die politische Debatte stattfindet und politische Entscheidungen getroffen werden (Legislative). Der Unterschied zwischen Parlamenten und radikaldemokratischen Räten besteht in folgendem: in Parlamenten ist das Staatsvolk von politischen Entscheidungen ausgeschlossen. In Räten eines radikaldemokratischen Staatswesens ist das jeweils zuständige Staatsvolk der Gesetzgeber.
Der Begriff „Parlament“, kommt von altfranzösisch parlement ‚Unterredung‘; französisch parler (reden). Insofern also, nach der Etymologie, sind auch Räte Parlamente. Radikaldemokraten wollen die Mehrheit dafür gewinnen, ein undemokratisches Exklusivrecht der Gesetzgebung für eine unter prinzipiell politischem Betrug an die Macht beförderte Elite, die sich „Repräsentanten“ nennen, abzuschaffen, indem das Recht der Gesetzgebung auf das jeweils zuständige Staatsvolk ausgedehnt wird. Das ist echte Demokratie und erfüllt das Demokratieprinzip in Artikel 20 des Grundgesetzes, in dem es heißt: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“
Der strukturelle Aufbau eines Rätesystems ergibt sich von den örtlichen Räten zu zentraleren Strukturen, aus den organisatorischen Erfordernissen für die zu lösenden Aufgaben der Räte, systematisch, und diese müssen in den jeweils zuständigen Räten verhandelt werden. Dabei ist es nicht möglich, eine genaue Vorhersage zu treffen, über die Struktur eines ganzen Netzes von Räten (Rätesystem). Ein Teilaspekt eines solchen Rätenetzes ist die Daseinsvorsorge der Menschen, die beim kostenlosen Wasser anfängt. So muss der Gemeinbesitz an den Ressourcen des Trinkwassers festgelegt-, sowie die Arbeit für die Bereitstellung für die Bevölkerung organisiert werden. Ebenso verhält es sich mit der Produktion von Lebensmitteln und allen Dingen des materiellen Bedarfs, einschließlich Wohnraum. Dabei ist die Entsendung von Beauftragten eines örtlichen Rates in die nächst zentralere Ratsebene mit imperativen Mandaten, einem radikaldemokratischen Rätesystem wesenseigen. Das Grundprinzip des imperativen Mandats in einem radikaldemokratischen Rätesystem, hat die Schreiberin des Leserbriefs in „Der Aufstand“ Nr. 15/24 bereits erwähnt.
Unter diesen Bedingungen wird ein Besitzrechtssystem, das Gemeinbesitz und persönlichen Besitz regelt, indem es prinzipiell die Sachherrschaft über Dinge an gesellschaftlich notwendige Arbeit und den persönlichen Bedarf koppelt, eine Folge davon sein, dass die Mehrheit der zuständigen Staatsbürger aus ehemaligen Lohnsklaven besteht, denn die Klasse der Lohnsklaven ist die zahlenmäßig stärkste Klasse im Repräsentativsystem oder einer Diktatur, des Eigentumsrechts. Das wesentlichste Merkmal von Repräsentativsystemen ist der prinzipiell politische Betrug, mit Hilfe einer Demokratie-Täuschung, die Macht der reichsten Eigentümer und dadurch die Lohnsklaverei kostengünstig sicherzustellen.
Zu 4. Keine Enteignungen, sondern Besitzrecht anstatt Eigentumsrecht
Die Lohnsklaverei beruht auf der rechtlich legitimierten Beschlagnahme des gesellschaftlich produzierten Reichtums, durch einzelne Großeigentümer, die diesen Reichtum gar nicht für sich persönlich brauchen. Die Beschlagnahme der Dinge, die lebensnotwendig für alle sind, wie Land, Wasser, Lebensmittel, Wohnraum, Energieversorgung, Kommunikation usw., mit Eigentumsurkunden, dient der Erpressung von Fronarbeit und ist die ökonomische Basis der Lohnsklaverei. Die Sklaverei, welche rechtliche Herrschaft über einen Menschen bedeutet, wurde zwar in fast allen Ländern abgeschafft, aber die Lohnsklaverei nicht. Sie basiert auf Eigentum. Weil Eigentumsrecht die Anhäufung von Dingen, über den persönlichen Bedarf eines Eigentümers hinaus legitimiert, um damit Fronarbeit für Eigentümer erpressen zu können. Dieses ökonomische Verhältnis wird im Eigentumsrecht von den Staatsgewalten, von Polizei und Militär jedes Repräsentativsystems und auch jeder Diktatur gewaltsam durchgesetzt.
Unter radikaldemokratischen Verhältnissen, in der die jeweils zuständigen Staatsbürger die Gesetzgebung übernommen haben, die sich in der Mehrheit aus ehemaligen Lohnsklaven zusammensetzt, würde z.B. die Frage aufkommen, wozu ein Bill Gates 108.900 Hektar Ackerland (Angabe aus 2021) als Einzelperson benötigt?
Unter Besitzrecht gestellt, stände Bill Gates von diesen 108.900 Hektar Ackerland das zu, was er davon in Besitz nehmen kann. Der Begriff „Besitz“ beinhaltet die tatsächliche Sachherrschaft, die tatsächlich physisch ausgeübt werden kann. „Besitz“ kommt von „sitzen“, und auf einen Stuhl bezogen ist der Besitzer desselben, wer mit seinem Hintern gerade darauf sitzt. Ein Mieter ist Besitzer einer Wohnung, aber im Eigentumsrecht gehört die Wohnung einem Eigentümer, der diese Wohnung aber nicht besitzt, weil der Mieter darin „sitzt“. Der Eigentümer, der eine Wohnung vermietet, hat mindestens 2 Wohnungen; in einer wohnt er selbst, die andere Wohnung hat er durch Eigentumsurkunde legitimiert dafür beschlagnahmt, einen Mieter für sich arbeiten zu lassen.
Besitzrecht in einem radikaldemokratischen Rätesystem würde nun für den Eigentümer von zwei Wohnungen bedeuten, dass die Polizei ihm nicht mehr den Dienst leistet, den Mieter der zweiten Wohnung gewaltsam zu entfernen, wenn er die Miete nicht mehr bezahlt. Besitzrecht in einem radikaldemokratischen Rätesystem räumt Bill Gates ein, von seinen ehemals 108.900 Hektar, sich das Stück Land auszusuchen, das er physisch in der Lage ist, selbst in Besitz zu nehmen, womit er bei nur 1 Hektar schon reichlich Arbeit hätte. Darauf hätte er ein Besitzrecht, das ihm Niemand wegnehmen dürfte. Eine Enteignung von Bill Gates wäre völlig unnötig. Denn was er nicht in Besitz nehmen kann, weil er dazu physisch gar nicht in der Lage ist, das können Andere in Gemeinbesitz oder persönlichen Besitz nehmen. Die Staatsgewalten eines radikaldemokratischen Staatswesens schützen nur Besitz, aber nichts, was darüber hinaus angehäuft würde. Herr Gates hätte einfach gar keine Telefonnummer mehr, die er anrufen könnte, um die neuen Besitzer von „seinen“ ehemaligen 107.900 Hektar Land gewaltsam vertreiben zu lassen. Vielleicht wird anhand dieses Beispiels deutlich, was Besitzrecht im Unterschied zum Eigentumsrecht bedeutet. Enteignungen sind also gar nicht nötig. Ehemalige Großeigentümer haben nur niemanden, an den sie sich für die Durchsetzung ihrer asozialen Egoismen wenden können. Die Angehörigen von Polizei und Militär müssen in einem radikaldemokratischen Staatswesen einfach nicht mehr asozialen Aufgaben nachkommen. Wohl aber bleibt es ihre Pflicht, Gemeinbesitz und persönlichen Besitz, vor Eigentumsnahme zu schützen. Nicht aber Dinge, die über den persönlichen Bedarf Einzelner- oder über den Bedarf eines Gemeinwesens hinaus angehäuft werden um es gegen andere Menschen zur Erpressung von Lohnarbeit einzusetzen. Das wesentlichste Merkmal des Eigentumsrechts ist die Lohnsklaverei und das Repräsentativsystem ist ein kostengünstiges Machtinstrument der Großeigentümer.
Zu 5. Schulden aus dem Eigentumsrecht, sind durch Besitzrecht obsolet, aber ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) kann es trotzdem nicht geben
Schulden sind die unsichtbaren Ketten der Lohnsklaven. Die Vermittlung der Lohnsklaverei geschieht, anstatt mit der Peitsche, durch das auf dem Eigentumsrecht basierenden Schuldgeldsystem. Es ist ein durch Zins und Zinseszins verrechtlichtes Betrugssystem, weil es aufgrund der systematischen Aneignung und Anhäufung (Akkumulation) des Mehrwertes, Eigentum in immer weniger Händen konzentriert und proportional zu dieser Akkumulation, der Klasse der Lohnsklaven immer weiter die Lebensgrundlagen entzieht. Lohnabhängige und Kleineigentümer werden unter Vortäuschung der Tilgung in immer größere Schulden getrieben. Gleichzeitig entsteht eine gigantische Schuldenblase, die zur Lähmung der Gesellschaft und schließlich zur Zerstörung aller sozialen Verhältnisse führt.
In einem radikaldemokratischen Staat stirbt das Geld überall dort ab, wo der Bedarf gedeckt werden kann und somit die letzte Funktion des Geldes, die Verteilung, wegfällt. Ein radikaldemokratisches Staatswesen sichert die Umsetzung von Artikel 25 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) ab und richtet die gesellschaftliche Produktion des materiellen Reichtums danach aus. „Das Recht auf einen Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet“ (siehe Artikel 25 AEMR), bedingt aber auch die Pflicht eines Jeden, sich an der gesellschaftlich notwendigen Arbeit dafür zu beteiligen, soweit dies physisch möglich ist und gesundheitliche Probleme nicht entgegenstehen. Ohne diese Bedingung ist eine humanistische Gesellschaft nicht möglich. Wie das im Einzelnen umgesetzt wird, liegt in der Zuständigkeit der örtlichen Räte, die darüber entscheiden. Das ist nur unter radikaldemokratischen Verhältnissen in einem Besitzrechtssystem möglich. Das Schuldgeldsystem entspringt jedoch dem Eigentumsrecht. Das wesentlichste Merkmal des Schuldgeldsystems ist die Schaffung der Abhängigkeiten von den reichsten Eigentümern, die die eigentliche Machtgrundlage bilden.
Zu 6. Krieg ist Folge, Eigentumsrecht die Ursache und Repräsentativsysteme oder Diktaturen sind der politische Überbau
Die aus dem Eigentumsrecht resultierenden sozialökonomischen Spannungen können in einem demokratiefeindlichen politischen Überbau, der sich über dem Eigentumsrecht erhebt, nicht friedlich verhandelt werden. Dieses Problem erklärt auch die geschichtlichen Entwicklungen, die durch den 1. und 2. Weltkrieg verdeutlicht, sich wie zeitliche Wiederholschleifen abzeichnen: Repräsentativsystem » Faschismus » Krieg » Repräsentativsystem »Faschismus » Krieg, usw.. Die sozialökonomischen Spannungen nach innen, entladen sich im Bürgerkrieg, wenn sie nicht durch die Propaganda der Machthaber auf Ersatzfeinde abgeleitet werden.
Die Spannungen um Eigentumsnahme durch die reichsten Eigentümer (Oligarchen), entladen sich nach außen durch Kriege „um Rohstoffe, Märkte, Seewege und Einfluß-Sphären“, wie die Schreiberin des Leserbriefes erwähnt hat.
Unter radikaldemokratischen Verhältnissen bilden die jeweils zuständigen Staatsbürger die Legislativen. Weil die Polis, daher die Debattenräume für politische Entscheidungen allen Staatsbürgern zur Verfügung stehen, daher niemandem die Teilnahme daran verwehrt wird und weil alle unterschiedlichen Interessen frei verhandelt werden können bis eine Lösung gefunden ist, ist kriegerischen Eskalationen die Grundlage entzogen. Eine radikaldemokratisch verfasste Gesellschaft auf Basis von Besitzrecht anstatt Eigentumsrecht kann kein Interesse daran entwickeln, Menschen anderer Länder für Eigentumsnahmen anzugreifen. Die ganze Menschheit steht vor dem Intelligenztest, eine Gesellschaftsordnung zu finden, mit der sie sich über die nächsten Jahrhunderte fortentwickeln kann. Radikaldemokratische Verhältnisse herzustellen, ist daher eine weltumspannende Aufgabe. Das wesentlichste Merkmal radikaldemokratischer Verhältnisse ist die Bewahrung des Friedens nach innen und nach außen als Voraussetzung zur Fortentwicklung der Menschheit.
Holger Thurow-N.