Kommentare zu: “Ayn Rand – die amerikanische Ideologie ohne Maske”-Teil 2
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Ayn Rand – die amerikanische Ideologie ohne Maske
von: Wu Bu
Teil 2: (Der 1.Teil erschien in unserer Ausgabe 27/23)
Der »Objektivismus« – Ayn Rands Ideologie
Ayn Rand versuchte eine bürgerliche Ideologie ihrer Prägung zu schaffen, den »Objektivismus« (welchen sie ursprünglich »Existenzialismus« nennen wollte; der Begriff war aber bereits an Sartres lückenhafte Weltanschauung vergeben). Während der Existenzialismus letztendlich eine bürgerliche Ideologie war, die geschaffen worden ist, um linke Intellektuelle vom Sozialismus fernzuhalten, appelliert der Objektivismus an rechte Intellektuelle, falls man die angesprochenen Gruppen überhaupt als intelligent bezeichnen kann.
Den Begriff »Randismus« für den Objektivismus lehnte Ayn Rand ab, obwohl sie sich sonst stets zur Eitelkeit neigte. (18) Der lächerliche Personenkult um sie tat sein Übriges. Gewissermaßen mag diese Ablehnung mittlerweile passend sein, denn es hat sich eine ideologische Schule aus ihren vagen Statements heraus entwickelt, angeführt von Leonard Peikoff.(19) Dieser versucht aus Ayn Rands Gedanken eine Art systematische Ideologie zu schaffen.
Von Ayn Rand selbst darf man keine allzu ausgearbeitete Tiefe ihrer Ideologie erhoffen. Gegenüber einem Geschäftsmann von Random House hat sie den Objektivismus stichwortartig umrissen: »1. Metaphysik: Objektive Realität; 2. Epistemologie: Vernunft; 3. Ethik: Selbstinteresse; 4. Politik: Kapitalismus.« (20) Der damalige Vorsitzende des Ayn-Rand-Instituts Michael S. Berliner definierte den Objektivismus in einem Schreiben an die Los Angeles Times 1985 folgendermaßen: »Der Objektivismus steht für Vernunft, rationales Selbstinteresse, Laissez-Faire-Kapitalismus, Beinhaltung der individuellen Rechte.« (21) Damit könnte man es auch belassen, aber hier soll Ayn Rands Ideologie analysiert werden. Als Grundlage verwende ich Leonard Peikoffs Buch Objectivism – The Philosophy of Ayn Rand, das als offiziöses Grundlagenbuch der Randschen Ideologie gilt.
Peikoff führt als Grundlage des Objektivismus das bereits im Monolog des John Galt erwähnte aristotelische Axiom »A = A« an für die »Identität»(22). Nicht Identität im Sinne der heutigen Identitätspolitiker ist damit gemeint, sondern die Identität einer Sache mit sich selbst. Zum Beispiel: Ein Baum ist ein Baum und somit kein Brokkoli. Dieses Axiom ist trivial. Genauso trivial ist das Axiom: »Die Existenz existiert.«(23) Ayn Rand, von der das Zitat stammt, führt weiter aus, dass, wenn nichts existieren würde, es auch kein Bewusstsein geben könnte, das sich etwas bewusst wäre. Über dieses Axiom schreibt Peikoff: »Dieses Axiom erzählt uns nichts über die Natur der Existierenden; es unterstreicht bloß die Tatsache, dass sie existieren.« (24) Diese Aussage ist richtig und macht deutlich: Es handelt sich bei Ayn Rands Weltanschauung in dieser Hinsicht um einen sehr wenig ausgefeilten Materialismus. Die Existenz existiert real – es wird kein Grund oder tieferer Einblick geliefert, sondern einfach das angenommen, was da ist. Diese Weltanschauung ist trivial und wird auch von Menschen geteilt, die sich nie mit Philosophie befasst haben und aufgrund dessen einem naiven Materialismus anhängen – einem natürlichen Materialismus der auf der eigenen sinnlichen Erfahrung basiert. Man kann also sagen, dass man durch Ayn Rand rein gar nichts dazulernt im Hinblick auf das Verständnis der objektiv existierenden materiellen Welt.
Peikoff schreibt: »Ursache und Wirkung ist ein universelles Gesetz der Realität.« (25) Das ist nicht zu bestreiten. Naive Materialisten sind sich vielleicht nicht immer dieses Grundsatzes bewusst, aber prinzipiell kennt den jeder. Ein weiter ausgefeiltes Verständnis dieses Grundsatzes führt zum dialektischen Denken. Soweit ist der Objektivismus aber nie ausgearbeitet worden.
Peikoff führt aus, dass für Ayn Rand ein »Primat des Bewusstseins« besteht. (26) Weil aber Wissen nur Wissen über die Realität sein kann, bestehe auch ein »Primat der Existenz«. (27) Peikoffs Ausführungen zu diesem Thema sind schwer verständlich und scheinen auf einen Kompromiss zwischen Primat des Geistes und Primat der Materie hinauszulaufen, denn er lehnt Materialismus und Idealismus gleichermaßen ab. (28) Aus der Materie ging der Geist hervor, sozusagen als »selbsterkennende Materie«, zumindest, wenn man als dialektischer Materialist denkt. Die Objektivisten scheinen sich nicht viel darum zu scheren, ob ihre Philosophie überhaupt in sich Sinn ergibt. Sie ist schließlich nur die Beilage zu den neoliberalen Anschauungen von Ayn Rand.
Ich erspare weiteres Gerede aus dem philosophischen Kapitel über Realität von Peikoffs Buch, denn er schreibt: »Der Hauptzweck dieses Kapitels ist es, systematisch die Implikationen von ›Die Existenz existiert‹ zu entwirren.« (29) Nichts wurde »entwirrt«, denn die ganze Weltanschauung von Ayn Rand ist eine Verwirrung auf Grundlage eines pervertierten Verständnisses von Aristoteles.
Im nächsten Kapitel geht es um die Sinnesauffassung und den Willen. Aus Sicht von Peikoff ist der Mensch bei Geburt eine »Tabula Rasa«, also ein unbeschriebenes Blatt, im Hinblick auf das Bewusstsein. (30) Zumindest im Hinblick auf das Wissen von der Welt stimmt das. Ob das genetisch auch stimmt, im Sinne von einer gewissen Vorprägung in eine bestimmte grundsätzliche Denkrichtung, verhält sich die Angelegenheit schwieriger. Dieser Aspekt ist umstritten, betrifft aber mehr die Biologie als die Geisteswissenschaften. Peikoff ist zumindest zuzustimmen, dass ein Kind ohne Vorkenntnisse über die Welt zur Welt kommt.
Über die Sinnesauffassungen schreibt Peikoff:
Beweise bestehen in der Reduktion einer Idee auf die von den Sinnen bereitgestellten Daten. Diese Daten selbst sind die Grundlage allen darauf folgenden Wissens und gehen jedem Prozess der Schlussfolgerung voraus. Sie sind das Erste der Erkenntnis, das Unanfechtbare, das Selbstevidente. (31)
Diese Aussage ist zumindest für das eigene Denken richtig, aber nicht, wenn man einen allgemeinen Beweis führen möchte. Für die eigene Erkenntnis kann man nur das als Input erhalten, was die eigenen Sinne hergeben. Deshalb ist es auch vergeblich, einem Farbenblinden beschreiben zu wollen, wie grüne Farbe aussieht. Für einen wissenschaftlichen Beweis benötigt man aber eine Erkenntnis, die unabhängige Gültigkeit vom eigenen Kopf besitzt, ein Naturgesetz. Dafür benötigt es der Reproduzierbarkeit der eigenen Erkenntnis. Eine Erkenntnis ist bloße Schlussfolgerung. Das müssten genug Worte sein, denn schließlich ist Peikoffs Ausführung eines: Genauso wenig originell, wie die bisher geäußerten Grundsätze. Logischerweise ist das jedem Mensch intuitiv bewusst, dessen Sinne intakt sind.
Apropos: Peikoff schreibt ähnlich: »Solange ein Mensch wach ist (und sein Gehirn intakt), ist er der Realität bewusst in der sensorisch-wahrnehmenden Form; das ist ihm von Natur aus gegeben.« (32) Das ist eine Trivialität, die keiner Diskussion bedarf. Anschließend spricht er davon, dass Bewusstsein alleine nicht ausreiche, sondern auch Wille überlebensnotwendig sei. Damit ist ein freier Wille gemeint. »Das Prinzip des Willens ist ein philosophisches Axiom, mit all seinen involvierten Eigenschaften«, schreibt Peikoff darüber. (33) Über den freien Willen gibt es seitdem Menschen denken können eine philosophische Debatte, die nie letztendlich gelöst wurde und womöglich nie letztendlich gelöst wird. Auch ich habe mich im Dezember 2019 (34) dazu geäußert und bin zur Auffassung gekommen, dass es einen freien Willen innerhalb der vorgefundenen materiellen Bedingungen gibt, aber keinen absolut freien Willen. Womit Peikoff durchaus recht hat, ist, dass man von einem freien Willen (wie auch vom Gegenteil) eigentlich nur als Axiom ausgehen kann. Was er nicht erzählt, ist, dass dies einen dennoch nicht davon freispricht, eine Argumentation dafür abzuliefern, wieso man dieses Axiom für glaubwürdiger hält als das entgegengesetzte. Peikoff argumentiert, dass, wenn die Deterministen recht hätten, selbst die pro-deterministische Sicht determiniert sein müsste, aber fragt sich, ob das Gehirn wirklich unfehlbar sei und wieso jemand dann nicht automatisch Vernunft und Logik folgt. (35) Auch hier wird ein absoluter Determinismus attackiert, wobei ich zugeben muss, dass dieser diesmal kein Strohmann ist. Hier kann man Peikoff lediglich vorwerfen, dass er einem relativen Determinismus, nämlich einem, der eingesteht, dass gewisse Dinge unvermeidlich geschehen werden, nur die Frage nach dem Wie und dem Wann offen ist, nicht in Erwägung gezogen hat. Das macht die scheinbar tieferen Ausführungen zu dem Thema wieder einmal oberflächlich.
Das Kapitel über Konzept-Formation ist selbst an Trivialität kaum ergiebig. Ich werde dieses also stillschweigend übergehen.
Im Kapitel über Objektivität schreibt Peikoff: »Konzepte, wie jeder andere Modus der Erkenntnis, muss mit den Fakten der Realität übereinstimmen. Menschliches Wissen ist deshalb die Erfassung, nicht die Erschaffung, eines Objektes.« (36) Objektivität basiert auf der Einstimmung mit den real existierenden Tatsachen. Peikoffs Ausführungen in diesem Kapitel sind selbstverständlich viel länger als diese Feststellung, aber an der Ergiebigkeit gemessen, ist diese Aussage die Quintessenz. Die restlichen Aussagen enthalten nicht viel essenziellen Inhalt. »Es gibt kein Bewusstsein ohne Existenz und keine Kenntnis der Existenz ohne Bewusstsein«, schreibt Peikoff in diesem Kapital ebenfalls.(37) Diese Aussage stimmt durchaus. Aber sie ist wieder einmal eine Trivialität.
Über das Prinzip der Vernunft bei Ayn Rand schreibt Peikoff: » ›Vernunft‹ in Ayn Rands Definition ist ›die Begabung, die das Material, das die menschlichen Sinne zur Verfügung stellt, identifiziert und integriert‹.« (38) Diese Definition klingt eher, als würde sie auf den Verstand (was im Englischen »mind« wäre) ganz im Allgemeinen zutreffen. Ich glaube nicht daran, dass ich ihre Worte falsch auffasse, denn der verwendete Begriff »reason« setzt zwar »mind« voraus, aber enthält eine rationale Komponente. Setzt man aber »mind« an dieser Stelle ein, weil dies mehr Sinn ergibt, so erhält man einen weiteren Allgemeinplatz. Genauso einer ist die Erkenntnis, dass die Menschheit aufgrund ihres Wissens und dadurch durch ihre Vernunft überleben würde. (39) Hier wird der Begriff »reason« verwendet, obwohl »mind« vielleicht durchaus auch zutreffen würde, wenn nicht gar passender wäre. Ayn Rands Ideen sind nicht vernünftig, auch wenn sie ihrem Verstand entsprungen sind. Die Ebene der Vernunft kann man ihrem verdrehten Denken nur absprechen, wenn auch nicht den allen Menschen zu eigenen Verstand.
Peikoff erwähnt, dass Ayn Rand gegen Emotionalismus, aber nicht gegen Emotionen gewesen sei, weil dieser versuche, Gedanken durch Gefühle zu ersetzen. (40) In der heutigen Zeit der Identitätspolitiker ist ein solches Statement durchaus wichtig zu betonen, nämlich, dass empfundenes beleidigt fühlen nicht mit der Realität übereinstimmen muss. In der Zeit, als diese These aufgestellt worden ist, war dies aber ein Allgemeinplatz gewesen, der einem auch ein Passant auf der Straße hätte sagen können. Natürlich ist es wichtig für objektives Denken, Fakten statt Gefühle abzuwägen, aber Ayn Rand hat das objektive Denken nicht entdeckt.
Nun zum Kapitel über »das Gute«. Peikoff schreibt eingangs: »Die objektivistische Position kann man in drei Worten zusammenfassen. Der ultimative Wert ist das Leben. Der Hauptwert ist die Rationalität. Der angemessene Begünstigte ist das Selbst.« (41) Das Leben als einen Wert zu betrachten ist philosophisch fragwürdig, denn es stellt keinen Wert für sich dar. Das Leben existiert einfach. Es ist möglich, das Leben wertzuschätzen, aber das macht es nicht zu einem philosophischen Wert. Rationalität ist eher ein Grundprinzip der Weltanschauung, es ist schwierig darin einen Wert zu sehen. Ein Wert im philosophischen Sinn hat eine moralische Komponente, aber diese fehlt hier gänzlich. Der letzte Satz ist bloßer Ausdruck des Egoismus. Dieser ist das eigentliche Thema dieses Kapitels, sodass man den Kapiteltitel auch »Der Egoismus« hätte nennen können.
Peikoff schriebt, dass Ayn Rand behauptet habe, dass »rationales Selbstinteresse« (Egoismus) richtig sei und »Irrationalität Selbstlosigkeit« bedeute. (42) Peikoff stellt diese Gegensätze gegenüber: » ›Opfere dich selbst für andere‹ (die Ethik des Altruismus) oder ›Opfere andere für dich selbst‹ (die Ethik der subjektivistischen Version des Egoismus).«(43) Opferung für andere kennt man nur in zwei Fällen: Als Jesus sich ans Kreuz nageln ließ, um sich für die Erlösung der Menschen zu opfern und in dem Fall, dass jemand einen aus einer tödlichen Gefahr rettet, indem er sein eigenes Leben opfert. Diese beiden Fälle sind nicht alltäglich. Letzterer Fall kommt immer mal wieder vor, aber viele bringen es nicht über sich, ihr eigenes Leben für das eines anderen zu opfern. Es handelt sich dann um eine Dilemma-Situation, in der keine letztgültig richtige Antwort besteht.
Peikoff behauptet an späterer Stelle im Buch: »Altruismus invertiert das Moralurteil, lehrt Menschen, die Selbstaufopferung zu bewundern und den Selbsterhalt als amoralisch zu schmälern oder schlimmer.« (44) Auch hier sieht man wieder einen Altruismus, der zu einem absoluten Altruismus als Karikatur überzeichnet wird. Noch weiter führt Peikoff aus:
Die objektivistische Interpretation repräsentiert keinen vergorenen oder ›selbstlosen‹ Typus des Egoismus. Wir vertreten einen einfachen Egoismus, die Art, die tatsächlich das egoistische Ziel erreicht der Erhaltung der eigenen Existenz. Das Leben des Menschen als der Moralstandard ist kein ›höherer‹ Zusatz zum Leben. Ähnlich ist der rationale Egoismus keine ›höhere‹ Version des Egoismus.(45)
Peikoff selbst gibt also zu, dass das »rationale Selbstinteresse« beziehungsweise der »rationale Egoismus« keine »höhere Version des Egoismus« sei. Kurzum: Es wurden unnötig zig Seiten verschwendet, um ein simples Prinzip zu erläutern. Das ist nicht das erste Mal in Peikoffs Buch und, zu meinem Leidwesen als Leser, auch nicht das letzte Mal.
Natürlich ist absoluter Altruismus nicht gut für das Individuum; dieser würde krankhaft die Selbstsorge auf null senken. Damit würde die Überlebensfähigkeit der Menschheit genauso wenig gesichert sein wie beim absoluten Egoismus, der dem vorbeigehenden Rabbiner im Gleichnis des barmherzigen Samariters entspricht. (46) Aber gibt es überhaupt eine Religion oder eine Weltanschauung, die einen solchen vertritt?
Das Christentum vertritt keinen absoluten Altruismus. In der Bibel steht zur Nächstenliebe: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.« (47) Man soll den Nächsten nicht mehr und nicht weniger lieben als sich selbst. Darin steckt kein absoluter Altruismus, sondern eher eine Art »praktischer Altruismus«: Wenn man sich einander in einer Notlage hilft, ist jedem geholfen. Dafür muss sich keiner vollständig bis zur Selbstaufgabe opfern, sondern bloß gelegentlich Hilfsbedürftigen in einer Weise unter die Arme greifen, wie man es selbst wollen würde. Deshalb sagte Jesus: »Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch!« (48) Diese Art des Altruismus besitzt durchaus auch egoistische Elemente, nämlich die Hoffnung darauf, dass, wenn man anderen hilft, sie einem auch helfen. Das nennt man Kooperation. Mit diesem Verhalten hat die Menschheit ihr Überleben gesichert. Altruismus und Eigennutz stehen sich also keineswegs absolut gegenüber, sondern gehen durchaus Hand in Hand. Wären diese altruistischen Prinzipien nicht da beziehungsweise würde man sie nicht einhalten, dann hätte man in einer Notlage das Nachsehen. Das ist alles andere als im egoistischen Interesse der Einzelperson in einer Fußgängerzone an einer schweren Verletzung zu sterben, nur weil keiner keinem zu Hilfe kommt.
Der Marxismus lehrt auch keinen absoluten Altruismus. Dieser würde aus marxistischer Sicht ohnehin genauso unter die Kategorie des Idealismus fallen wie Ayn Rands absoluter Egoismus. Bekannt ist der Grundsatz, den Karl Marx in seiner »Kritik des Gothaer Parteiprogramms« äußerte: »Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen.« (49) Dieses Prinzip ist nur gültig in der kommunistischen Gesellschaft nach der Vergesellschaftung sämtlichen Privateigentums, der daraus folgenden Beseitigung der Warenproduktion und deren Ersetzung durch eine Planwirtschaft sowie durch die Hebung des ideologischen Bewusstseins des Volkes auf ein Niveau, das materielle Anreize nicht mehr nötig macht. Es ist also noch ein relativ weiter Weg bis zu diesem Ziel, selbst wenn noch heute mit dem sozialistischen Aufbau begonnen werden würde. Auch hier steckt kein absoluter Altruismus dahinter, sondern die wirtschaftliche und gesellschaftliche Abhängigkeit der Menschen voneinander – im Grunde genommen wieder einmal das gemeinsame Überleben der Menschheit. Nun ist es aber so, dass dieses Prinzip zu keiner Zeit Realität geworden ist. Die sozialistischen Staaten hatten ein abgewandeltes, gewissermaßen »abgeschwächtes«, Prinzip: »Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung.« Stalin befand dieses Prinzip für die »untere Phase des Kommunismus« (also den Sozialismus) für notwendig, während Marx’ Prinzip für die »höhere Phase des Kommunismus« (also der Kommunismus im eigentliche Sinne) vorgesehen ist. (50)
Aus diesem Prinzip folgte ein sozialistisches Leistungssystem, das materielle Anreize bei Planübererfüllung, technologischen Innovationen und so weiter beinhaltet. Das bedeutet: Wer mehr leistet, der bekommt mehr Lohn; wer etwas erfindet oder eine Entdeckung zur Materialersparnis macht, bekommt eine Prämie. Man könnte dieses Prinzip auch auf Eingaben an die Regierung ausweiten im Sinne einer Belohnung für nützliche Vorschläge, um Beteiligung materiell anzuregen, aber dieser Aspekt sei hier außen vor gelassen. Wie man sieht, sind auch hier Altruismus und Egoismus keine antagonistischen Widersprüche. Die Erhöhung der Produktivität nützt der sozialistischen Gesellschaft (dadurch indirekt auch einem selbst) und dem eigenen Lohnbescheid (dadurch direkt einem selbst).
Man könnte noch andere Beispiele anführen, aber das Christentum und der Marxismus waren Ayn Rands erklärte Gegner. Man kann also sagen: Der »absolute Altruismus«, den Ayn Rand bekämpft, ist bloß ein Strohmann. Die Aussage von Peikoff »Da der Egoismus ein Prinzip des menschlichen Überlebens ist, trifft es auf alle menschlichen Wesen zu«, ist nicht grundlegend falsch, enthält aber lediglich eine von zwei Seiten: Selbsterhalt und Arterhalt, um mal bei biologischen Kategorien zu bleiben (schließlich ist der »Kampf um das menschliche Überleben« im Kern eine biologische Kategorie). (51) Egoismus und Altruismus sind beide im Menschen vorhanden und bilden ein dialektisches Spannungsfeld; sie kommen ohne einander nicht aus. Wie das genaue Maß aussieht, kommt auf die konkrete Situation an.
Peikoff schreibt im Kapitel über »Werte«: »In einer Gesellschaft mit Arbeitsteilung, kann sich ein Mensch angemessen in Erkenntnis spezialisieren.«(52) Wenn jeder wirklich egoistisch handelt ohne jeglichen Altruismus, so wie es der Objektivismus lehrt, dann kann es gar keine Arbeitsteilung geben. Einfache Zusammenarbeit ist ohne Altruismus gar nicht möglich. Arbeitsteilung, vor allem als Kooperation unter den Massen, ist eben eine Produktivkraft für sich. Zusammenzuarbeiten ist auch wirtschaftlich effektiver, was man besonders bei der Fließbandarbeit erkennen kann. »Von allen Produktionsinstrumenten ist die größte Produktivkraft die revolutionäre Klasse selbst«, schrieb Karl Marx in Elend der Philosophie. (53) So tief hat sich kein Ayn-Rand-Anhänger die wirtschaftlichen Beziehungen durchdacht. Wenn Peikoff schreibt »Die Mischwirtschaft basiert offensichtlich auf der Philosophie des Pragmatismus und deshalb auf dem Subjektivismus«, so kritisiert hier das Falsche. (54) Eine »Mischwirtschaft« ist ein vager Begriff. Eine Mehrsektorenwirtschaft besteht im Kapitalismus genauso wie im Sozialismus, je nach Eigentumsform der Wirtschaftsbetriebe. Der Pragmatismus ist durchaus subjektivistisch, weil er darauf basiert, das subjektiv »Beste« zu tun, ohne eine geschlossene Weltanschauung samt Wissen zu besitzen. Man kann dem Objektivismus aber auch Vorwürfe machen aufgrund dessen Trivialität und Widersprüchlichkeit in vielerlei Hinsicht.
Nun zum Kapitel »Glücklichsein«. Peikoff erwähnt, dass es eine philosophische Ansicht gebe, die Behauptet, Glücklichsein sei unmöglich (er bleibt aber vage, welche das sein soll; möglicherweise handelt es sich dabei wieder einmal um einen Strohmann). Dem stellt er Ayn Rands Anschauungen gegenüber:
Ayn Rand, im Gegensatz dazu, vertrat mit ihrem objektiven Herangehen an die Ethik, dass Vergnügen moralisch ist. Glücklichsein ist deshalb nicht nur möglich, sondern mehr: es ist der Normalzustand des Menschen. Ayn Rand nennt diese Schlussfolgerung, welche für die objektivistische Weltanschauung essentiell ist, die Prämisse vom ›wohlwollenden Universum‹.(55)
Man kann sich darüber streiten, ob Glücklichsein der »Normalzustand« der Menschen ist, aber: Jeder Mensch strebt danach, glücklich zu sein. Ein Gefühl aber zu einem ideologischen Bestandteil zu verklären, ist typisch amerikanisch. Zum Beispiel schrieb Joseph Smith im Buch Mormon: »Adam fiel, damit die Menschen sein können, und Menschen sind, damit sie Freude haben können.«(56) Im Alten Testament gilt der »Fall Adams« als eine Art Betriebsunfall, als die sogenannte »Ursünde«. Die mormonische Verklärung von »Adams Fall« in einen Ausgangspunkt der Freude der Menschen ist außer aus einem amerikanischen Kontext heraus nicht zu erklären. Solche amerikanischen Christen hätten an Jesu Stelle sicherlich auch das Angebot des Satans angenommen, die Welt zu erhalten, wenn er ihn angebetet hätte (57) und dafür sicherlich eine theologisch weit hergeholte Erklärung parat. Zurück zu Ayn Rand. Dass das Glücklichsein bei Ayn Rand eine so zentrale ideologische Rolle spielt zeigt auch wieder deutlich, dass man sie lediglich der Herkunft nach als eine russische Autorin bezeichnen kann; inhaltlich gesehen war sie durch und durch amerikanisch und verbrachte dort den bei weitem größten Teil ihres Lebens.
Es ist anzumerken, dass Sex bei Ayn Rand ebenfalls unter dem »Glücklichsein« verwurstet worden ist. Sex sei die »Zelebrierung des Selbst und der Existenz«. (58) Peikoff geht sogar so weit zu sagen:
Sex ist Moral, er ist ein herrliches Vergnügen, er ist ein tiefgründiger Wert. Wie Glücklichsein ist Sex deshalb ein Ziel in sich selbst; es ist nicht notwendigerweise ein Mittel zu einemweitergehenden Ende, wie etwa die Fortpflanzung. (59)
Diese Sicht auf die Sexualität kann man durchaus in der Zeit ab der 68er-Bewegung finden, wie aber auch bei den Libertins, die de Sade in seiner Literatur der Perversion beschrieben hat. Diese Sexualmoral ist heutzutage vorherrschend. Weder Ayn Rand noch Leonard Peikoff haben auf diese das Erstgeburtsrecht. Das linksliberale Spektrum zum Beispiel vertritt diese Randsche Sexualmoral am lautstärksten, wobei diese sich auf eine aus der 68er-Zeit herrührenden Tradition berufen. Das problematische bei dieser Sicht auf den Sex ist zum einen, dass er zu einem philosophischen Wert ernannt wird. Dieses Problem taucht immer wieder auf in der sechstklassig ausgearbeiteten objektivistischen Ideologie: Es werden Dinge zu moralischen Werten erklärt, die keine solchen darstellen, sondern Handlungen oder geistige Fähigkeiten. Es ist so, als würde man erklären: Spaghetti mit Tomatensoße sind ein Wert. So gut wie jeder Mensch wertschätzt dieses Gericht, aber das macht es nicht zu einem moralphilosophischen Wert. Ein weiteres Problem stellt die Sicht auf Sex an sich dar. Die Sexualität ist völlig von ihrem biologischen Zweck entkoppelt, nämlich der Fortpflanzung. Ich will an dieser Stelle keine prüde Sexualmoral aus der Adenauer-Ära predigen. Dennoch muss ich sagen: Aus der Unterdrückung der Äußerung sexueller Bedürfnisse wurde eine Übersexualisierung, Sex, der zum bloßen Jux und Vergnügen wurde. (60) Das ist mit einer der Gründe, wieso Homosexualität von Identitätspolitikern als »normal« gepredigt wird, obwohl diese, biologisch betrachtet, unfruchtbar bleiben muss (außer durch künstliche Befruchtung bei Lesben in etwa). Homosexuelle sollten nicht politisch diskriminiert werden, sie sind keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und außerdem ließe sich ein Verbot der Homosexualität nie effektiv durchsetzen. Diese aber nicht als biologisch abnormal zu sehen, als widernatürlich, sondern stattdessen als einen »Normaltyp« entstammt dieser Entkoppelung der Sexualität von der Reproduktion. Es müsste wieder mehr zur Normalität werden, dass Sexualität der Fortpflanzung dient und dass Eltern mehr materielle Unterstützung erhalten. Man könnte mir vorwerfen, ich sei dennoch hinter vorgehaltener Hand »prüde« und würde übertreiben. Bei Ayn Rand und Leonard Peikoff als Vertreter einer solchen pervertierten Sexualmoral ist aber eines festzustellen: Ayn Rand war kinderlos und Leonard Peikoff hat aus drei gescheiterten Ehen nur eine einzige Tochter. Diese Art der Sexualmoral ist im buchstäblichen Sinne unfruchtbar und für den Bestand der Menschheit verderblich. Im Hinblick auf die Sexualmoral leben die ganzen westlichen Staaten bereits im Universum von Atlas Shrugged, auch Deutschland.
So viel zum philosophischen Teil der objektivistischen Ideologie.
…
(Fortsetzung folgt in den nächsten Ausgaben unserer Wochenzeitung.)
Verweise:
(18) https://youtu.be/viGkAZR-x8s (Englisch) Ab 0:13. Hierbei handelt es sich um ein Interview von Mike Wallace mit Ayn Rand. (19) Siehe: Leonard Peikoff »Objectivism – The Philosophy of Ayn Rand«, Meridian, New York 1993, S. XIV, Englisch. Ayn Rand autorisierte im Jahre 1976 Peikoffs Vorträge als ideologische Darlegung des Objektivismus. (20) Zit. nach: Lisa Duggan »Mean Girl – Ayn Rand and the Culture of Greed«, University of California Press, Oakland 2019, S. 9, Englisch. (21) https://www.latimes.com/archives/la-xpm-1985 – 11-24-me-1752-story.html (Englisch) (22) Siehe: Leonard Peikoff »Objectivism – The Philosophy of Ayn Rand«, Meridian, New York 1993, S. 6, Englisch. (23) Ebenda. (24) Ebenda, S. 4, Englisch. (25) Ebenda, S. 15, Englisch. (26) Vgl. Ebenda, S. 18, Englisch. (27) Vgl. Ebenda, S. 20, Englisch. (28) Vgl. Ebenda, S. 30, Englisch. (29) Ebenda, S. 16, Englisch. (30) Vgl. Ebenda, S. 38, Englisch. (31) Ebenda, S. 39, Englisch. (32)Ebenda, S. 56, Englisch. (33)Ebenda, S. 70, Englisch. (34) https://www.die-rote-front.de/gibt-es-einen-freien-willen-oder-ist-alles-vorherbestimmt/ (35) Vgl. Leonard Peikoff »Objectivism – The Philosophy of Ayn Rand«, Meridian, New York 1993, S. 71, Englisch. (36) Ebenda, S. 116, Englisch. (37) Ebenda, S. 149, Englisch. (38) Ebenda, S. 152, Englisch. (39) Vgl. Ebenda, S. 195, Englisch. (40) Vgl. Ebenda, S. 162, Englisch. (41) Leonard Peikoff »Objectivism – The Philosophy of Ayn Rand«, Meridian, New York 1993, S. 206, Englisch. (42) Vgl. Ebenda, S. 234, Englisch. (43) Ebenda, S. 235, Englisch. (44) Ebenda, S. 282, Englisch. (45) Ebenda, S. 240, Englisch. (46) Siehe: Lukas 10, 31. Der Rabbi wollte sich selbst nicht mit Blut beschmutzen und missachtete dafür das Gebot der Nächstenliebe. (47) 3. Mose 19, 18. (48) Matthäus 7, 12. (49) Karl Marx »Kritik des Gothaer Programms« (April/Mai 1875) In: Karl Marx/Friedrich Engels »Werke«, Bd. 19, Dietz Verlag, Berlin 1987, S. 21. (50) Vgl. »Über den Entwurf der Verfassung der Union der SSR« (25. November 1936) In: J. W. Stalin »Werke«, Bd. 14, Verlag Roter Morgen, Dortmund 1976, S. 66/67. (51) Leonard Peikoff »Objectivism – The Philosophy of Ayn Rand«, Meridian, New York 1993, S. 234, Englisch. (52) Ebenda, S. 293, Englisch. (53) Karl Marx »Das Elend der Philosophie« (1846/1847) In: Karl Marx/Friedrich Engels »Werke«, Bd. 4, Dietz Verlag, Berlin 1980, S. 181. (54) Leonard Peikoff »Objectivism – The Philosophy of Ayn Rand«, Meridian, New York 1993, S. 374, Englisch. (55)Ebenda, S. 342, Englisch. (56) Buch Mormon, 2. Nephi 2, 25. (57) Siehe: Matthäus 4, 8 – 9. (58) Leonard Peikoff »Objectivism – The Philosophy of Ayn Rand«, Meridian, New York 1993, S. 344, Englisch. (59) Ebenda, S. 346, Englisch. (60) Siehe: »Erinnerungen an Lenin« (1924/1925) In: Clara Zetkin »Ausgewählte Reden und Schriften«, Bd. III, Dietz Verlag, Berlin 1960, S. 139. Bereits Lenin lehnte dies als »Glas-Wasser-Theorie« ab, dass Sex nämlich so belanglos werde, wie das Trinken eines Glas Wassers. |
Kommentare zum obigen Artikel:
Von: J.M.Hackbath
Um sich im Text besser orientieren zu können, der mehr Zwischenüberschriften vertragen hätte, werde ich immer die Nummer des Verweise angeben, die sich in der Nähe der Textstellen befinden, auf die sich meine Kommentare beziehen.
1. (Über dem Verweis 18)
Dort behauptet WuBu, dass der „Existentialismus“ von Jean-Paul Sartre, der tatsächlich mit dem Individualismus der Ideologie von Ayn Rand identisch ist, nur erfunden wurde, „um linke Intellektuelle vom Sozialismus fernzuhalten“.
Auch wenn es stalinistische Sozialisten so empfinden mögen, zweifel ich diese Motivation von J.P.Sartre ernsthaft an. Ist es nicht viel mehr so, dass sich stalinistische Sozialisten mit ihrer Ideologie von einem diktatorischen „Kollektivismus“, durch den „Existenzialismus“ ideologisch angegriffen fühlen, weil der Existenzialismus die individulelle Freiheit, die so in keiner Gesellschaft existiert, überbetont?
Bei dieser Gelegenheit wäre auch eine Definition des Begriffs „Sozialismus“ nötig, der in seinem ökonomischen Kern ein „Staatskapitalismus“ ist, wie ihn alle kleinbürgerlichen Ideologen anstreben. Kleinbürgerliche Ideeologen wollen die ökonomischen Verhältnisse die aus dem Eigentumssystem entsprungen sind, gar nicht grundlegend verändern, sie wollen nur die staatliche Kontrolle über das verstaatlichte Eigentum erlangen, was sie dann mit dem Schummel-Etikett „Volkseigentum“ bekleben. Das Eigentumssysten, welches die Grundlage für die heutige Lohnsklaverei ist, ganz abzuschaffen und durch ein modernes Besitzrechtssystem zu ersetzen, haben kleinbürgerliche Ideologen gar nicht im Sinn. Genau deswegen kennzeichnen sie sich ja selbst als kleinbürgerliche Ideologen, weil sie das Privileg des kleinbürgerlichen Eigentums und damit die Spaltung der Menschen in mindestens zwei soziale Klassen erhalten möchten, die Klasse der kleinbürgerlichen Sklavenhalter und die Klasse der Lohnsklaven. Ja auch im so genannten „Sozialismus“ war diese Klassenspaltung nicht aufgehoben worden. Wie aber Sozialisten zu einer klassenlosen Gesellschaft Kommunismus gelangen sollen und die utopische Vorstellung diese ohne einen Staat absichern zu wollen, ist nie ernsthaft und realistisch dargestellt worden. In der Regel haben kleinbürgerliche Ideologen, die utopische Zielsetzung des klassenlosen und staatslosen Kommunismus längst aufgegeben und den staatskapitalistischen Sozialismus zum End-Ziel erhoben, obwohl dieser in der marxistischen Ideologie immer nur als Übergangsgesellschaft zu einem nicht real konzipierten Kommunismus bezeichnet wurde. Das bedeutet also, dass uns der Autor einen diktatorischen Kollektivismus für Lohnsklaven, unter staatskapitalistischen Bedingungen, als Alternative zum kleinbürgerlichen Individualismus von J.P.Sartre und A.Rand aanbietet..
Nein danke, ich möchte lieber ein modernes Besitzrechtssystem als ökonomische Basis, mit einem radikaldemokratischen Überbau, den die Staatsbürger zu jeder Zeit unter Kontrolle haben und ihren Bedürfnissen anpassen können.
2. (Beim Verweis 18)
Wenn ein „Stalinist“ und „Marxist“ sich mit dem Begriff „Randismus“ über Personenkult lustig macht, dann hat das schon eine gewisse Komik in sich selbst, die der Autor offensichtlich nicht realinsiert. Er unterscheidet vermutlich zwischen einem „verdienten“ und einen „unverdienten“ Personenkult. Ich möchte mich keiner der Varianten eines Peronenkultes anschließen und bleibe einfach ein Radikaldemokrat der auch geistig souverän sein möchte.
3. (unter dem Verweis 24)
Dort schreibt der Autor WuBu, dass die Ideologie von A.Rand trivial, naiv und natürlich ist und setzt sie auf triviale Weise mit dem Materialismus der „Marxisten“ gleich. Leider versäumt er an dieser Stelle zu belegen, das „sein“ Materialismus nicht trivial, naiv und natürlich ist. Ein Beispiel hätte ausgereicht.
Wenn der Marxismus die reale Existenz der Natur annimmt, dann sollte auch der marxistische Materialismus wenigstens „natürlich“ sein. Der Autor WuBu stolpert an dieser Stelle offensichtlich über seine zu vielen unnützen Worte und lässt die nötigen Worte über den Unterschied zur Ideologie des Materialismus vermissen.
4. (unter dem Verweis 28)
In der Tat ist es einfach die Materie zum „Primat“, zum Ursprung des Lebens und jedes Bewußtseins zu erklären, aber den Ursprung des ersten Bewustseins haben wir bisher noch nicht in der Unendlichkeit des Universums entdecken können. Gerade der Microcosmos, mit seinen intelligenten Lösungen in den kleinsten Lebewesen unseres Planeten, lässt keinen anderen Schluss zu, als das dort Intelligenz bei der Enstehung im Spiel gewesen sein muss, weil sich diese entdeckten intelligenten Maschinen in den Microorganismen nicht evolutionär bilden konnten. Dazu hier ein Link, zu einer objektiven und wissenschaftlichen Betrachtung des Problems:
Genau deswegen bezeichne ich die materialistische Antwort auf einen angenommenen Ursprung in einem unendlichen Universum als naiv und trivial.
Meine objektive Sichtweise auf das unendliche Universum als unsere ojektive Realität basiert darauf, dass ein Streit über jeglichen Ursprung sinnlos ist, weil wir ihn praktisch in der Unendlichkeit nicht finden können.
Viele Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass Leben durch das Universum wandert und so auch auf den Planeten Erde gelangt ist. Wie viel von diesem Leben evolutionär beeinflusst wurde und wie viel davon intelligent designet wurde, kann gar nicht abschließend geklärt werden. Aber dazu empfehle ich einen weiteren wissenschaftlichen Vortrag:
Ich möchte den Maxisten des 19.Jahrhunderts, für welche die „Evolutionstheorie“ der letzte Schrei der Wissenschaft war, gar keinen Vorwurf machen. Sie wussten es halt noch nicht besser und waren mit der Philosophie über den „dialektischen Materialismus“ auf der Höhe ihrer Zeit.
Heute wissen wir, dass man auf einer DNA einen Code schreiben kann und die heutigen Wissenschaftler sind gerade dabei dies zu lernen. Es hält sich zum Beispiel hartnäckig das Gerücht, das „Covid-19“ in einem Labor designet wurde. Anfang Sommer 2020 klagten einige Nutznießer dieses Vorfalls, dass dieses Virus offensichtlich nicht so gefährlich war, wie sie gehofft haben. Da müssen Gen-Forscher wohl noch etwas üben.
Wenn die heutige halb zivilisierte Menschheit, die auch nach der Meinung von Marx und Engels erst einen Schritt aus dem Tierreich gemacht hat, weil wir uns immer noch aus niederen Beweggründen gegenseitig abschlachten, bereits nach den Sternen und in den Microcosmos eingreift, warum sollen das nicht schon unzählige Zivilisationen im unendlichen Universum vor uns getan haben, von den wir hier auf diesem Planeten Ergebnisse ihres Wirkens vorfinden und vielleicht sogar selbst ein Produkt des Wirkens einer uns unbekannten Intelligenz sind, die es vielleicht gar nicht mehr gibt, oder die gar nichts von unserer mehr zufälligen Existenz wissen.
Schon heute planen irdische Wissenschaftler andere Planeten für uns bewohnbar zu machen, indem sie vorher Microorganismen mit ganz bestimmten Aufgaben dort hin entsenden. Aber hätten wir solche Prozesse wirklich vollständig unter Kontrolle, oder könnte nicht auch Genmaterial durch unvorhergesehene kosmische Ereignisse in die Weiten des Universums verstreut werden und sich dort unkontrolliert weiter verbreiten und entwickeln?
Wenn wir also von einem unendlichen Universum ausgehen und nicht von der Einmaligkeit des Lebens auf unserem Planeten, sogar mit der Möglichkeit in den Code des Lebens selbst eingreifen zu können, dann ist jede Debatte über einen Ursprung des Lebens, oder dem Primat der Materie, oder dem Primat einer einzelnen Idee, vollig naiv und trivial. Die Wahrscheinlichkeit, dass in der Unendlichkeit des Universums schon unzählige Male intelligent in den Code des Lebens eingegriffen wurde, ist sehr hoch. Einen Ursprung werden wir aus rein praktischen Gründen nicht feststellen können. Das ist ein dialektischer Objektivismus, den weder A.Rand, noch L.Peikoff erklären konnten, weil sie etwas ganz anderes im Sinn hatten. Sie versuchten die Herrschaft der hier jetzt gerade herrschenden Klasse auf diesem Planeten ideologisch zu rechtfertigen. Leider hat auch WuBu keine qualitativ höherwertige Philosophie anzubieten, die uns in eine humanistische Gesellschaft führen würde, sondern nur eine alte diktatorische Ideolgie, die uns in neue Straflager und Staatengefängnisse für Lohnsklaven führen würde.
5. (unter dem Verweis 30)
Hier verfällt der Autor selbst in die Denkweise des kleinbürgerlichen Individualismus und klammert die Dialektik der kulturellen Umstände in die jeder Mensch hinein geboren wird und ohne die er sich niemals zu einem modernen Menschen entwickeln könnte, völlig aus. Die kleinbürgerliche Ideologie entspringt dem Konkurrenzkampf des Eigentumssystems und denkt immer vom Standpunkt eines isolierten Individuums aus, dass sich mit allen anderen Individuen in einem tierischen Konkurrenzkampf befindet. Aber wirklich isolierte Menschen sind in der Natur gar nicht überlebensfähig und bedürfen der Gesellschaft anderer Menschen. In der Gesellschaft des Konkurrenzkampfes verhält sich ein bewuster Verfechter des egoistischen Eigentumssystems an Produktionsmitteln (ein großer oder auch ein kleiner Kapitalist), gegen alle „nur“ Besitzer der Produktionsmittel (von Rousseau Lohnsklaven genannt) als egoistischer Parasit am Gemeinwesen. Ohne ein solches Gemeinwesen an dem Eigentümer parasitieren können, sind sie gar nicht überlebensfähig. Hingegen verlässt jeder Eigentümer, der anfängt gemeinschaftlich zu denken und zu handeln, mehr oder weniger sein Dasein als Parasit an der menschlichen Gesellschaft und hört auf als Parasit zu existiern. In einer Mangelgesellschaft bedeutet die Aufgabe des egoistischen Parasitismus der Eigentümer vielleicht sogar ihren Tod, aber in einer Gesellschaft, in der Überproduktion ein Problem darstellt, ist egoistischer Parasitismus gar nicht mehr notwendig und nur noch ein alter tierischer Reflex, der nur bewusst gestoppt werden kann.
Leider verharrt der Autor in der geistigen Welt des kleinbürgerlichen Individualismus und so fällt ihm die Absurdität und undialektische Denkweise der Entwicklung eines Menschen primär aus seinen genetischen Anlagen heraus, gar nicht auf. Vielleicht sollte man ihm an dieser Stelle das marxistische Dogma um die Oren hauhen, wonach das gesellschaftliche Sein, das Bewusstsein bestimmt.
Dialektisch betrachtet gilt natürlich beides und kein Primat des gesellschaftlichen Seins, denn der Herausbildung des sozialen Bewustseins von Marx, Engels, Lenin und auch Stalin, passt überhaupt nicht zu deren sozialen Lagen. Keiner von ihnen war Lohnsklave, was ich auch nicht von ihnen verlangen würde, aber mit ihren Fällen liegt uns also eine andere objektive Realität vor, die der dialektische Materialismus mit einem revolutionären Subjekt nicht erklären konnte, weil dies mit einem sozialen Subjektivismus versucht wurde, der auf sie allesamt nicht zutraf. Wie sind sie also darauf gekommen, das sie dem Parasitismus ihrer Klasse gegenüber den Lohnsklaven wenigstens zum Teil den Rücken gekehrt haben? Sind sie etwa durch eine persönliche Vernunft-Entscheidung darauf gekommen, weil sie durch das Betrachten der objektiven Realität erkannten, worauf der Parasitismus ihrer Klasse hinaus läuft?
6. (unter dem Verweis 34)
Wer den „freien Willen“ berührt und anfängt diesen mit der „Freiheit der Gedanken“, oder mit unserer physischen Begrenztheit in Beziehung zu setzen, der kommt natürlich nie auf ein Gesellschftsmodell hinaus, in der die Menschen sozial und politisch frei sein könnten. Der findet auch immer einen Vorwand, um die soziale und politische Freiheit der Menschen unterdrücken zu können. In einer solchen Debatte geht es also nicht um irgend einen „freien Willen“, sondern um die soziale und politische Freiheit der Menschen in einer Gesellschaft an der sie freiwillig teilnehmen möchten, oder eben nicht teilnehmen müssen, weil sie eine eigene aufbauen dürfen. Ich zweifle daran, dass sich der Autor WuBu als Verfechter einer stalinistischen Diktatur, eine freie Gesellschaft vorstellen kann.
7. (unter dem Verweis 39)
Der Autor WuBu spricht L.Peikoff und A.Rand die Vernunft ab, weil sie ein verdrehtes Denken präsentieren. Da stimme ich ihm zu, weil der Kapitalismus, den sie verteidigen, für die Menschheit keine überlebensfähige Alternative präsentert und die Ressurcen unseres Planeten für die Interessen von Privatpersonen verheizt, die in der Phase der Überproduktion viele Lohnsklaven als Überbevölkerung betrachten und nur noch irgendwie los werden wollen. Ganz abgesehen davon, dass ihnen der versklavte wissenschaftlich technische Fortschritt immer gefährlichere Vernichtungs-Waffen für ihre Konkurrenz-Kriege zur Verfügung stellen muss.
Aber was für eine „vernüftige“ Alternative bietet uns der Autor WuBu an? Eine Alternative Diktatur, die bereits grandios gescheitert ist und sich als unfähig erwiesen hat, eine klassenlose Gesellschaft errichten zu können. Einmal kann man diesen Fehler wohl machen, aber wer ihn ein zweites Mal machen möchte, den kann ich nicht als „vernüftig“ bezeichnen.
8. (um dem Verweis 49)
Wu Bu erwähnt ganz richtig, dass die „vernüftigen“ Menschen kooperieren und weder absolute Egositen, noch absolute Altruisten sind. Es besteht also eine vernünftige Veranlagung der Menschen zur Kooperation. Er vergisst nur den Kollektivismus zu erwähnen, in dem das Wohl des Kollektivs und seiner Führer alles, und das Wohl des Individuums nichts bedeutet. Die Aufopferung für das Kollektiv, oder für einen „Führer“, wird immer wieder von Diktatoren verlangt und auch der Personenkult um Stalin verlangte eine solche Selbstaufopferung. Personen sind natürlich austauschbar und so wird die Ahnenreihe des marxistischen Personenkults durch aneinanderreihen der Führerköpfe bei einigen Anhängern immer absurder und länger.
Wenn WuBu im Zusammenhang mit der Dialektik der menschlichen Kooperation die Aussage von Marx zitiert, „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen.“ (MEW Bd.19, S.21), dann ergibt sich daraus eigentlich kein Zusammenhang für eine kooperative Gesellschaft, sondern eine individualistische Sichtweise von einem einzelnen Subjekt aus gesehen. Wer aber ist der „Jenige“, welcher jedem entsprechend nach seinen Fähigkeiten eine Leistung abverlangt und nach seinen Bedürfnissen vergütet?
Natürlich ergänzt WuBu: „Dieses Prinzip ist nur gültig in der kommunistischen Gesellschaft nach der Vergesellschaftung sämtlichen Privateigentums, der daraus folgenden Beseitigung der Warenproduktion und deren Ersetzung durch eine Planwirtschaft sowie durch die Hebung des ideologischen Bewusstseins des Volkes auf ein Niveau, das materielle Anreize nicht mehr nötig macht.“
* Wer möchte, dass alle seine privaten Dinge Staatseigentum werden? * Wer möchte, das die gesamte Produktion durch eine staatliche Bürokratie geplant wird? * Wer möchte, das staatliche Institutionen sein „Bewustsein“ auf ein vorbestimmtes „Niveau“ „heben“? |
Jede dieser Aussagen bedeutet, dass es sich nicht um eine freiwillige Kooperation von Gleichen unter Gleichen handeln kann, sondern um eine kollektivistische Diktatur mit Zwang zur Konformität.
Da ich in solche Verhältnisse hinein geboren wurde und sie mir bestens vertraut sind, weiß ich heute den Unterschied zu einer radikaldemokratischen Gesellschaft auf der Grundlage eines moderen Besitzrechtssystems, welche auf der souveränen Freiheit aller seiner Mitglieder basiert. In dieser ist der private Bereich eines jeden Souveräns unantastbar und auch sein privater Besitz (kein Eigentum), durch den Staat aller Besitzer geschützt. Privater Besitz, familierer Besitz und gemeinschaftlicher Besitz der verschiedensten Kooperationen, muss rechtlich klar definiert und trennbar sein und kann nur so von den gemeinsamen errichteten und kontrollierten Staatsgewalten gegen jeden Angriff verteidigt werden. Ich halte das für ein kooperatives und faires Angebot?
Auf das „sozialistische (staatskapitalistische) Leistungsprinzip“ für Lohnsklaven, dass WuBu bei der Gelegenheit anpreist, möchte ich erst gar nicht eingehen. Er könnte ja mal eine Weile als Lohnsklave in ein Land übersiedeln, wo das noch praktiziert wird und dann versuchen dort wieder raus zu kommen.
ENDE DES 2. TEILS
J.M.Hackbarth
(Fortsetzung folgt in den nächsten Ausgaben unserer Wochenzeitung.)