Presseerklärung
zum Revisionsverfahren – Strafverfahren – zum Hanseatischen Oberlandesgericht
(zur Zeit Landgericht Hamburg. Az.: 712 NBs 48/23)
Angeklagter: Dominik Paradies
– Bürger und freier Journalist –
20.11.2023
Vorab-Hinweise:
Die namens des vorgenannten Angeklagten am 20.11.2023 vom Unterzeichner beim Landgericht Hamburg zuständigkeitshalber eingereichte 59-seitige Revisionsbegründungsschrift ist für Bürger, Journalisten und Polizeibeamte auf öffentlichen Versammlungen, insbesondere Demonstrationsversammlungen, gleichermaßen von nicht unerheblicher Bedeutung.
Die Presse/Medien wird/werden zur Vermeidung von Persönlichkeitsverletzungen meines Mandanten, des o.g. Angeklagten, gebeten, mangels rechtskräftigen Abschlusses des Strafverfahrens die Unschuldsvermutung sowie die Grundsätze einer Verdachtsberichterstattung insbesondere durch Berücksichtigung nachfolgender Stellungnahme einzuhalten.
Stellungnahme:
Der Angeklagte legt Wert auf Nennung seines Namens (s.o.). Er ist unter anderem in Hamburg als freier Journalist bekannt. In dieser Funktion filmte er am 15.01.2022 und 13.02.2022 zwei Demonstrationsversammlungen gegen die Coronamaßnahmen. Da er sich nicht als Teil der Versammlungen betrachtete, trug er keine Mund-Nasen-Bedeckung (Maske). Dies sah die Polizei vor Ort anders und forderte ihn an beiden Tagen auf, eine Befreiung von der Maskenpflicht nach Hamburger Corona-Eindämmungsverordnung vorzulegen, was dann auch geschah. Es handelte sich jeweils um eine Kopie einer Maskenbefreiung durch einen approbierten Hamburger Arzt.
Am zweiten Tag, den 13.02.2022, folgte Herr P. den Polizeibeamten nach Aufforderung an den Straßenrand, wo er sich auf einmal in einem Kontrollkessel durch die Polizeibeamten wiederfand. Seine Kamera lief mit Bild- und Tonaufnahme weiter, bis sie beschlagnahmt wurde.
In Bezug auf die Maskenthematik an beiden Tagen sowie das Aufnehmen der Worte der Polizeibeamten in der Kontrollsituation am 13.02.2022 wurde Herr P. vom Amtsgericht Hamburg und nachfolgend auch in der zweiten Tatsacheninstanz vom Landgericht Hamburg wegen Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse nach § 279 Strafgesetzbuch (StGB) in zwei Fällen sowie wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes nach § 201 Absatz 1 Ziffer 1 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt; beide Verfahren waren miteinander verbunden worden.
Gegen das zweitinstanzliche Urteil des Landgerichts Hamburg vom 07.09.2023 legte der Unterzeichner, welcher in den beiden Verfahren am Amtsgericht und am Landgericht noch nicht rechtsvertretend für Herrn P. tätig war, als eigens für die Revision mandatierter Verteidiger Revision ein und begründete diese mit Schriftsatz vom 20.11.2023. Hiermit erfolgt die Rüge von Verfahrensfehlern des Landgerichts und die Rüge fehlerhafter Anwendung des sachlichen Rechts.
Dazu ist festzuhalten:
I. Zum Einen ist keine Strafbarkeit von Herrn P. durch Gebrauch eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses nach § 279 StGB gegeben.
Das Maskenattest ist weder ein Gesundheitszeugnis im Sinne der Norm noch beinhaltet es, wie die Norm verlangt, eine schriftliche Lüge. Entsprechendes ergibt sich weder aus dem Wortlaut des Attests noch aus den Zusammenhängen. Zudem sind die Anforderungen der Coronaverordnung mit der Norm des § 279 StGB nicht deckungsgleich, hier wird nur ein „Zeugnis“ zur „Glaubhaftmachung“ gefordert, beinhaltet demzufolge niederschwelligere Voraussetzungen gegenüber der Norm des § 279 StGB.
Weiterhin ist die betreffende Hamburger Coronaeindämmungsverordnung verfassungswidrig und damit nichtig, so dass die Polizeimaßnahme nicht von der Rechtsordnung gedeckt war, insofern ergab sich daraus ein Beweismittelverbot bzgl. der Maskenattestkopien (und am 13.02.2022 zudem bzgl. der beschlagnahmten Kamera; dazu siehe noch unten) und das darauf zurückzuführende heutige Strafverfahren unterlag von Beginn an einem Verfahrenshindernis.
Wie das Bundesverfassungsgericht bereits früher festgestellt hat, haben die Fachgerichte Normen unterhalb des parlamentarisch erlassenen materiellen Rechts und damit Rechtsverordnungen in eigener Kompetenz zu prüfen. Hierauf bezogen liegen umfassende Versäumnisse der beiden Vorgerichte vor, so dass der Unterzeichner nunmehr mit seiner Revisionsbegründungsschrift die dritte Instanz zu einer dementsprechenden Prüfung anhält.
II. Des Weiteren ist keine Strafbarkeit von Herrn P. durch Verletzung einer Vertraulichkeit des Wortes nach § 201 Absatz 1 Ziffer 1 StGB gegeben.
§ 201 Absatz 1 Ziffer 1 StGB ist Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz (GG). Damit kann durch § 201 Absatz 1 Ziffer 1 StGB nur geschützt sein, wer sich auf das grundrechtlich gewährte allgemeine Persönlichkeitsrecht berufen kann. Das setzt seine
Grundrechtsberechtigung voraus.
Grundrechte sind in erster Linie Abwehrrechte gegen staatliche Eingriffe in grundrechtlich geschützte Positionen der Bürger.
Es ist unbestritten, dass der Staat selbst nicht grundrechtsberechtigt ist.
Polizeibeamte im Dienst in Uniform unter freiem Himmel in alleiniger Funktion der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und speziell bei Ausübung staatlicher Gewalt, wie dies bei Demonstrationen und anderen Versammlungen unter freiem Himmel der Fall ist bzw. sein kann – letzteres bzgl. der Ausübung öffentlicher Gewalt -, handeln als verlängerter Arm des Staates , so dass sich Polizeibeamte in vorgenannter Funktion und Tätigkeit folgerichtig ebenfalls nicht auf Grundrechte berufen können. Im Übrigen sind Polizeibeamte in anderen – zusätzlichen – Sachzusammenhängen, z.B. bei Beleidigungen durch Demonstranten (Ehrdelikten), selbstverständlich ebenfalls grundrechtsgeschützt.
(verfassungskonforme Auslegung und Anwendung des § 201 Absatz 1 Ziffer 1 StGB)
Auf die ansonsten zur Entscheidungsfindung zu § 201 Absatz 1 Ziffer 1 StGB vorgenommene Abgrenzung zwischen Nichtöffentlichkeit mit schwieriger Grenzziehung zur Öffentlichkeit bzw. faktischen Öffentlichkeit kommt es hiernach in wie vor dargelegter verfassungskonformer Auslegung und Anwendung des § 201 Absatz 1 Ziffer 1 StGB nicht an.
Eine Polizei, welche sich, insbesondere zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, gut geschult zum Schutze der öffentlichen Sicherheit zur Begleitung einer öffentlichen Demonstrationsversammlung begibt, braucht weder die durch Filmen hergestellten bewegten Bilder noch die dazugehörigen Tonaufnahmen zu fürchten. Sie ist ausreichend durch die Strafbarkeit nach dem Kunsturheberrecht beim Verbreiten solcher Aufnahmen geschützt, welches nicht oder nicht ohne bestimmte Voraussetzungen straflos möglich ist. Ein Zurückfahren der Strafverfolgung der Bürger und journalistisch tätigen Bürger nach § 201 Absatz 1 Ziffer 1 StGB wird diese und auch die beteiligten Polizeibeamten künftig weniger als bisher stressen; denn die Bürger und Journalisten können grundsätzlich freier als bisher von polizeilichen Aufforderungen und Eingriffen Demonstrationen filmen und Polizeibeamte werden dies nicht länger als einen Angriff auf sich und ihre Autorität sehen. Die gegenseitigen Spannungen, wie sie leider in den letzten dreieinhalb Jahren der Coronazeit auf beiden Seiten bemerkbar zugenommen haben, können ein Stück weit wieder zurückgefahren werden.
In diesem Zusammenhang sowie in Bezug auf die Beschlagnahme der Kamera des Angeklagten bleibt speziell für freie Journalisten – insoweit auch vorliegend für den Angeklagten – und für Journalisten ganz allgemein noch ergänzend auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22.10.2020 (BVerfG, einstw. Anordnung vom 22.10.2020 – 1 BvR 1949/20 -, juris) hinzuweisen, mit welcher dieses unter ausdrücklichem Hinweis auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unter Abwägung des sich auf die konkret zu verfolgenden Taten beziehenden Strafverfolgungsinteresses und der Pressefreiheit festgestellt hat, dass die Beschlagnahme einer Kamera eine Verletzung des Grundrechts auf Pressefreiheit nach Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 GG darstellt, anders als die Beschlagnahme einer Speicherkarte zu Beweiszwecken.
Die Richter beim Hanseatischen Oberlandesgericht werden gebeten, Herrn P. freizusprechen und insbesondere in Bezug auf § 201 Absatz 1 Ziffer 1 StGB eine weise, sprich: in Bezug auf alle Beteiligten bei Demonstrationen /Versammlungen, nicht zuletzt in Bezug auf Journalisten, im Namen der Rechtsstaatlichkeit, der öffentlichen Sicherheit und eines neu aufzubauenden Vertrauens zwischen Bürgern und Polizei bedeutsame Entscheidung zu treffen !
Rechtsanwalt Stefan Sünwoldt
Kamper Weg 29 a, 24568 Kaltenkirchen,
Tel.: 0152 – 21 34 34 71,
EMail: stefsue.ra.kanzlei@gmail.com
v. i. S. d. P.
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