Die BRICS und die Alte Weltordnung, aus der Perspektive eines BRICS Angehörigen

[Der Aufstand 36/23, Seite 6]

Die BRICS und die Alte Weltordnung, aus der Perspektive eines BRICS Angehörigen

Eine weltoffene Analyse von Noel Nascimento-Filho.

Seit dem Anfang der modernen kapitalistischen Ära im Industriezeitalter mag der Neoliberalismus als der verwirrendste Begriff der Nachkriegszeit angesehen werden. Von links orientierten Denkenden wird er als solcher genannt und von rechts orientierten als Globalismus angeprangert. Dabei hat es mit den alten Strukturen, die seit dem achtzehnten Jahrhunderts zu tun, die die Welt einprägen und sich sogar auf frühere feudale Haltungen gründeten, die im Kolonialismus landeten. Wie es sich zur Zeit anmerken lässt, haben sich diese Strukturen und Haltungen nicht geändert und sich bis in die Gegenwart aufbewahrt. Also, die Begriffe Neoliberalismus und Globalismus sind jedoch eins und das gleiche. In diesem Sinne erklären viele von beiden Seiten das Gleiche zum Feind. Der Unterschied zwischen beiden liegt darin, dass die einen auf Seite der Arbeiterklassen stehen und die anderen, die heute als rechtsextreme dargestellt werden, die Idee der Nationaler Industrie vertreten, die weiterhin kapitalistisch bleibt, und damit die Arbeiterschaft für sich gewinnen will. Auf der anderen Seite, sieht sich die linke Seite mit einem Keil davon angegriffen, da einige Ideen heimgesucht sieht die von Kapitalismus im Namen der Demokratie entnommen wurden, wie der Gruppen Identitarismus, der an sich wenig mit kultureller Identität von Völker und Länder zu tun hat und noch weniger mit der Vertretung der Arbeiterklassen dieser Länder, die sich mit Eigenschaften und Pekuliaritaten ihrer Volker identifizieren. Dieser Keil setzte sich in den USA durch, wo es anfangs auch unter Arbeiter und Angestellten eine Trennung zwischen Schwarzen und Weißen gab. Es gab in den USA Apartheid, unabhängig von Klassenzugehörigkeit, und dazu gesellte sich sp6ater die Gender Ideologie, die sich auf sexuelle Revolution und der Anhanger der Neuzeit stutzte. Dies alles war dem Kapitalismus nutzbar, der jedoch eine grundlegende Wegwerfgesellschaft gebaut hat. Es hat sich in den Vereinigten Staaten anders entwickelt als in den Länder Südamerikas, wie am Beispiel Brasiliens, wo die Trennung nicht vertikal geschah, aber horizontal; schwarzen und ehemalige Sklaven unten, und weissen oben als Arbeitgeber von Latifundien, Fabriken und Hausangestellten, also je weiter nach oben umso dünner war die Luft für ein Mann oder eine Frau von afrikanischer Abstammung.

Die Sexualität als wichtiger Faktor der psychologischen Analyse nach Freud, was nicht zu verneinen ist, wurde in der nordamerikanischen Idee des Neoliberalismus/Globalismus hinzugefügt. Wen interessierte es aber vorher, die Sexualität anderer, vor allem in der Nachkriegszeit und mit den vielen Skandalen der Kirchen und aller Weltreligionen die sich als Apostel der Moral hinstellen, noch zu heimlichen Machenschaften mit kriegerische und Verdienst orientierter und Politik zusammen taten? England, das erst im Jahre 1960 den Homosexualismus unter Straffe stellte! Der Regenbogen machte sich stark, als dann die Flut aus den alten Kolonien durch den Anstieg der Kommunikation und Reisemöglichkeiten unvermeidbar wurde. Es musste durch den kapitalistischen Utilitarismus brauchbar sein. Eine typische Bourgeoisie verachtete tatsächlich stets Menschen anderer Herkunft oder von anderen sexuellen Benehmens. In Lateinamerika, die wesentlich dem europäischen Einfluss naher liegt, ist die horizontale Segregation üblich, was bedeutet, ein Schwuler aus unteren Klassen zu sein, ist die Hölle, aber schwul oder lesbisch aus einer reichen oder mittelreichen Familie hat das Verständnis der ganzen Welt. Also, der Kampf zur Frauen-Emanzipation, von Schwulen, Schwarzen und anderen hat in Brasilien andere Bedeutungen als in Europa derzeit oder in den USA. Es bleibt ein Klassenkampf. Hinzu ist der Land-Exodus in der Agrarwirtschaft Lateinamerikas, der sogenannte „exodo rural“, ein zusätzlicher Faktor zur Bildung der Favelas der Großstädte, als allmählich eine Agrarreform sich dringend machte aber nicht von den untergeordneten Eliten zugelassen wurde, da sie unter Einsatz von gekauften Militärs ihre Interessen verteidigten und dadurch die Massenflucht in Richtung der Städte verursachte, die die ersten industriellen Möglichkeiten und einige Arbeitschancen damit anbieten. Wer nichts fand, setzte sich durch, wie er konnte. In Rio de Janeiro waren die ehemaligen Sklaven, meist als Analphabeten befreit, schon in den Bergen und in deren Abhänge vertrieben. Die anfänglichen sozialen Umstände Brasiliens und andere lateinamerikanische Länder erinnern an die Studie von Engels über die Bauernkriege in Deutschland, vier Jahrhunderte später. Dies alles ist wichtig zu erklären, damit es bewusst wird, wie jedes Land unterschiedliche Auseinandersetzungen mit ähnlichen Problemen hat und wie jeder aus einer verschiedenen Perspektive sehen kann. Das mag ein Ausgangspunkt zur Erschaffung einer multipolaren Welt sein, die im Gegensatz zur alten Macht sich nicht von moralischen Grundlagen bedient, um finanzielle Interessen zu verteidigen, die dahinter stehen, dann demokratische Einwände benutzt die jedoch in faschistischen Bunden letztendlich ausarten, mit Demokratie als Gewand. Schließlich, wenn es Demokratien waren, die sich diesen Interessen entgegenstellten, wurde nicht gezögert, Diktaturen einzusetzen, wie in Lateinamerika der sechziger, siebziger und achtziger Jahre.

Hierzu wollte ich den Unterschied zwischen der nordamerikanischen und der Mittel- und der Südamerikanischen Welt darstellen. Von der Perspektive multilateraler Beziehungen ausgegangen, trotz der Kulturellen Differenzen die es zwischen den BRICS Mitgliedern gibt, diese ist genau die entgegengesetzte Einstellung zu der Politik der USA und Englands mit ihren EU und NATO-Gefolge, die politisch moralische Argumente hat die sich jedoch je nach Begebenheit und Situation eines betroffenden Landes sich das Recht erteilen, sich einzumischen um Regierungen einzusetzen die deren Interessen vertreten, seien diese Diktaturen oder Demokratien. Das Verständnis der Eigenartigkeit sollte hierzu in der BRICS, Maßstäbe setzen. Lula oder wer Präsident Brasiliens sein soll, der wird sich nicht in Saudi Arabien, in die Emirate oder in Somalia einmischen, um dort zu sagen, wie sie zu leben und zu denken haben. Man kann sich nicht mit der Politik des Iran mit den Frauen, persönlich identifizieren. Jedoch das Recht, eigene moralische Einstellungen aufzuzwingen, als wäre seine Lebensweise die richtige und die beste, besitzt niemand.

In diesem Punkt landet man auf einem der wichtigsten Ansätze und Artefakte der menschlichen Geschichte: die Kultur. Im lateinischen Begriff hat das Wort zweierlei Bedeutung. Die erste ist der Kultus, ein Gegenstand, eine Idee oder ein Glaube, der kultiviert oder verehrt ist. In davon abstammenden Sprachen wie Portugiesisch und Spanisch bedeutet auch der Anbau das Säen von Körnern, um davon zu ernten. Wir alle leben bedingungslos unter kulturellen Einflüssen aller Art und in diesen Belangen hat die Geschichte die Lehre, dass Sprachen, Kunst und Literatur die sich gut verbreiten auch die Ideen der ursprünglichen Mächte ausbreiteten aus der die kulturellen Machenschaften stammten, und damit ihre Macht. Zuerst werden Gedanken beherrscht und damit der Boden zur psychologisch genehmigten Machtergreifung durch Gewalt. In der Gegenwart setzte sich die anglo-saxonische Sprache durch Film, Unterhaltungsmusik, billige Literatur, usw. Das alles ist Werbung zur Macht. Es bedeutet lange auch nicht, dass es in dieser Kultur keine Vorzüge gibt, wie hervorragende Wissenschaft, Poesie, Konzerte, Folklore. Hinter allem aber stecken verheimlichte Interessen, es springt mit der Zeit den Benachteiligten ins Auge und wirkt allmählich arrogant. In der kapitalistischen Gesellschaft, in der sozialdarwinistische Prinzipien Vorderhand besitzen, werden aber nur diejenigen gefordert, die mit dieser Macht kooperieren, und die anderen herausgelassen. Es bleibt eine Masse draußen, der es vorgeworfen wird, für die eigene Ignoranz und die eigenen Lebensumstände verantwortlich zu sein. Es wird als Prinzip des Verdienstes angesehen, lateinisch meritocracia. Das ein Mensch persönliche Verdienste erweisen kann ist hiermit nicht verneint, aber wohl dass jeder der sich in dieser Gesellschaft als Sieger durchsetzt, jemand ist der nur große Verdienste erweist, genauso wie diejenigen die sich nicht durchsetzen keinen persönlichen Wert haben und nutzlose, gegebenenfalls billige Arbeitskräfte die nach Gebrauch verwerflich seien, ist Spot, Anmaßung und Ironie.

Unabhängig von allen zitierten Umständen, sind kulturelle Eigenschaften von jeder Kultur in der jeweiligen Situation und Gegebenheit wichtig, in der sie entstanden sind. Es ist unwichtig, wie die anderen sie bewerten, wenn sie in Ruhe gelassen werden und nicht sich selbst als wichtiger anpreisen wollen. Bisher ist dieser der Weg, den wir in einigen Jahrtausenden Geschichte durchmachten. Wir müssen nicht unbedingt wie die anderen leben wollen, aber sie in Ruhe lassen und diese respektieren und in deren Andersartigkeit akzeptieren, könnte die Lehre der Gegenwart sein, ohne die zu verstehen sie die Wirkung eines Boomerangs hat, und wir der Gefahr der totalen Selbstvernichtung ausgesetzt sind. Eine Chance kann es sein, wenn im Sinne der Multipolarität kooperiert wird. Diese wurde trotzdem nur deswegen geboren, weil ein Block, der anfangs die Initiative der Entdeckungen ergriff, zu einer Ausweitung der bekannten Teile der Erde führte. Dies geschah nicht ohne Gewalt und Vernichtung. Sie waren unter sich auch zerstritten, und sie verstanden Politik nicht anders. So geschahen Vernichtungskriege zur Durchsetzung einer derzeit fortgeschrittenen Kultur, damit auch Perversitäten und Genozid. Es sei angenommen, die Vergangenheit ist nicht zu ändern, aber positive oder negative Folgen mögen von den einen und von den anderen, je nach Gesichtspunkt angesehen werden, die Einstellungen noch in der Gegenwart anwesend und gefährlicher denn je. Der Positivismus, der alles geschehen, Fehler oder Vorteile, Aktivitäten und Entscheidungen als Fortschritt zum Wohle aller Menschen ansieht, wird benutzt, verdreht und in vielerlei Hinsicht missbraucht und erweckt damit Misstrauen und stößt auf eindeutige Ablehnung.

Die BRICS erfasst in der Tat Länder, die sich gegen eine alte Ordnung der Finanzen der Welt stellen. Sie hat nicht die Absicht moralisch zu sein oder eine Moral zu vertreten, auch ist sie keinesfalls Kultur abgeneigt, je nachdem welche kulturellen Eigenschaften jedes Land sich in seiner Geschichte eigen gemacht hat. Brasilien erlebte verschiedene Coups, die auch kulturell die Absicht hatten, die Menschen sich nicht ihres reichen kulturellen Besitzes bewusst werden zu lassen, auch in demokratischen Zeiten, als TV Globo, die der ganze Komplex der Meinungsindustrie gehört und zur Zeit der Militärs gegründet wurde, den Sozialisten Leonel Brizola mit mehreren Tricks daran hinderte, Präsident zu werden, der Mann der in allen Peripherien Brasiliens Schulen und mehr Schulen bauen wollte. Nicht Schulen! Am Ende gewann Collor de Mello, eine Vorfall-Figur des Idioten Bolsonaro, die aber sobald abgesetzt wurde, als er dem Zweck gedient hatte, mit dem Vorwurf der Korruption. Schließlich wurde mal Lula, der Gewerkschafter gewählt, der seine Vorzüge hat, jedoch gut verhandeln kann wie keiner zuvor. Auch er wurde mit diesem Vorwurf verhaftet, der immer gut bei einer astreinen Mittelschicht ankommt. Dilma Rousseff, seine Nachfolgerin wurde abgesetzt, Lula verbrachte anderthalb Jahre in Gefangenschaft, der Vize von Dilma, der Aktionär des grossen Lager im Hafen von Santos und Rio de Janeiro, sein Geld in den USA, übernahm die Macht und Bolsonaro, der nur Theater spielte, ließ sein Finanzminister, der mal in Chile unter Pinochet das erste Experiment neoliberaler Politik durchführte, freie Hand. Die Wahl von Lula erweckte in den USA Hoffnungen, er wäre fortan Joe Biden nah und ihm fügsam, stellte sich bald als falsch heraus, als der Deutsche Bundeskanzler in Brasilien war (das über zweihundert Leopard Panzer besitzt), um Munition für die Ukraine bat und ein riesen NEIN als Antwort erhielt.

Noel Nascimento-Filho:

Studierte Musik an der Hochschule der Künste Berlin und an der Westfälischen Hochschule für Musik der Universität Münster. Wirkte in Brasilien auch als Dozent und Kunst, Kultur und Literaturkritiker. Lebt zur Zeit in Curitiba Brasilien.

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Von Redaktion

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