Buchkritik zu „Mystik und Politik“ von Karin Priester
Karin Priester war bis 2007 Professorin für Politische Soziologie am Institut für Soziologie der Universität Münster. Sie starb am 25.04.2020 und ist in den letzten Jahren mit zahlreichen Veröffentlichungen, darunter auch zum Thema „Radikaldemokratie“ hervorgetreten.
Das oben dargestellte Buch von ihr thematisiert die Grenzen sprachlichen Ausdrucksvermögens, das Verhältnis von Einheit und Differenz, Allgemeinem und Besonderem, Begriff und Bild. Die Mystifizierung des Denkens in Paradoxien und Analogien und die Frage nach der Darstellbarkeit des Undarstellbaren wurden mit diesem Buch von ihr wiederbelebt. Am Beispiel der radikaldemokratischen Ideen von Ernesto Laclau und Chantal Mouffe ging sie den linken Erklärungsversuchen dieser Autoren nach. Sie untersuchte die Anleihen dieser Autoren bei Gramsci, Sorel, Freud, Nietzsche und nicht zuletzt bei Carl Schmitt, den „Kronjuristen des Dritten Reiches“. Als Ziel dieser Aktivitäten identifizierte sie, eine linke Vorherrschaft unter den Bedingungen zunehmender politischer Vielfalt.
Der Weg dieser Autoren führte vom Marxismus zum Libertarismus, zur Kritik an der Verfasstheit der gegenwärtigen Gesellschaft und zu politischem Symbolismus. Während Laclau einen linken Populismus propagiert, entwickelt Mouffe das liberalismuskritische Konzept der „streitbaren Demokratie“. Sie hinterfragt auch, welche politische Reichweite ein Denken hat, das in der Paradoxie von Verneinung und Bejahung der bestehenden Machtverhältnisse gefangen bleibt und fordert dadurch eigentlich radikaldemokratische Konsequenz.
Am 01.04.2015 erschien von ihr in den „Frankfurter Heften“ (Ausgabe 10/15) ein Artikel mit dem der Überschrift „Die Krise der Repräsentation“.
https://www.frankfurter-hefte.de/artikel/die-krise-der-repraesentation-2113/
In diesem Artikel thematisiert K.Priester, das zunehmende sich Abwenden der jungen Generationen von den bestehenden Machtstrukturen und beruft sich dabei auf den Trend eine in Großbritannien von einer Forschungsgruppe der Universität Exeter durchgeführten Befragung in den Jahren 2022 und 2011.
Darin gelten Politiker als unehrliche, zynische und abstoßende Machtmenschen, deren Parteien keine Wahlmöglichkeiten böten, weil ihre politischen Ziele nahezu identisch sind. Dieser Trend lässt sich europaweit feststellen, aber K.Priester erwähnt bemerkenswerter Weise auch, dass sich die soziale „Unterschicht“, die Rousseau bereits „Lohnsklaven“ nannte, was nicht nur einer soziale „Schicht“, sondern eine soziale Klasse ist, weil sie ihre Eigentumslosigkeit an ihre Nachkommen in der Regel weiter vererbt, sich weitestgehend frustriert von der Fassadendemokratie abgewendet hat. Das macht die politisch aktive Mittelklasse und die herrschende Klasse unruhig. Das Forscherteam der Uni Exeter empfahl den Machthabern, ihr Ansehen mit mehr Ausgaben für „Public Relation“ aufzupolieren und das Problem wäre gelöst.
K.Priester stellt drei konzeptionelle Lösungsansätze für die „Krise der Repräsentanten“ vor, krittelt an diesen zynisch herum, aber präsentiert keinen eigenen.
Als erstes greift sie sich den Liberalismus von Philip Pettit und Pierre Rosanvallon heraus, die für die Herrschaft einer „unparteiischen“ Elite, gegen die freiheitsgefährdende „Tyrannei der Mehrheit“ plädieren. Das eine solche Elite „unparteiisch“ wäre, hält sie für unwahrscheinlich und da kann ich ihr nur zustimmen, womit die Untauglichkeit dieser „Lösung“ offensichtlich wird.
Als zweites wendet sie sich ihrem Spezialgebiet dem Rechten und linken Populismus zu, der den „Willen des Volkes“ direkt verwirklichen will und das Gegenstück zum kleinbürgerlichen Liberalismus darstellt. Der „Wille des Volkes“, den es so nicht gibt, ist natürlich die Diktatur der Mehrheit, die alle Minderheiten unterdrückt, oder wie in der französischen Revolution einfach als „Volksfeinde“ köpft. Zwischen Führung und Basis benötigt der Populismus keine demokratischen Prozeduren, weil die „Führung“ ohnehin das Sprachrohr der „Volksmassen“ ist und wisse was diese meinen, fühlen und wollen.
Als drittes führt sie die Radikaldemokratie als Ausweg an. Doch das Beispiel von C.Mouffe und E.Laclau ist freilich so ungenau, nebulös und halbherzig in der Ausführung, dass es ebenfalls als untauglich erscheinen muss, was den Leser und auch die Autorin ratlos zurück lässt.
Da K.Priester bereits verstorben ist, können wir ihr unsere konkreten Vorschläge zur Gestaltung einer radikaldemokratischen Gesellschaft nicht mehr unterbreiten und so werden wir diese im folgenden einem breiten Publikum zur konstruktiven Kritik anbieten. Dies geschieht bereits in Gesprächskreisen, Foren und Zeitschriften. Wer interessiert ist, kann sich über das Impressum dieser Zeitung an die Redaktion wenden.
J.M.Hackbarth