Antwort auf den Leserbrief. Volksabstimmungen sind Eintrittspforten für Diktatoren.

https://radicaldemocrat.news/2025/07/07/leserbrief-auf-den-artikel-berliner-widerstand-im-neustart-wo-bleibt-die-verfassungsrevolution-in-24-25/
[Der Aufstand 26/25, Seite 7]

Antwort auf den Leserbrief. Volksabstimmungen sind Eintrittspforten für Diktatoren.

Wer die Vertretung des Volkes für Volkssouveränität hält, ist im Irrtum

Demokratie, übersetzt „Herrschaft des Staatsvolkes“, abgeleitet von Demos = Staatsvolk, basiert darauf, dass die Staatsbürger selbst Verfassung und Gesetze beschließen. Eine Volksabstimmung (Plebiszit) ist im Gegensatz dazu etwas völlig anderes. Der Plebiszit wird gerade wieder sehr populär in der demokratisch gesinnten Bevölkerung und entsprechenden Vereinigungen – auch unter dem Synonym „Direkte Demokratie“. Bei aller Gutwilligkeit dies zu fordern, wird der versteckte Haken daran meistens übersehen: Die fehlende Gesetzesinitiative! Bei einer Volksabstimmung hat das Staatsvolk nicht die Gesetzesinitiative, sondern wieder Vertreter. Das Staatsvolk darf dann nur noch mit einem Kreuzchen die Frage beantworten, die ihnen die Vertreter stellen. Wer nicht politisch naiv ist, weiß, dass hier die Macht inne hat, wer die Frage stellt. Geschlossene Ja-Nein-Fragen können Regierungen so formulieren, dass dabei immer das gewünschte Ergebnis herauskommt wenn sie noch dazu die Medien beherrschen. Die Volksabstimmung ist geradezu eine Einladung um eine Diktatur oder sogar einen Krieg zu legitimieren.

„Das Einzige, was die auf der volonté gérérale gegründeten Nationalstaaten immer wieder vor dem unmittelbaren Zusammenbruch rettet, ist die phantastische Leichtigkeit, mit der jeder, der Lust auf die Last und Glorie der Diktatur hat, diesen sogenannten Nationalwillen manipulieren und sich unterwerfen kann. Die Diktatur ist die Regierungsform, die dem Nationalstaat gleichsam auf den Leib geschrieben ist, und Napoleon Bonaparte war nur der erste und ist immer noch einer der größten unter den nationalen Diktatoren, der unter dem Beifall der gesamten Nation erklären konnte: »Je suis le pouvoir constituant« [Ich bin die verfassunggebende Gewalt].“ (Hanna Arendt, „Über die Revolution“, Seite 230)

Wer das Grundgesetz lobt, lobt seine eigene Entmündigung

In Artikel 38 des Grundgesetzes, heißt es, dass Abgeordnete an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen sind. Dieser Artikel hebt das behauptete Demokratieprinzip in Artikel 20 des Grundgesetzes („Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“) auf und verwandelt es in ein Korruptionsprinzip, denn die reichsten Eigentümer (Oligarchen) brauchen nur die Kosten für das Gewissen der Abgeordneten zu ermitteln und dann wissen sie was zu tun ist, um Volksvertreter in ihre Vertreter umzudrehen. Dieses Herrschaftssystem nennt man Oligarchie. Es soll Demokratie vorgaukeln, in dem Freiheiten versprochen werden, aber im nächsten Absatz wieder weggenommen werden. Ein Hütchenspielertrick wie der eines Kleinganoven auf einem Marktplatz, mit einem behaupteten Demokratieprinzip in Artikel 20, das durch Artikel 38 wieder weg genommen wird.

Wer einen demokratischen Prozess anschieben will und ihn weiterhin auf das Kreuzchenmachen reduziert, misstraut dem Staatsvolk und möchte an seiner Entmündigung festhalten.

Die Staatsbürger müssen die Möglichkeit haben, jeden Wortlaut jedes Artikels ihrer Verfassung gleichberechtigt mit zu entscheiden. Denn Legitimität entspringt ausschließlich und nur aus der Selbstgesetzgebung der Gesetzesunterworfenen. Alles andere ist Zwangsherrschaft.

Die Idee von „Unsere Verfassung e.V.“, erst ein leicht geändertes Grundgesetz, das das Element der Volksabstimmung beinhaltet, dann eine „verfassungs-klärende Versammlung“ einzusetzen um das Grundgesetz noch mehr zu verändern und wiederholt per Volksabstimmung beschließen zu lassen, kann letztendlich nur zu dem Ergebnis führen dem entmündigenden Vertreterprinzip des Repräsentationssystems zu noch mehr Legitimation zu verhelfen. Vielleicht ist das anfänglich gut gewollte so gar nicht beabsichtigt, aber die Zementierung der Entmündigung durch „Volksvertreter“ wird genau dabei herauskommen.

Mit der täglichen Bestrahlung, dass das Repräsentationssystem Demokratie wäre, ist die gesamte Bevölkerung dieses Landes aufgewachsen. Daraus ergibt sich ein gigantischer Bedarf an Aufklärung, der natürlich dem demokratischen Prozess einer Verfassungsrevolution, die nur in einer Wende vom Vertreterprinzip zur Macht der Staatsbürger bestehen kann, vorausgehen muss. Wenn die Initiative schon im ersten Plebiszit eine Änderung des Grundgesetzes abstimmen lassen will, warum so eine Krümel-Änderung mit Volksabstimmungen, die dem Staatsvolk die Gesetzesinitiative wieder versagen soll? Warum Krümel anstatt den ganzen Kuchen? Man hat mit Artikel 146 GG nur einen einzigen Schuss. Danach muss die Volkssouveränität sofort stehen und nicht erst wieder durch ein Entmündigendes Vertreterprinzip eines Bürgerrats mit freien Mandaten, „gewählt“ noch dazu per Zufallsgenerator, im Sande verlaufen. Dennoch ließe sich die Initiative, auch wenn sie schon gestartet ist, von einem illusionären Kurs zu einem realistischen Kurs drehen.

Es ist noch nicht zu spät, um die Initiative von „Unsere Verfassung e.V.“ in eine Erfolgs-Aktion zu drehen

Ein Erfolg der Initiative „Unsere Verfassung e.V.“ kann nur als Aufklärungs-Initiative in Form einer Propaganda-Aktion eintreten. Wenn wir von einer Widerstandsbewegung sprechen, die in sich zwar nach ihren politischen Positionen sehr heterogen ist, so ist doch erkennbar, dass es einen gemeinsamen Nenner gibt, und das ist der Widerstand gegen die Entmündigung durch sogenannte „Volksvertreter“, die nach Artikel 38 des Grundgesetzes nicht an Aufträge und Weisungen des selben Volkes gebunden sind, das sie vertreten sollen.

Der Widerstand richtet sich im Grunde gegen das Vertreterprinzip des Repräsentationssystems, die ein proklamiertes Demokratieprinzip in Artikel 20 in das Korruptionsprinzip einer Oligarchie dreht. Das ließe sich durch eine einzige Änderung im Grundgesetz zurückdrehen, und zwar an einer Stelle, die tausendfach wirksamere Konsequenzen hätte als Volksabstimmungen. Wenn die Volkssouveränität nur darin bestehen kann, dass die Staatsbürger Verfassung und Gesetze selbst machen, dann kann man das durch folgende Eingangstür nach Artikel 146 des Grundgesetzes in Ordnung bringen:

So lassen sich mit einem einzigen Umschalter im Grundgesetz die Abgeordneten zu Auftragnehmern der Staatsbürger, und die Staatsbürger zu ihren Auftraggebern bestimmen. Wenn die Abgeordneten zum Personal der Staatsbürger werden, dann werden die Staatsbürger zu den eigentlichen Gesetzgebern und die Abgeordneten zu ihren Sekretären. Dadurch können die Staatsbürger jederzeit die Verfassung nach ihren Aufträgen und Weisungen vollumfänglich ändern lassen. Der Bundestag wird damit in ein gigantisches Sekretariat der Staatsbürger umfunktioniert. Eine derartige Revolution durch ein einziges Kreuzchen hätte eine gigantische Volksbewegung für die Bildung zweckmäßiger Versammlungen der Staatsbürger für die Konstituierung von Bürgerräten zur Folge. Dagegen betrachtet ist die Forderung nach Volksabstimmungen völlig krümelhaft, kleinkarriert und basiert leider weiter auf dem entmündigenden Vertreterprinzip. Dem gegenüber ist eine Abstimmungsaktion nach Artikel 146 des Grundgesetzes, die Staatsbürger zu den Auftraggebern der Abgeordneten zu machen, revolutionär, und hätte mindestens den Aufklärungs-Effekt, zu verstehen, dass ein freies Mandat in Artikel 38 nichts weiter ist als eine gesetzlich verbriefte Verantwortungslosigkeit, die dem Demokratieprinzip in Artikel 20 „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“ entgegensteht und deswegen als erstes aufgehoben werden muss.

Natürlich ist es aber eine Illusion, zu glauben, die gegenwärtigen Machthaber würden sich so einfach ihren privilegierten Zugang zur Macht, und damit ihre Privilegien, die sich in klingender Münze messen lassen, wegnehmen lassen. Wer nicht politisch naiv ist, baut nicht auf einer Illusion auf. Denn eine derartige Wende des Artikel 38 GG hätte Konsequenzen, die sich erst offenbaren wenn man sie zu Ende denken kann. Eine Anleitung für das Zuendedenken ist der eigentliche Effekt, den die Initiative bei jeder Kenntnisnahme auslösen kann. Denn bei wem fangen die Windungen im Kopf nicht sofort an zu arbeiten, um sich eine politische Struktur einer Gesellschaft vorzustellen, die einem gewendeten Artikel 38 entspricht? Das ist ein ausgezeichneter Nährboden für weiterführende Demokratisierungs-Ideen. Nur darin lässt sich ein Erfolg sicherstellen.

Der Verein UMEHR e.V. hat die Verankerung der egalitären Menschenrechte der UN von 1948 in Verfassungen und Gesetzen durch ihre freien Entscheidungen als Staatsbürgerim Zweck des Vereins

Aus dieser Zielstellung ergibt sich natürlich ein gewisses Bündnis-Potential zwischen UMEHR e.V. und „Unsere Verfassung e.V.“. Durch die Abstimmungs-Initiative kommt es zur Sammlung von Daten der Zustimmenden. Hier liegt ein Potential dafür, die Zustimmenden zu fragen, ob sie denn Mitglied in unseren Vereinen werden möchten und sich für die Demokratisierung der Gesellschaft auch durch Mitarbeit engagieren möchten. Die Verfasstheit der Vereinssatzung des UMEHR e.V. ist extra darauf ausgelegt, so viele wie möglich aktive Mitglieder auf gleichberechtigter Basis zu gewinnen und deshalb hat UMEHR e.V. eine radikal-demokratische Satzung. Diese Satzung ist für Menschen, die sich für die Demokratisierung der Gesellschaft engagieren möchten, sehr attraktiv. Wo findet man die Satzung des Vereins „Unsere Verfassung e.V.? Wie können wir eine Zusammenarbeit der beiden Vereine beginnen?

Holger Thurow-N.


Das Rätesystem ist für Radikaldemokratie geeignet!
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