Verhandlungs-Protokoll wegen des Filmens maskierter Polizisten

Blick in einen Bremer Gerichtssaal (links). Foto von Ruth G.
[Der Aufstand 12/25, Seite 10]

Verhandlungsprotokoll 10.03.25 am Landgericht Bremen, Strafkammer 51, gegen Wolfgang aus Bremen, wegen des Filmens, maskierter Polizisten

Berufungsverhandlung des Journalisten/Demo-Streamers Wolfgang W. aus Bremen, wegen Verstoßes gegen das KunstUrhG.

R = Richter, RA = Verteidiger, W = Wolfgang W., StA = Staatsanwalt, SCH = Schöffe

Zu Beginn der Verhandlung meinte W, daß ihm die Schöffin bekannt sei. Wegen möglicher Befangenheit wurde diese befragt. Sie sagte, sie kenne W nicht, und W,s Verteidiger schloss dann damit ab, ihre Aussage müsse man glaubhaft hinnehmen.

R rekapitulierte darauf Verhandlung und Urteil im Mai 2024: Wegen Verstoßes gegen das KunstUrhG erging gegen W ein Urteil von 40 Tagessätzen à 10,00 €.

Am 18. Jan 2022 hatte W auf YouTube ein Video eingestellt, die Szene eines „Spazierganges“ in der Bremer Innenstadt, wie sie während der Corona-Maßnahmezeit bundesweit stattfanden. W war als Pressevertreter mit anderen Teilnehmern eingekesselt, die Polizisten ließen sie nicht gehen. W hatte Nahaufnahmen von Polizisten gemacht, die trotz Masken eindeutig erkennbar waren.

Es sei ein Ereignis der Zeitgeschichte gewesen, aber Portraits der Polizisten sein dafür nicht erforderlich gewesen. Gemäß KunstUrhG §23, Abs.1,hätte sich W strafbar gemacht, da er keine Einwilligung eingeholt hätte. Möglich sei Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. Die Maske schränkte aber Erkennbarkeit der Polizisten ein, W war bisher nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten, dies begründete dann das Urteil 40 Tagessätze à 10,00 €.

Am 13. Mai 2024 hätte der Angeklagte über seinen Verteidiger Berufung eingelegt.

W,s Verteidiger betonte die damals konfrontative Situation zwischen Antifa, Spaziergängern und Polizei. Ein Journalist sollte Zeitgeschehen für sich definieren können, lt. Gericht wären Porträtaufnahmen nicht erforderlich. Was erforderlich sei,

was nicht, darüber ließe sich jedoch streiten. Die BILD-Zeitung würde vorrangig nur mit Bildern arbeiten, hier waren jedoch nur Sekunden-Bilder der Polizisten zu sehen. Das Gericht hätte in Bezug auf die Erkennbarkeit nicht abgewogen, warum die Gesichter nicht kenntlich sein dürften. Nach elf Monaten sei die Strafzumessung kompliziert, Erkennbarkeit sei kein steuerrelevantes Kriterium. Wiedererkennbarkeit sei hier wohl eher für Bekannte/Verwandte gegeben. Nach drei Jahren sei hier die Irrtums-Problematik aufgeworfen. Er fragte, ob man nicht nach §153a StPO einstellen können. Es ging hier doch vorrangig um den Corona-Meinungsstreit, das ergangene Urteil hielt er für nicht (mehr) angemessen.

R meinte, es sei sinnvoll, die ersten Minuten des Videos anzuschauen, und zu sehen, ob die StA der Einstellung nach §153a StPO zustimme. Hier kam, neben der durchgängig gezeigten Freundlichkeit des Richters, sein Interesse für journalistische Fragestellungen durch – er sei stellvertretender Pressesprecher, kenne sich aus, wolle über Journalistisches reden, fragte, ob Ws Kanal noch aktiv sei, wie viel Videos es sein.

W sagt, er hätte einige Monate vor diesem Video angefangen, Zeitgeschehen, d.h. Corona-Demos und Gegendemonstrationen zu filmen bzw. zu veröffentlichen. Hätte anfangs unerfahren, durch die Praxis gelernt. Er mache das heute noch, inzwischen seinen es 200 – 300 Videos, er arbeite ehrenamtlich, sei Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten (DVPJ), habe einen Presseausweis, der jährlich ausgegeben werde. Er sei Journalist, der Verband sei anerkannt.

Besagter Videoausschnitt wurde gezeigt.

R bittet W die Szene zu kommentieren. W beschreibt, die Spaziergänger wollten losgehen, dann Polizeikessel. Er wollte als Pressevertreter Spaziergänger im Kessel interviewen. Dann O-Töne im Video: Beschwerden über die Polizei:“Was soll das? Wir werden festgehalten.“W:“Die Pressefreiheit wird nicht akzeptiert“, fragt nach Dienst-Nummern und Namen. W: “Das geht rund um die Welt, was Bremen hier für Theater macht. Die Antifa kriegt keine Maßnahme, ist das überhaupt genehmigt?“

Video Ende.

R gibt Inhalt der Strafanzeige vom 21.02.2022 wieder: W sollte gemäß KunstUrhG das Filmen einstellen. Es war ein angemeldeter Spaziergang von 18:00 bis 21:00 Uhr. Zwei Polizisten. Querdenker-Szene. Auf der Domsheide. W filmte, ihm soll mitgeteilt worden sein, dass er sich in einer polizeilichen Maßnahme befände. Darauf erwiderte er, dies sei ihm nicht mitgeteilt worden, er wolle die Dienstnummern haben. Diese wurden genannt. W filmte weiter. Überprüfung des Presseausweises war vor Ort nicht möglich. W solle gesagt haben, sein Pressehausausweis sei falsch. Die Polizei ging davon aus, dass er gefälscht war. Am 18.01.2022 stellte W das Video auf seinem YouTube-Kanal ein.

Lt. Aussage von W,s Verteidiger sollten die Polizisten die Löschung beantragen, weil sie ihre Rechte verletzt sahen. Der Richter fährt mit der Strafanzeige fort: Trotz Maske seien die Beamten gut erkennbar, es sei kein Dokument der Zeitgeschichte, Dienstnummer wurden genannt, das KunstUrhG verletzt. Tat relevante Aussagen seien

wohl verschleiert worden, weil W den Ton veränderte. Polizeiliche Überprüfung des Presseausweises bewies dessen Echtheit.

Pause.

R benennt Sach- und Rechtslage, gibt dies als Anlage zum Protokoll Einwände zum KunstUrhG könnten entfallen, es gelte §5 GG Presse- und Meinungsfreiheit, Presse solle selbst entscheiden, was von Interesse für die öffentliche Meinung sei. Demos- und Gegen-Demos dürften als zeitgeschichtlich relevant anzusehen sein, die Polizisten seien mit Masken kaum zu identifizieren gewesen, W hätte nicht beleidigend kommentiert. Die Verletzung persönlicher Rechte der Polizisten sei fraglich.

R benennt insgesamt zwei Strafanzeigen von fünf Polizisten, die am 21.01.2022 und 30.03.2022 erfolgten. R fragt W, ob er noch etwas über sich erzählen will. Nachdem W verneint, trägt R vor, das Bundeszentralregister sei ganz frisch, vom 27.02.2025, ohne Eintragungen.

Im Plädoyer stimmt Ws Verteidiger dem Gericht zu, Porträts hätten laut formaler Rechtsprechung zum zeitgeschichtlichen Ereignis keinen Bezug. Hier ging es darum, die Konfrontationslage zu dokumentieren, das gehörte mit rein, das war Beschneiden der Freiheit, die Leute hätten sich aufgeregt. Eine Gefährdung der Beamten durch Wiedererkennbarkeit lag aufgrund der Masken nicht vor. Die aufgeladene Situation sei in den Bericht geschwappt Hineingelegt, als ob sich Strafbares daraus ergäbe. Die erste Verhandlung hätte diesen Atem gehabt. Jetzt seien wir weiter weg. W hätte unabsichtlich, sprich ohne Vorsatz drauf gehalten, er hätte sich hier nicht strafbar gemacht und sei deshalb freizusprechen.

Der StA hob an, W hätte im Januar 2022 die Aufnahmen angefertigt und veröffentlicht, die Vollzugsbeamten sein einwandfrei erkennbar und nicht mit der Verbreitung einverstanden gewesen. Hinterfragte den Informationsgehalt der Porträts. Aus Sicht der StA hätte W sich gemäß §23 KunstUrhG schuldig gemacht, hier ergehe Geldstrafe oder Freiheit strafe bis zu einem Jahr. W sei bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten. 40 Tagessätze à 10,00 €. Die Strafe der 1. Instanz sei aus Sicht der StA fehlerfrei, die Berufung sei als unbegründet zu verwerfen. Die Kosten solle der Angeklagte tragen.

Pause.

R verkündet den Freispruch, Kostenübernahme durch die Staatskasse.

Begründung: §5 GG Pressefreiheit sei maßgeblich heranzuziehen. Es war massive Polizeipräsenz, Justiz soll sich juristisch auseinandersetzen. Er habe keine rechtliche Grundlage gesehen, warum die Polizei W nicht aus der Einkesselung entlassen hat. Die Polizei müsse sich auch dabei filmen lassen, wenn sie behindert. Die Masken hätten die Gesichter relativ unerkennbar gemacht. Nach §23 KunstUrhG sei keine Einwilligung erforderlich, auf den Uniformen standen keine Namen, wenn nahestehende Personen hätten die Polizisten erkennen können, sei das ein anderes Feld von Persönlichkeitsrecht. Es seien junge Polizisten in Uniform gewesen, teilweise überfordert. Daher erfolge hier Freispruch, Möglichkeit Rechtsmittel einzulegen gäbe es nicht, die StA müsste Revision einlegen.

Ende der Verhandlung.

PS.:Der Richter fragte mich zum Schluss, ob ich meinen Bericht veröffentliche, grinste und sagte, das sei keine Fangfrage!… und wünschte auch allen Nicht-Bremern eine gute Heimfahrt.

Ruth 10. März 2025

das könnte auch interessant sein
das könnte auch interessant sein

Avatar-Foto

Von Redaktion

Die Redaktion wird gestellt vom Ortsverein „Gesellschaft der Gleichen“ des UMEHR e.V. mit der Zielstellung, die öffentliche Debatte durch radikaldemokratische Prinzipien zu fördern. Sie erstellt die Publikationen auf PDF und stellt die Beiträge hier online. Die Redaktion ist nicht Autor der Beiträge. Die Autoren sind unter ihren Beiträgen auf den Beitragsseiten zu finden. Eingereichte Beiträge geben nicht die politische Position der Redaktion wieder. Eingereichte Beiträge von Parteien bedeuten nicht, dass die Redaktion Mitglied dieser Partei ist oder Positionen dieser Partei vertritt. Jeder Autor ist für seinen Beitrag selbst verantwortlich.

Ein Kommentar

  1. Eine freie Presse ist eines der höchsten deutschen Güter! Ob man diese vor Angela Merkel, Olaf Scholz und ihren Ministern schützen muß oder wie früher gegen den eher rechten Franz Josef Strauß. Es ist nicht wichtig vor wem, sondern DAS sie geschützt wird. Gerade weil sie hier in Deutschland so selten geworden ist.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert