Kommentare zum Artikel „Bolsonaros Militärputsch“ und die Affinität der System-Linken für die Gewalt gegen das Wort

Rosa Luxemburg Gedenkstätte in Dresden – Foto (Bildquelle hier)
[Der Aufstand 07/25, Seite 9]

Kommentare zum ArtikelDer Putsch – Bolsonaros Militärputsch“ und die Affinität der System-Linken für die Gewalt gegen das Wort

Der Artikel „Der Putsch – Bolsonaros Militärputsch“ von Noel Nascimento Filho, enthält einige Absurditäten und vor allem in Teil 2 in dem Absatz über Hannah Arendt, unwahre Behauptungen. Im Autorenprofil kann man lesen, dass seine Familie Opfer von Verfolgung und Folter unter der Militärdiktatur in Brasilien (1964 – 1985) war. Derartige Gewalterfahrungen haben die Nachkriegsgenerationen seit 1945, zumindest in Deutschland nicht mehr gemacht und wer versuchen will, sich in die Gefühlswelt eines Menschen mit einem Gewalt-Trauma hineinzuversetzen, kann seinen Hass auf Bolsonaro verstehen, der sich die Zeit der Militärdiktatur zurückwünscht und versuchte hochrangige Militärs für einen Putsch zu gewinnen. Wenn aber mehr Emotionen die Hand beim Schreiben führen als nüchterne und rationale Analyse, kann man schnell Irrtümern unterliegen. In der Wochenzeitung „Der Aufstand“ sind schon mehrere Artikel von Noel zu finden, und unterm Strich bereichern sie unseren europäischen Blickwinkel. Allerdings halte ich es für geboten, Tatsachen von Übertreibungen und Untertreibungen ganz sauber zu trennen und einen nüchternen Blick auf die Kausalitäten der Ereignisse des 20. Jahrhunderts und der Folgeereignisse des 21. Jahrhunderts zu behalten. Gerade dabei sind uns die Bücher von Hannah Arendt sehr behilflich.

Schon die Überschrift „Der Putsch…“ enthält einen groben Fehler, denn in Brasilien fand kein Putsch statt, sondern man kann höchstens von einem Putschversuch sprechen, worauf einige Veröffentlichungen zu den Ermittlungen der brasilianischen Staatsanwaltschaft schließen lassen. Dann fällt mir die sehr grobe Merkwürdigkeit auf, dass Noel offensichtlich glaubt, es gäbe in Brasilien viel weniger ein Rechts und Links als in Europa und auch die extreme Rechte wäre überall woanders viel mehr zu verorten, als in Brasilien. Er stellt in einer Zwischenüberschrift die Verfassung Brasiliens in den Gegensatz zur

…nördlichen Hemisphäre der EU, USA, NATO und insbesondere europäischer Politik von rechts.“

Schon im Einleitungstext schreibt er von einem

… internationalen Bestreben der extremen Rechten.“

Dann erklärt er nochmal genauer, Zitat:

Anders als in mehreren Ländern Europas, ist in Südamerika die Teilung in Links und Rechts in den wesentlichen Punkten viel weniger oder nicht vorhanden, wie es besonders in Deutschland festzustellen ist.“

Was heißt „rechtsextrem“? Und was heißt Links und Rechts? Eine andere Hermeneutik in den Extremismus hineininterpretieren zu wollen als die Gewalt, ergibt gar keinen Sinn, denn „extrem“ von lat. extremus bedeutet: das Äußerste. Und das Äußerste hinter der Politik, ist die Gewalt, bzw. der Krieg. Insofern wäre es korrekt, den Krieg, oder wie Clausewitz herausfand, die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, als die „Politik“ von Extremisten zu klassifizieren und zu sagen, dass in den Regierungen der EU und USA Extremisten den Ton angeben. Elon Musk aber, ist zwar ein superreicher Geschäftsmann in der Oligarchenliga, aber er tritt sogar für die Beendigung des Ukraine-Krieges ein, was nach seiner Ernennung zum Sonderberater von Trump relevant werden dürfte, nur ist gerade diese politische Relevanz alles andere als extrem. Nun bezeichnet Noel Elon Musk trotzdem als „rechtsextrem“, warum? Weil er auf seinem X-Account nichts weiter tat als seine Meinung zu äußern? Elon Musk vertritt nicht auf der Ebene der Gewalt, sondern auf der Ebene des Wortes mit dem bürgerlichen Liberalismus zunächst einmal eine Denkrichtung, die die Befreiung (von lateinisch libera, liberum = “frei“) der Lohnsklaverei von staatlicher Regulierung fordert und den Staat auf den polizeilichen Schutz des Eigentums der Eigentümer begrenzen möchte, welche zurück geht auf die Ideologin Ayn Rand, die versucht hat, aus ihrer Idee, dass Individualismus und Konkurrenz der Zusammenarbeit und Kooperation überlegen sei, eine Philosophie zu machen. Ja, das ist rechts, aber auf der Ebene des Wortes eben nicht rechtsextrem und überhaupt nichts besonderes sondern weit verbreitet, eigentlich nur eine Ideologie des Individualismus, die im Eigentumsrecht, durch Freiheit der Eigentümer in mehr Lohnsklaverei umschlägt, weil die Freiheit der Eigentümer sich proportional verhält zur Sklaverei der von ihrem Lohn Abhängigen. Wer diese, vor allem in den USA gezüchtete Denkrichtung besser verstehen möchte, findet darüber eine sehr tiefgreifende Artikelserie in mehreren Teilen, beginnend in „Der Aufstand“ Nr. 27/23, siehe hier: https://radicaldemocrat.news/2023/07/07/kommentare-zum-artikel-aus-magma-ayn-rand-die-amerikanische-ideologie-ohne-maske/ (Teil 2 hier, Teil 3 hier, Teil 4 hier)

Die Ebene des Wortes, die eine freie Debatte voraussetzt, ist die Ebene der Demokratie und nicht die Ebene der Gewalt. Die Gewalt ist stumm und eben diese Ebene ist die des Extremismus. Genau hier liegt die Demarkationslinie zwischen Demokratie und Diktatur.

Und hier hat Noel ein Problem mit der Ebene des Wortes. Da ergibt sich die Frage: welche Ebene bevorzugt Noel?

Was nun den Liberalismus betrifft: die konsequentesten Vertreter dieser Ideologie nennen sich in den USA „Republikaner“. Präsident Trump, der Elon Musk als Berater engagiert hat, ist ein Republikaner. Die Republikaner sitzen im Repräsentantenhaus rechts (vom Präsidium aus gesehen). Die politischen Positionen Rechts und Links sind tatsächlich abgeleitet von der in den meisten bürgerlichen Parlamenten traditionellen Sitzordnung, in denen links die Abgeordneten sitzen, die sich innenpolitisch ein wenig mehr Altruismus innerhalb des Lohnsklavensystems leisten (in den USA die „Demokraten“) und rechts die Abgeordneten, die sich davon im wesentlichen durch Positionen für deregulierte Lohnsklaverei durch „weniger Staat“ und daher für mehr Ausbeutungsfreiheit abheben, wofür der Begriff „Liberalismus“ steht (in den USA die „Republikaner“).

Sitzverteilung im Repräsentantenhaus November 2024, Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Repr%C3%A4sentantenhaus_der_Vereinigten_Staaten

Abgesehen von der zu Europa umgekehrten Farbaffinität, dass in den USA Rot für Rechts und Blau für Links steht, ist gerade das Repräsentantenhaus der USA ein Paradebeispiel für alle, die nicht verstanden haben, woher eigentlich dieses „Links“ und „Rechts“ kommt.

Links und Rechts sind zwei Seiten ein und der selben Medaille, der Medaille des Repräsentationssystemsund jedes Repräsentationssystem ist eine durch politischen Betrug vernebelteGewaltherrschaft der reichsten Eigentümer und keine Demokratie (Volksherrschaft).

Jeder politische Überbau, der sich über eine Zwangsherrschaft erhebt, und das Lohnsklavensystem durch Eigentumsrecht ist natürlich eine Zwangsherrschaft, erfordert einen gewaltsamen Zwangsapparat, entweder direkt und brutal durch eine Diktatur (Herrschaftsform des Kleinbürgertums), oder durch einen viel kostengünstigeren Gewaltapparat, den die Erfindung des Repräsentationssystems seit Madison durch eine Demokratie-Simulation ermöglicht hat (Herrschaftsform des Großbürgertums) und seit dem eine wahre Blütezeit der Repräsentationssysteme einläutete. Der Herrschafts-Trick besteht ganz einfach im politischen Betrug, dass die Bürger unter dem Namen „Demokratie“, nur noch durch Abgabe ihrer Stimme an von ihnen ungebundene Repräsentanten, sich selbst von der Gesetzgebung ausschließen können, womit sie mit dieser Wahl, tatsächlich keine wirkliche Wahl haben. Im nächsten Akt dieses Betruges garantiert das „Freie Mandat“, dass Abgeordnete nicht an Aufträge und Weisungen des Staatsvolkes gebunden sind. Das Freie Mandat ist im deutschen Grundgesetz in Artikel 38 – und in der Verfassung Brasiliens von 1988 in Artikel 53 festgelegt.

Die Verfassungen der Repräsentationssysteme sind alle nach dem selben Muster gestrickt, eine Demokratie vorzutäuschen, um die politisch-ökonomische Macht der reichsten Eigentümer mit möglichst geringen Kosten (Softpower-Management) für den dafür erforderlichen Gewaltapparat, sicherzustellen. Noel kritisiert nicht das Repräsentationssystem an sich, sondern reduziert seine politische Antwort auf die bloße Verbösung einzelner Vertreter des Liberalismus mit „Faschismus“ und „Rechtsextrem“, um eine Debatte zu vermeiden. Damit zeigt er eine typisch moralistische und von Emotionen geleitete Position aus dem Bauch heraus, die noch dazu auf Unsicherheiten in der politischen Bildung schließen lässt, denn ein anderes Motiv gegen die politische Debatte lässt sich kaum finden.

Zur politischen Unbildung gehört auch das Unverständnis, dass Repräsentationssysteme, ebenso wie die Diktatur und im Übrigen war sogar Hitler nichts weiter als ein Repräsentant, den Krieg nach innen (gegen die eigenen Bürger) und den Krieg nach außen, in sich tragen wie die Wolke den Regen und so kommt er (und nicht nur er) letztlich nicht mehr umhin, alles mögliche mit „Faschismus“ zu beschimpfen, wenn man sich um die politisch-ökonomische Ursache der Klassenherrschaft der reichsten Eigentümer winden möchte wie ein Aal und die eigentliche Ursache, das Eigentumsrecht und den dafür erforderlichen politischen Überbau, das Repräsentationssystem, nicht grundlegend kritisieren möchte. Dieser Tage findet sich gerade eine recht interessante Auswertung eines Forschungsprojektes der Brown University in den USA über die „Kollateralschäden“ des US-amerikanischen Rerpräsentationssystems, dazu ein Auszug aus der jüngsten Veröffentlichung des „Costs of War“-Projekts, Zitat:

„Mindestens 940.000 Menschen sind durch direkte militärische Gewalteinwirkung getötet worden, darunter Streitkräfte auf allen Konfliktseiten, einschließlich Söldner, Zivilisten, Journalisten und humanitäre Helfer.

„Die Zahl durch direkte militärische Gewalt aller Konfliktparteien getöteten Zivilisten beläuft sich auf 432.000. Schätzungsweise 3,6 bis 3,8 Millionen Menschen haben nach dem 11. September 2001 in den Kriegsgebieten indirekt infolge der Kampfhandlungen ihr Leben verloren – durch Hunger, Krankheit, Unfälle etc. Das erhöht die Gesamtzahl der Todesopfer auf mindestens 4,5 bis 4,7 Millionen.“ (Quelle: https://weltexpress.info/dokumentiert-seit-2001-haben-us-heuchler-millionen-menschen-getoetet/)

Das sind nur die Todesopfer eines Zeitraums von 24 Jahren. Wozu also noch die Verbösung mit „Faschismus“, wenn das angeblich demokratischste aller demokratischen Repräsentationssysteme an Bösartigkeit allen vergangenen Diktaturen in nichts nachsteht? Um über den wahren Charakter des Repräsentationssystems hinweg zu täuschen? Aber Noel arbeitet sich an der Person Bolsonaro ab, den er für einen Faschisten hält.

Die Merkmale des Faschismus sind folgende:

1. Diktatur als Herrschaftsform des rechten Kleinbürgertums,

2. Herrschaft durch ein Einparteiensystem,

3. eine extrem rassistisch-nationalistische Ideologie.

Speziell für den Hitler-Faschismus müsste man unter 4. noch den Verwaltungsmassenmord der Nazis aufführen. Das Schimpfwort „Nazi“, mit dem in Deutschland Linksextreme Regierungskritiker verleumden, und ihnen damit öffentlich Billigung von Verwaltungsmassenmord unterstellen, ist deshalb eine lupenreine Straftat nach Strafgesetzbuch (§ 187 Verleumdung). Es lässt sich in den letzten Jahren zunehmend die Tendenz beobachten, dass mit den Verbösungswörtern „Faschist“ oder „Fascho“ systemlinke Bauchdenker alle politisch andersdenkende Personen belegen, um die politische Debatte zu vermeiden. Wer fördert denn eigentlich finanziell in der Zeit des Wahlkampfes Massendemonstrationen „gegen Rechts“ unter dem Motto „Nie wieder Faschismus“ gegen die größte Oppositionspartei, die AfD, die keineswegs eine faschistische Partei ist, keine Einparteiendiktatur anstrebt und deren Parteiprogramm keineswegs eine extrem rassistisch-nationalistische Ideologie enthält? Könnte man vielleicht Aufschluss darüber erlangen, wenn man die Förderprogramme der Regierung analysiert? Könnte es vielleicht sein, dass die Regierung einfach nur Steuergelder für den Wahlkampf ihrer Parteien veruntreut? Ermittlungen zu diesen Fragen warten noch auf den Einsatz eines Untersuchungsausschusses.

Was nun Noel seine Verbösungstendenzen betrifft, so treffen alle oben genannten Merkmale für den Faschismus auf Bolsonaro nicht zu. Unbestritten ist er aber ein gewaltaffiner Repräsentant gewesen, womit er sich im Vergleich zu anderen Repräsentanten, schauen wir z.B. nach Deutschland in den Bundestag zu Nancy Faser, die sich eher links verortet, gar nicht besonders abhebt. Bolsonaros Interessenvertretung lässt sich vor allem für die Großgrundeigentümer Brasiliens verorten, und damit ist er ein Vertreter der Ausbeutungs-Interessen des rechten Kleinbürgertums Brasiliens. Aber: hat er eine Diktatur ausgerufen und sich zum Diktator erklärt? Hat er alle anderen Oppositionsparteien verboten und sich zum Führer einer extrem rassistisch-nationalistischen Partei aufgeschwungen? Das ist offensichtlich alles nicht der Fall, und auch wenn man ihn noch so hassen mag wie Noel es offenbart, so sollte man doch bei den Tatsachen bleiben. Deshalb muss man Bolsonaros Politik nicht mögen oder loben, es geht nur um die Tatsache, dass er und die Parteien auf die er sich stützt, zum rechten Flügel des brasilianischen Parlaments gehören, sie also Teil des brasilianischen Repräsentationssystems sind, mit dem die reichsten Eigentümer Brasiliens bestens klar kommen.

Sie brauchen für ihre Geschäfte gar keine Militärdiktatur, ganz im Gegenteil, das hätte nur die Kosten für den Gewaltapparat explodieren lassen und die Masse der Lohnsklaven stellt das politische System ihrer Ausbeutung, sicherlich mangels Aufklärung, noch nicht einmal in relevanter Größe in Frage. Deshalb fand Bolsonaro für einen erfolgreichen Putschversuch auch viel zu wenig Unterstützung bei den Militärs. Überdies ist es klüger, eine politische Kritik nicht auf eine Person zu fokussieren, sondern auf politische Positionen. Repräsentanten sind austauschbar. Wenn Bolsonaro von der politischen Bühne verschwindet, übernimmt ein Anderer an seiner Stelle.

In der Abgeordnetenkammer und dem Bundessenat, welches zusammen den Nationalkongress (Zweikammersystem) Brasiliens bilden, gibt es ebenfalls eine Sitzordnung. Und wenn Noel sich die Mühe macht und nachguckt, wer dort links und wer rechts sitzt, weiß er plötzlich, dass es nicht nur in Europa und den USA, sondern auch in Brasilien ein Links und ein Rechts gibt. Gerade der politische Wellengang in Brasilien in den letzten Jahren hat bewiesen, wie sehr dieses Land in Links und Rechts gespalten ist.

In seiner Verwirrung über Links und Rechts merkt Noel gar nicht, dass er mit seiner Verteidigung der brasilianischen Verfassung „versus die Interessen der nördlichen Hemisphäre der EU, USA, NATO und insbesondere europäischer Politik von rechts“, seinen eigenen Nationalismus offenbart, und obendrein das politische System der reichsten Eigentümer Brasiliens verteidigt, die im Gegensatz zu ihm gar keine Beschwerden über eine herablassende Kolonialpolitik der USA gegenüber Brasilien beklagen, sondern im Gegenteil, die USA als den Wohlfahrtsort ihrer besten Geschäfte zu schätzen wissen. Da haben wir eine Parallele zu den Transatlantikern in der deutschen Regierung, die eine derart US-affine Politik gegen die Interessen der eigenen Bevölkerung betreibt, dass in Social-Media-Kanälen und Chats schon massenhaft von Hochverrat die Rede ist. Was die NATO betrifft, so ist sie ein militärischer Räuber-Pakt unter Führung der USA, daher also ein Instrument des militärisch stärksten Räubers. Die Interessen der USA und der NATO sind also identisch.

Vielleicht hätte sich Noel einmal mit der Forbis-Liste beschäftigen sollen, um die US-Affinität seines Landes zu verstehen und keine Illusionen darüber zu hegen, dass auch ein Präsident Luiz Inácio Lula da Silva die guten Beziehungen der reichsten Eigentümer Brasiliens zu den USA nicht antasten, sondern nur verwalten kann, geschweige denn ihre ökonomische Macht in Frage zu stellen, mit der sie auch Einfluss auf die Personalien der brasilianischen Regierung ausüben können. Wer Politik verstehen will, folge dem Geld.

Liste der reichsten Brasilianer:
Die reichsten Brasilianer sind nach Angaben des US-amerikanischen Magazins Forbes (Stand: Dezember 2024):

RangNameWert in US-DollarHerkunft des Vermögens
1Eduardo Saverin33,9 MilliardenFacebook
– machte seinen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften an der Harvard-Universität in den USA. – einer der Gründer von Facebook
2Safra-Familie18,0 MilliardenGrupo Safra
1987 gründeten Joseph und Moise Safra die Safra National Bank of New York, die 1997, nach dem Erwerb der New Yorker UBM-Tochter A2 United Mizrahi Bank, als Großhandelsbank lizenziert wurde.
3Jorge Paulo Lemann14,5 MilliardenAnheuser-Busch InBev, Lojas Americanas
– Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Harvard Universität – Kontrollmehrheit am US-amerikanischen Unternehmen Burger King – kaufte zusammen mit den Partnern von 3G Capital zu gleichen Teilen mit Berkshire Hathaway (Hauptaktionär Warren Buffett) das US-amerikanische Unternehmen H. J. Heinz Company für 28 Milliarden US-Dollar
4Marcel Herrmann Telles9,8 MilliardenAnheuser-Busch InBev, Lojas Americanas
Hält mit den Partnern von 3G Capital seit 2010 die Mehrheit am US-amerikanischen Unternehmen Burger King.
5Carlos Alberto Sicupira7,9 MilliardenAnheuser-Busch InBev, Lojas Americanas
Hält mit den Partnern von 3G Capital seit 2010 die Mehrheit am US-amerikanischen Unternehmen Burger King.
6Fernando Moreira Salles6,2 MilliardenItaú Unibanco
7Pedro Moreira Salles5,8 MilliardenItaú Unibanco
„Pedro Moreira Salles ist Mitglied einer der ältesten Bankiersfamilien Brasiliens. Sein verstorbener Vater, Walther Moreira Salles, war der Gründer von Unibanco und ehemaliger Botschafter in den Vereinigten Staaten. 2008 fusionierte Unibanco mit Itau, einer der größten Geschäftsbanken Brasiliens, und es entstand Itau-Unibanco, die größte Privatbank Lateinamerikas. Moreira Salles und seine drei Brüder, allesamt Milliardäre, besitzen auch Anteile an CBMM, dem weltweit führenden Lieferanten des Minerals Niob.“ (siehe https://www.forbes.com/profile/pedro-moreira-salles/)

Die Oligarchen-Liste ist natürlich noch viel länger und wer einen Artikel über die politischen Verhältnisse in Brasilien verfassen möchte wäre gut beraten, zu ergründen, welche Parteien und welche Politiker sie finanziell unterstützen. Erst wenn man das weiß, weiß man wirklich Bescheid. Denn die Korruption ist der Mörtel, der das politische Gebilde jedes Repräsentationssystems zusammen hält.

Die Verquickungen des brasilianischen Großbürgertums mit den USA sind nicht minder ausgeprägt wie die Verquickungen des deutschen oder europäischen Großbürgertums mit den USA. Natürlich gibt es aber auch unter den Oligarchen Konkurrenz und wer die globale Dominanz der amerikanischen Oligarchen in Frage stellt, kann sich mit seiner Nation plötzlich in einem hybriden Krieg mit den USA um die Weltherrschaft wiederfinden. Das trifft gegenwärtig vor allem auf die Staaten Russland und China zu. Lula stellt die Weltherrschaft der USA jedenfalls nicht in Frage bei seinem Versuch die BRICS-Gruppe als Einflusszone zu nutzen und möchte gern „als Mittler zwischen den Welten – den USA und China – gefragt sein“, ist ein Fazit auf capital.de (https://www.capital.de/wirtschaft-politik/lula-in-peking–wie-sich-brasilien-und-china-wieder-anfreunden-33372702.html).

Auf capital.de kann man auch noch einen Artikel zum Thema Aktien vom 04.11.2022 finden (die Wiederwahl Lulas war am 30.10.2022), unter der Überschrift Machtwechsel in Brasilien: Was Anleger jetzt wissen müssen, Zitat:

Nach der Wahlschlappe von Jair Bolsonaro sorgen sich manche Investoren vor wirtschaftsfeindlichen Reformen. Doch die Chancen stehen gut, dass es an der brasilianischen Börse weiter bergauf geht.

Nun herrscht große Spannung darüber, wie der frühere Gewerkschafter seine Wirtschafts- und Sozialpolitik gestalten wird. In zahlreichen Publikationen ist von einem Linksruck die Rede. Was einerseits gut für den Wohlfahrtsstaat und den Schutz des Amazonas-Regenwaldes ist, macht andererseits Investoren nervös. Viele von ihnen hätten den wirtschaftsfreundlicheren Bolsonaro bevorzugt. Allerdings baut Lulas Sieg auf ein breites politisches Bündnis mit Partnern, die klar rechts von ihm stehen – etwa der designierte Vizepräsident Geraldo Alckmin der konservativen PSDB. Dazu kommt eine deutliche Mehrheit für wirtschaftsliberale, konservative und rechte Parteien im Kongress. Lula wird also weitere Bündnisse und Kompromisse eingehen müssen.

Lulas Befürworter verweisen auf dessen positives internationales Image und erfolgreiche erste Amtszeit. Der heute 77-Jährige hatte Brasilien bereits von Anfang 2003 bis Ende 2010 regiert. Dann kam es zu einem umstrittenen Korruptionsskandal rund um den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras. Unabhängig davon war Lulas Amtszeit gekennzeichnet von einem robusten Wirtschaftswachstum, gefolgt von einer stabilen Währung und steigenden Aktienkursen. “ (https://www.capital.de/geld-versicherungen/machtwechsel-in-brasilien–was-anleger-jetzt-wissen-muessen-32877096.html)

Für die Klasse der Lohnsklaven Brasiliens ist das keine gute Nachricht. Dass die lohnabhängige Bevölkerung demokratische Verhältnisse haben will und dafür ist die freie Meinungsäußerung immer die erste Voraussetzung, denn die freie Meinungsäußerung ist das Fundament der Freiheit überhaupt, hat er in seinem Artikel in „Der Aufstand“ Nr. 36/24 (Elon Musk gegen Moraes. Ein historisches Ereignis. Brasilien in Brand.) einfach ignoriert und abgefeiert, dass der oberste Richter Moraes 22 Millionen Brasilianern die Redefreiheit verbietet, indem er per Dekret X sperren ließ und die Umgehung dieser Sperre unter Strafe stellte. So waren über Nacht Millionen Menschen mit Strafen bedroht, wenn sie auf ihren privaten Geräten X nutzen wollten um sich zu äußern.

Eine so dermaßen offene Vorführung totaler Entmündigung der Bevölkerung hat es bis dahin noch nicht gegeben. Wir sollten Moraes und allen Repräsentanten der Repräsentationssysteme für derartig totalitäre Entgleisungen dankbar sein, denn sie leisten mit ihrer Gewalt gegen das Wort einen wichtigen Beitrag für die Delegitimation des Repräsentationssystems. Aber zwischen der Aufklärung und dem Bewusstsein in der Bevölkerung stehen die System-Linken, die völlig vergessen haben, dass es im Politischen immer nur um die politische Freiheit geht. Stattdessen betätigen sie sich als moralistische Heuchler, nur um einen möglichst angenehmen Platz in einem Räuber- und Banditensystem behaupten zu können, welches sie aus persönlichen Gründen, vor allem der sozialen Sicherheit, lieber nicht gefährden wollen. Das wäre insoweit legitim, solange sie nicht als falsche Revolutionäre der Sache der Freiheit gegen Zwangsherrschaft im Wege stehen würden. Das Problem des Opportunismus ist natürlich nicht neu und so thematisierte Hannah Arendt in „Über die Revolution“ (Seite 6) schon in der Einleitung den Opportunismus des 20. Jahrhunderts mit folgenden Worten:

„Unter dem Kreuzfeuer jener Zweige der Psychologie und der Gesellschaftswissenschaften, deren Sinn und Ziel die Entlarvung ist, konnte es wohl scheinen, als sei dem Begriff der Freiheit nun wirklich der Garaus gemacht worden. Selbst die Revolutionäre, von denen man doch eigentlich hätte annehmen dürfen, daß sie unausrottbar in einer Tradition verwurzelt sind, von der man noch nicht einmal sprechen kann, ohne das Wort Freiheit in den Mund zu nehmen, sind bekanntlich nur zu bereit, Freiheit zu den »kleinbürgerlichen Vorurteilen« zu rechnen; gerade sie haben vergessen, daß das Ziel der Revolution heute wie seit eh und je nichts anderes sein kann als eben Freiheit.“

Aus genau diesem Grund kann Noel sein Angriff auf die Freiheit in einer radikaldemokratischen Wochenzeitung nicht unwidersprochen hingenommen werden und es erfolgte ein Gegenartikel, der hier zu finden ist: https://radicaldemocrat.news/2024/09/20/ein-gegenartikel-zum-artikel-von-noel-nascimento-filho/, in Nr. 38/24. Das veranlasste Noel dann, den Freiheits-Begriff mit Rechts-Framing anzuschwärzen und das Streben nach politischer Freiheit mit bürgerlichem Liberalismus gleichzusetzen. Er hat nicht verstanden, dass es im Kampf um die Freiheit immer um die politische Freiheit geht, die darin besteht, an allen Entscheidungen, die eigene politische und ökonomische Situation betreffend, gleichberechtigt beteiligt zu sein, was nur möglich wird, wenn die Staatsbürger ohne entmündigende Vertreter, Verfassung und Gesetze selbst erlassen können, und das bedeutet Volksherrschaft (Demokratie), bzw. in Abgrenzung zum am meisten missbrauchten Wort „Demokratie“, Radikaldemokratie. Erste Voraussetzung dafür aber, ist ein von politischer Zensur freier Debattenraum, für den sich ausgerechnet Elon Musk stark gemacht hat und den er uns mit X zur Verfügung stellen möchte. Aber genau diesen freien Debattenraum möchte Noel nicht haben. Dabei ist die Lösung des Problems so naheliegend, denn die Klasse der Lohnsklaven ist die zahlenmäßig stärkste Klasse und hätte unter radikaldemokratischen Verhältnissen immer den Vorteil der Mehrheit auf ihrer Seite. Damit ist die marxistische Begründung einer „Diktatur des Proletariats“, und das ganze 20. Jahrhundert hat sie als Diktatur von Parteiführern ausgewiesen, völlig unlogisch. Sie ist theoretisch unlogisch und hat sich in der politischen Praxis als unlogisch erwiesen. Dass nicht die Diktatur, sondern Demokratie (Volksherrschaft) im Interesse dieser Klasse und damit der absoluten Mehrheit liegt, haben die Ereignisse des letzten Jahrhunderts überdeutlich bewiesen. Das führte zwar zu einem kurzen Sommer der Repräsentationssysteme mit dem verlogenen Namen „repräsentative „Demokratie““, aber diese Demokratie-Simulationen sind gerade dabei, durch ihre Selbst-Delegitimation wie ein Strohfeuer abzubrennen und dadurch endlich, hoffentlich ohne einen Atomkrieg, den Weg für Radikaldemokratie und Besitzrecht frei zu machen.

In seinem Ärger, dass jemand es wagte, ihn für seine Unterstützung einer umfassenden Zensuranordnung zu kritisieren, zieht Noel ohne Zitat-Belege über Hannah Arendt her und seine Auslassungen lesen sich wie üble Nachrede. Natürlich kommt er dabei nicht ohne Rechts-Framing aus. Das kennen wir schon. Es ist das gleiche Muster wie bei den System-Linken in Deutschland. System-Linke deshalb, weil sie das Repräsentationssystem verteidigen und dabei mit ihrer Affinität für die Gewalt gegen das Wort, vor allem mit ihrem Hang zur politischen Zensur gegen Radikaldemokraten glänzen. Die gleichen Tendenzen lassen sich auch bei Noel feststellen. Wenn System-Linke mit Macht ausgestattet werden, wird es zur staatlichen Obsession, Reden für die politische Freiheit keinen Raum zu geben und alle Bestrebungen für eine wirklich freiheitlich demokratische Verfassung mit Gewalt zu verhindern. System-Linke, die links im Parlament sitzen, sind sich darin sogar mit den System-Rechten, die rechts im Parlament sitzen, völlig einig. Diese Einigkeit ist ganz besonders deutlich während der Hochphase der Corona-Tyrannei-, einem Generalangriff der Pharma-Oligarchen gegen die ganze Menschheit, um ihre Firmen mit milliardenfachen Experimentalspritzen- und Testkit-Verkäufen vor der Pleite zu retten, hervorgetreten.

Warum hat Noel vermieden, seine Behauptungen mit Zitaten von Hannah Arendt zu belegen? Diese Frage bleibt offen. So bleibt mir nichts anderes übrig als die passenden Zitate zu seinen Behauptungen hier zu zeigen. Seine erste Behauptung, Zitat:

Sie [Hannah Arendt] bezieht sich in der Analyse von freiem Willen auf religiöse Standpunkte und leugnet, dass die Griechen sich schon damit beschäftigten, als in Aristoteles schon in seiner „Ethik“ die Wahl, also die individuelle Entscheidung, besprach.

Diese Behauptung ist nicht nachvollziehbar, weil Noel uns völlig im unklaren lässt, aus welchen ihrer Bücher er eine Analyse vom freien Willen gelesen hat. Ohne Zitat-Angabe ist das völlig aus der Luft gegriffen. Vielleicht kann er das noch nachliefern. Ich warte gespannt darauf.

Seine zweite. Behauptung, Zitat

Sie lobte die “Amerikanische Revolution“ und bezeichnete sie als bedeutungsvoller als die Französische Revolution, ohne in ihrem gesamten Werk ein einziges Wort über Ereignisse ihrer Zeit zu verlieren, wie den Vietnamkrieg. Der Ku Klux Klan ist nicht zu erwähnen und der “neue freie Mensch“ entstand in der noch englischen Kolonie USA, in Virginia, unter großen Farmern und Sklaven-Herren.“

Hannah Arendt schrieb über die französische Revolution, Zitat aus „Über die Revolution“, Seite 71:

Daß gerade in Amerika, mehr noch als in Europa, die gelehrte Welt die Neigung hat, die Amerikanische Revolution im Sinne der Französischen zu interpretieren bzw. das an ihr zu kritisieren, was so offensichtlich mit keiner der Lektionen übereinstimmt, die man aus der Französischen Revolution gelernt hat, mutet in der Tat oft seltsam an. Aber schließlich ist auch dies nur ein verhältnismäßig harmloser Teilaspekt der traurigen Wahrheit, daß die Französische Revolution, die in der Katastrophe endete, Weltgeschichte gemacht hat, während die Amerikanische Revolution, trotz ihrer wahrhaft triumphalen Erfolge über eine gleichsam lokale Bedeutung kaum hinausgekommen ist.“

Soweit ihr „Lob“ für die amerikanische Revolution. Sie bezeichnet die Sklaverei in Amerika als ursprüngliches Verbrechen, auf dem das Gefüge der amerikanischen Gesellschaft beruhte, Zitat aus „Über die Revolution“, Seite 95:

So wie die Dinge liegen, drängt sich statt jeder solchen Erklärung die Frage auf, bis zu welchem Grad denn eigentlich der Wohlstand der weißen Bevölkerung auf schwarzer Arbeit und schwarzem Elend beruhte; schließlich kamen in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts auf etwa 1850000 Weiße ungefähr 400000 Negersklaven, und obwohl wir für diese Zeit keine zuverlässigen Statistiken besitzen, dürfen wir getrost annehmen, daß der Prozentsatz völliger Verelendung in diesem Zeitraum in den Ländern, wenn auch nicht in den Großstädten der Alten Welt erheblich niedriger als 22 % gewesen sein dürfte. Hieraus kann man nur schließen, daß die Finsternis, in der Sklaven leben, noch um einige Grade schwärzer ist als die Finsternis der Armut und des Elends. Nicht der arme Mann, wie Adams meinte, sondern der schwarze Sklave war schlechterdings »unsichtbar«, wurde immer und von allen übersehen. Denn wenn Jefferson und gelegentlich, sehr selten, auch andere sich des ursprünglichen Verbrechens bewußt wurden, auf dem das Gefüge der amerikanischen Gesellschaft beruhte, wenn sie, mit den Worten Jeffersons, »zitterten bei dem Gedanken, daß Gott gerecht ist«, so deshalb, weil sie wußten, daß Sklaverei und Freiheit in dem gleichen Lande nicht miteinander zu vereinen waren, daß die Knechtschaft der Neger die Freiheit der Weißen dauernd bedrohte, nicht aber, weil sie Mitleid hatten oder sich als Menschen mit den Unterdrückten solidarisierten. Und diese für uns schwer verständliche und schwer erträgliche Gleichgültigkeit war keineswegs nur den Amerikanern eigentümlich und kann weder auf Rechnung einer spezifischen Verhärtung des Herzens noch auf die Vorherrschaft der Klasseninteressen geschrieben werden. Denn europäische Amerikareisende aus dem achtzehnten Jahrhundert, deren Herzen sich beim Anblick des Elends in ihrer Heimat keineswegs verschlossen hatten, reagierten in Amerika nicht anders als die Amerikaner: Sie sahen das Elend der Schwarzen nicht, und sie meinten wie alle anderen, daß die spezifische Differenz zwischen Amerika und Europa eben darin bestehe, daß es dort nicht »jene degradierenden Zustände gab, die den einen Teil der Menschheit unter dem Fluch der Unwissenheit und des Elends hält«

Der Ku-Klux-Klan wurde erst zum Ende des amerikanischen Bürgerkrieges, 1865 von einer Gruppe ehemaliger Soldaten der konföderierten (Südstaaten) Armee gegründet, als Fortsetzung der „Arbeit“ der Sklavenjäger für die Großgrundeigentümer. Noel beklagt fehlende Ausführungen über eine einzige von hunderten Terrororganisationen, die aus dem Eigentumsrecht kriechen? Aber eine Kritik am Eigentumsrecht als Grundlage der Sklaverei, heute als Grundlage der Lohnsklaverei, kommt ihm ebenso wenig in den Sinn wie eine prinzipielle Kritik am Repräsentationssystem, das nichts weiter ist als der politische Überbau der reichsten Eigentümer.

Er möchte sich an den Folgen abarbeiten, aber nicht an den Ursachen. Ein Buch, das ein so tiefgründiges Denken offenbart um die Atome des Prinzipiellen im Kampf um die Freiheit aufzuzeigen, sodass man es wohl mehrmals lesen muss um überhaupt zu verstehen, ist natürlich etwas anderes als eine bloße Aufzählung von geschichtlichen Ereignissen, in denen der Vietnamkrieg nur eines von hunderten Verbrechen des US-amerikanischen Repräsentativsystems ist. Das Buch „Über die Revolution“ stört Noel aber vor allem deshalb, weil er sich ganz klar gegen die politische Freiheit positioniert. Das ist der eigentliche Grund seiner Nörgelei, denn in „Über die Revolution“ dreht sich eben alles um den Kampf für die Freiheit. Dazu schreibt er, Zitat:

Solchen Einstellungen folgen die neuen „Demokraten“ der Welt, die für eine unkontrollierte Freiheit plädieren.“

Demokraten folgen den Prinzipien der Aufklärung und das erste Prinzip ist das der Gewährung der freien Meinungsäußerung, und zwar gerade für diejenigen, deren Meinung man nicht teilt. Andernfalls haben wir sofort den Mikrokosmos einer Diktatur. Es gibt nichts dazwischen. Entweder die freie Meinungsäußerung oder die Gewalt gegen das Wort. Letzteres ist gesellschaftliche Realität, und genau hier bedarf es einer Revolution.

Weiter schreibt er, Zitat:

Meldete sich jemand, der sich gegen den rechtsextremen Elon Musk in seinem Kreuzzug gegen den brasilianischen Richter Alexander de Moraes stellt, hört sofort die „Freiheit“ der Gegenmeinung auf, als gelte Kants Kategorischer Imperativ nicht, sondern die alte christliche mittelalterliche Haltung: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, solange er so denkt wie Du. „Wenn nicht, bring ihn um.“

Noel hat es gekränkt, dass ihm jemand widersprochen hat, und er schreit „Mordio!“, als würde ihn jemand mit dem Leben bedrohen. Seine Behauptung, die Freiheit seiner Meinung, die er gegen die freie Meinungsäußerung richtet, hätte hier in der Wochenzeitung aufgehört, ist einfach eine Lüge. Die Redaktion dieser Wochenzeitung hat nicht nur seine Zensuraffinität, die sie nicht teilt, ohne Zensur auszuüben abgedruckt um eine Debatte darüber zu ermöglichen, sondern sogar noch Unterstützung für eine bessere Übersetzung geleistet. Mehr kann man sich gar nicht mit dem kategorischen Imperativ von Kant „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde“, im Einklang befinden. Worum es Noel aber eigentlich wirklich geht, ist anderen zu untersagen, ihm zu widersprechen, daher also die Redefreiheit zu verbieten. Die Redefreiheit ist der ganze Dreh- und Angelpunkt in seiner Feindseligkeit gegen Elon Musk und Bolsonaro. Redefreiheit ist das Fundament der politischen Freiheit überhaupt und eben daran entzünden sich Noels Emotionen. Zu Hannah Arendt schreibt er weiter, Zitat:

„Hannah Arendt gehört zum Heiligtum der deutschen Philosophie, weil sie sich in “Die Banalität des Bösen” mit einem Thema beschäftigt hat, das jeden Deutschen anspricht. Sie war keinesfalls eine linksdenkende Person. Hannah Arendt war rechts. Sie war US Amerikanerin, Zionistin, und ihr Doktortitel, den sie in den USA den Doktortitel erwarb, “Uber die Revolution”, war von der Rockefeller Stiftung gestiftete worden.“[Hervorhebung von mir]

Hier kommt er, weil er genau den gleichen Weg eingeschlagen hat wie die System-Linken in Deutschland, natürlich nicht an Rechts-Verleumdung vorbei. Hannah Arendt war weder eine links- noch eine rechtsdenkende Person. Sie war Professorin für politische Theorie und lehnte es vehement ab, als Philosophin bezeichnet zu werden. Für alle, die ihre wichtigsten Bücher kennen oder wenigstens sich einen Überblick über die Inhalte verschafft haben, ist es unmöglich ihr ein Rechts- oder Links-Etikett anzuhängen, das sich in ihren Aussagen wirklich belegen lässt.

Auch seine Behauptung, sie wäre eine Zionistin, ist falsch. Dazu sagt sie selbst, Zitat:

Ich wurde verhaftet, musste illegal das Land verlassen, ich erzähl es Ihnen gleich. Ich hatte sofort eine Befriedigung darüber, ich dachte wenigstens habe ich was gemacht, wenigstens bin ich nicht schuldig. Das soll mir keiner nachsagen. Nun die Gelegenheit dazu gab mir damals die zionistische Organisation. Ich war mit einigen der führenden Leute damals vor allen Dingen dem damaligen Präsidenten Kurt Blumenfeld, sehr eng befreundet. Aber ich war keine Zionisten. Man hat auch nicht versucht mich dazu zu machen. Immerhin war ich natürlich in gewissem Sinne davon beeinflusst, nämlich in der Kritik, in der Selbstkritik, die die Zionisten im jüdischen Volke entfaltet haben. Davon war ich beeinflusst, davon war ich beeindruckt, aber politisch hatte ich nichts damit zu tun. Nun 33 trat Blumenfeld und ein anderer den sie nicht kennen an mich heran und sagten zu mir: wir wollen eine Sammlung anlegen aller antisemitischen Äußerungen auf unterer Ebene also sagen wir mal Lehrer, Vereine alle Arten von Berufsvereinen, alle möglichen Fachzeitschriften, dasjenige was im Ausland nicht bekannt wird. Diese Sammlung zu veranstalten, das viel damals unter Gräuelpropaganda wie man es nannte, das konnte kein Mensch machen der bei den Zionisten organisiert war. Weil wenn er hochging die Organisation hochging. Ist doch klar, Willst du es machen? Ich: natürlich! War sehr zufrieden. Erstens schien mir das sehr vernünftig und Zweitens hatte ich das Gefühl: man kann doch irgendwas tun. [Interviewer fragt: „Und sie sind im Zusammenhang mit dieser Arbeit verhaftet worden?“] „Ja da bin ich hochgegangen, habe sehr großes Glück gehabt, bin nach 8 Tagen glaube ich rausgekommen…“ (Quelle: https://youtu.be/dsoImQfVsO4?si=__wt0G0oViW4HyfK)

Sie hat sich als Jüdin nach dem Schock der Hitler-Diktatur intensiv mit Fragen der jüdischen Identität auseinandergesetzt, und unterstützte zwar die Idee eines jüdischen Nationalstaates als schützende Heimstatt für Juden. Aber sie war eine entschiedene Gegnerin jeglicher Feindseligkeit zwischen Arabern und Juden. Nun hat sich schon herausgestellt, dass Juden und Palästinenser gar kein Problem miteinander haben, sondern das Problem ist Nationalismus und das Gegeneinanderhetzen durch politische Instrumentalisierung im Machtgerangel der Großmächte. Hannah Arendt war eine entschiedene Gegnerin jeglichen Nationalismus, der natürlich immer eine Selbstüberhöhungs-Ideologie gegenüber anderen Völkern zur Grundlage hat und alle möglichen Formen von Apartheit und Rassismus hervorbringt, mit den allzu bekannten grausamen Auswirkungen. So schrieb sie bereits 1948 in „Über Palästina“, Zitat Seite 19:

Der ganze Nahe Osten, ja das ganze Mittelmeergebiet ist in Gefahr, zu dem künftigen Pulverfaß der Welt zu werden. Kooperation im Sinne der gemeinsamen Herrschaft über ölarme Völker würde bestenfalls die Erfindungsgabe der betroffenen Völker stärken, jedenfalls aber mit dauernden Revolten und Intrigen zu rechnen haben. Freie Konkurrenz der großen Mächte um die Herrschaft in diesen Gebieten würde bald zu den erstaunlichsten und gefährlichsten Bündnissen und Querverbindungen führen. Nicht nur die Juden, nicht nur die Araber, alle Völker des Mittelmeers würden im Lichte einer solchen Politik bald als lästig, hinderlich, als nuisances erscheinen.[22] Dabei kann es natürlich passieren, daß man wechselnd versucht, dem einen oder anderen dieser Völker gewisse Vorzugsstellungen einzuräumen. Das alte divide et impera läßt sich immer zeitgemäß abwandeln. Was heute an Konzessionen den Arabern gemacht wird, kann die Gunst eines neuen Augenblicks auch den Juden gewähren. Die Herrschaft weit entfernter Mächte hat sich noch immer auf lokale Gruppen stützen müssen, welche als Agenten und Hüter fremder Besitzungen und Interessen gewisse Privilegien neben dem Haß und der Mißgunst ihrer Nachbarn ernteten. Nur pflegen die Vorteile sich für solche Zwischenschichten als erheblich kurzlebiger zu erweisen als der Haß und die Mißgunst. Was die Juden Palästinas angeht, so gäbe es für sie nur eine Position, die noch ungünstiger wäre als die gegenwärtige, wo man versucht, sie als Konzession an die Araber zu benutzen, und das wäre, wenn sie zu den Hütern solcher Interessen ausersehen und mit Privilegien solcher Art belohnt würden. Und das kann sehr gut passieren, wenn die Araber fortfahren, sich in ihrer Politik nur von den Gesichtspunkten eines besseren Rossetäuschers und von »Prinzipien« der Erpressung leiten zu lassen. Wenn es gar zu einer wirklichen Konkurrenz zwischen England, Amerika und Rußland um den entscheidenden politischen Einfluß im Nahen Orient käme, wäre es ganz und gar unvermeidlich, daß in dem dann entstehenden Chaos von widerstreitenden Interessen eine dieser Mächte versuchen würde, sich die Hilfe der Juden für den Schutz ihrer Interessen zu sichern. Was die Juden in solch einem Falle zu erwarten hätten, wäre Protektion. Sie würden in das Spiel der großen Mächte gezogen, ohne eine eigene Macht darzustellen. Sie würden auf Protektion angewiesen sein, um sich ihrer Nachbarn zu erwehren, mit denen sie, als Vertreter nicht-einheimischer Interessen in einen Interessenskonflikt geraten würden, gegen den der heutige arabisch-jüdische Konflikt harmlos wäre. Denn der arabisch-jüdische Konflikt kann und wird sich lösen lassen innerhalb des Rahmens einer freundschaftlichen Kooperation aller Mittelmeervölker, die um ihrer politischen Unabhängigkeit und freien ökonomischen Entwicklung willen ohnehin auf gute nachbarschaftliche Verhältnisse und vielleicht sogar auf eine Föderation angewiesen sein werden.“ [Hervorhebung durch mich]

Genau so würde sie heute zur israelischen Politik stehen und was sie heute, wenn sie noch leben würde, zu den Verbrechen einer rechtsextremen israelischen Regierung an den Palästinensern sagen würde, liegt ganz klar auf der Hand. Im Übrigen sieht es so aus, als ob der Lauf der Geschichte nichts eiligeres zu tun hatte, als ihre warnenden Voraussagen vollumfänglich zu bestätigen.

Noels Behauptung über ihren Doktortitel ist ebenfalls falsch. Hannah Arendt schrieb ihre Dissertation schon mit 22 Jahren, über das Thema „Der Liebesbegriff bei Augustin“ in Heidelberg. Die Arbeit wurde 1929 veröffentlicht. Sie war in den 1940er Jahren als Forschungsstipendiatin tätig und erhielt Unterstützung von der Rockefeller Foundation für ihre akademischen Arbeiten. Noel möchte darauf hinweisen, dass ihr der Makel anhaftet, für einen Großeigentümer gearbeitet zu haben. Dann möchte ich wissen, wem von uns allen nicht der Makel anhaftet, für einen reichen Eigentümer zur arbeiten oder gearbeitet zu haben. Weiter schreibt er über Hannah Arendt, Zitat:

„Die von ihr gelobten Räte, die sie von Norfolk und Portsmouth im Bundesstaat Virginia darin lobte, waren von Großfarmer gegründet, die Sklavenhalter waren, wo der einfache Einsiedler aus dem Innenland nicht durfte. Sie erhoben sich gegen hohe Steuern der britischen Krone und führten später zum Unabhängigkeitskrieg. Wie Hannah Arendt heute zur israelischen Politik stehen würde, bleibt dahingestellt, da es nicht zu erraten ist.“ (Hervorhebung von mir)

Wenn „einfache Einsiedler“ aus diesen Räten ausgeschlossen waren, wie er meint und was er nicht belegt hat, so wären selbst diese unvollkommenen Räte immernoch hundertfach demokratischer als die Repräsentationssysteme der Moderne, in denen bis auf ein paar Hundert Abgeordnete die gesamte Bevölkerung, Millionen an der Zahl, von der Gesetzgebung ausgeschlossen ist und sie ihren Ausschluss alle paar Jahre per Wahlzettel bestätigen sollen oder in Brasilien sogar müssen. Und selbst die Diktatur mit ihrem Einparteiensystem ist im Repräsentativsystem angelegt. Hannah Arendt schreibt dazu in „Über die Revolution“, Seite 349, Zitat:

„Wie sehr die Ein-Partei-Diktatur bereits im Wesen des Vielparteiensystems angelegt ist, läßt sich hier mit einer an Deutlichkeit nichts zu wünschen übriglassenden Evidenz dartun. Denn Robespierres Schreckensherrschaft lief schließlich wirklich nur auf den Versuch hinaus, das gesamte französische Volk in einer gigantischen Parteimaschinerie zu organisieren – »die große Volksgesellschaft ist das französische Volk« –, wobei im Falle des Gelingens der Jakobinerklub ein Netz von Parteizellen über ganz Frankreich gespannt hätte. Was ihre Aufgaben gewesen wären, ist klar – nicht Diskussion und kein Meinungsaustausch, weder gegenseitige Belehrung noch Information über öffentliche Angelegenheiten, sondern gegenseitige Bespitzelung und ein Denunziantentum, das sich auf Mitglieder wie Nichtmitglieder erstreckt hätte. All diese Dinge sind uns durch die Russische Revolution, in deren Verlauf die bolschewistische Partei mit genau den gleichen Methoden das revolutionäre Sowjetsystem aushöhlte und pervertierte, nur zu vertraut. Gerade deshalb übersieht man leicht, auf wie merkwürdige Weise wir inmitten der Französischen Revolution bereits mit dem Konflikt zwischen dem neuzeitlichen Parteiensystem und der einzigen der Revolution selbst entsprungenen Staatsform konfrontiert sind. Denn diese beiden einander so unähnlichen, ja sich gegenseitig ausschließenden Gebilde sind im gleichen geschichtlichen Augenblick entstanden, es ist der ebenso gloriose wie unheilvolle Moment der Geburt des Nationalstaates und des Untergangs der freien Republik. Aus dieser Geburt und diesem Untergang erklärt sich der eklatante Erfolg des Parteiensystems und der nicht weniger in die Augen fallende eklatante Mißerfolg des Rätesystems. Die linken und revolutionären Parteien, die sich in den Nationalstaaten dann bildeten und die revolutionäre Tradition für sich in Anspruch nahmen, begegneten dem Rätesystem mit genau der gleichen prinzipiellen Feindseligkeit wie die konservative oder reaktionäre Rechte. Da unser gesamtes innenpolitisches Begriffsarsenal von dem Parteiensystem geprägt ist und wir uns daher unter innenpolitischen Konflikten schwer etwas anderes vorstellen können als eben einen Konflikt zwischen rechts und links, haben wir für den entscheidenderen Konflikt, um den es hier geht, keinen Sinn. Denn hier handelt es sich in Wahrheit um einen Konflikt zwischen dem Parlament, dem Ursprung und dem Machtzentrum aller, auch der linken Parteien, und dem Volk, das seine Macht an seine Vertreter verloren hat; denn wie sehr auch in revolutionär-kritischen Situationen eine Partei sich auf die Volksmassen stützen und zum Sturz des parlamentarischen Regimes beitragen mag, ist sie erst einmal zur Macht gekommen und hat die Ein-Partei-Diktatur errichtet, so wird sich herausstellen, daß sie eben doch im wesentlichen eine Organisation von Repräsentanten ist, die dem Volk von außen und von oben gegenübertritt.“

Hannah Arendt gehört zweifellos zu den Vordenkern der Radikaldemokratie und hat einen wesentlichen Beitrag für die Entwicklung einer radikaldemokratischen Staatstheorie geliefert. Was sie leider nicht so gründlich herausgearbeitet hatte, ist das Problem, was mit dem Eigentumsrecht geschehen muss, um Demokratie (Volksherrschaft) verwirklichen zu können. Aber die fehlenden Puzzlestücke dazu haben andere Vordenker schon geliefert, wie z.B. Jean-Jacques Rousseau. Jetzt wissen wir, dass Demokratie (Volksherrschaft), oder zugespitzter formuliert, Radikaldemokratie, nur möglich ist, auf Basis von Besitzrecht anstatt Eigentumsrecht.

Heute haben wir eine radikaldemokratische Staatstheorie vorliegen.

Holger T.N.

https://radicaldemocrat.news/2024/11/01/freiheit-in-einer-gesellschaft-oder-vogelfreiheit-im-tierreich-eine-radikaldemokratische-staatstheorie/
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Von Redaktion

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