Muss man sich Gedanken über Wirtschaft machen?

«Das neue Verhältnis zwischen Arbeiter und Unternehmer». Karikatur aus dem «Neuen Postillon», Zürich, Schweiz 1896
[Der Aufstand 36/24, Seite 9]
 Sahra Müller

Muss man sich Gedanken über Wirtschaft machen?

Eher nicht. Der Deutsche überschlägt in der Zeitung ja gerne den Wirtschaftsteil, um schnell zum Sport zu kommen: im Reich der Menschen, die gerne hüpfen, rennen und spielen sind keine komplizierten Zahlen zu erwarten, noch komplizierte Zusammenhänge. Und was man heute so liest im Reich der Wirtschaft – nun ja: erfreut einen auch nicht. Der DAX schmiert ab, die Technologiewerte in den USA sind teils katastrophal – zum Beispiel bei Nvidia, die beim aktuellen Fall 279 Milliarden Dollar Börsenwert verloren haben – und in Deutschland droht nach Bloomberg eine Welle von Werkschließungen in der Kernbranche, der Automobilindustrie. Sogar das Werk von VW in Wolfsburg – vor 87 Jahren von Hitler errichtet – könnte zur Industrieruine werden.

Die Tagesschau erklärt auch warum: die Chinesen sind inzwischen unschlagbar gut. Zwar haben „wir“ – als der Wertewesten mit dem besten Deutschland aller Zeiten – auch noch Tesla, der allein mehr wert ist als alle deutschen Autobauer zusammen, aber das aktuelle Desaster um den „Cypertruck“ – einen über 3 Tonnen schweren schusssicheren Straßenpanzer mit über 800 PS – zeigt, dass Tesla wohl etwas überbewertet ist, „Monopol“ spricht vom größten Fail der Automobilgeschichte. Wie bei der KI – von der man sich auch wohl zuviel versprochen hatte – gab es tolle Reklame, nur das reale Produkt Cybertruck ist noch nicht mal wasserdicht- und bricht bei Abschleppen schon mal auseinander.

Egal – wir sind die Besten. Leider sieht die Börse das nicht so … und das gemahnt uns an eine bittere, ganz unerwünschte Wahrheit: unser ganzer Reichtum steht auf sehr tönernen Füßen – die Börse ist nur ein Spielcasino, schafft keine echten Werte sondern nur Phantasiereiche von großen Kindern, die von Billionen träumen.

Wo finden wir eigentlich unseren Platz in der arbeitsteiligen Weltwirtschaft, wenn wir keine Autos mehr verkaufen können? Aktuell scheinen unsere Hits – jedenfalls sehe ich das vor Ort – Tatoostudios zu sein, Friseure, Nagelstudios und Versicherungsagenturen, die breitflächig Gastwirtschaften, Einzelhandelsgeschäfte und Cafés ersetzen. Total bunt angemalt, mit toller Frisur und perfekten Nägeln marschieren wir voller unnützer Versicherungen auf den Abgrund zu: das beste Deutschland aller Zeiten halt.

Das es strategisch nicht weise ist, seine Werkbänke nach China zu verlagern, mit denen aber Krieg anzufangen, wusste man schon vor dreißig Jahren, hat aber keinen interessiert: Man konnte toll Millionär werden durch Zerstörung der deutschen Produktion.

Jedem war klar, dass das nicht ewig gutgehen wird – aber so ist das halt im Casino: die wenigsten können aufhören, wenn sie sich eine Glückssträhne erträumen. Wer zahlt letztlich die Zeche? Nun – wir alle.

Kapitalismus – und erst Recht Konzerne – funktionieren nur als Parasiten der Gesellschaft, als Zecken, die alles wertvolle Aufsaugen, die Kosten aber an die Gemeinschaft abgeben – auch gerne mit Erpressung, Korruption und plumpem Betrug.

Darf man daran erinnern, dass der Psychologieprofessor und FBI-Berater Robert Hare in dem kanadischen Film „Corporation“, Konzerne als reine, klassische Psychopathen beschreibt – also Gestalten, die man besser einsperrt als frei Wirtschaft gestalten lässt?

Ja, das ist die Freiheit, die Liberale und Neoliberale so meinen: Dass Reichtum sich uneingeschränkt weiter bereichern darf – mit allen Mitteln, sofern es nicht öffentlich wird.

Und die Alternative? Nun – das kommunistische China zeigt uns gerade, dass sie auch Kapitalismus können – und fegen uns vom Weltmarkt. Was machen wir eigentlich jetzt mit den ganzen importierten Fachkräften, wenn wir unsere Eingeborenen noch nicht mal in den Wirtschaftsprozess einbinden können?

Fragen wir mal besser nicht. Beten wir lieber, dass der Megacrash an der Börse, der uns mal wieder zeigen wird, wie viel Wert die Luftschlösser dort wirklich real haben, erst später kommt? Beten ist zu religiös? Schon mal gehört, dass Börse nur aus Glauben besteht – und mehr nicht?

Aber ich unke schon wieder zuviel herum, wir haben ja das beste Deutschland aller Zeiten, oder?

Der Eifelphilosoph

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Von Redaktion

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