Was ist primär: Macht oder Rechtsstaatlichkeit?

[Der Aufstand 21/24, Seite 4]

Was ist primär: Macht oder Rechtsstaatlichkeit?

3. Prozesstag am 17.05.2024 – Staatsanwaltschaft Hamburg ./. Dr. med Walter Weber
Landgericht Hamburg – Große Strafkammer 15

Die Staatsanwaltschaft Hamburg legt dem 80 jährigen Mediziner zur Last, er solle unrichtige Gesundheitszeugnisse ausgestellt haben. Da ich an dem 3. Prozesstermin nicht persönlich teilnehmen konnte, hat mir die Prozessbeobachterin Ruth ihre Aufzeichnungen für eine Veröffentlichung zur Verfügung gestellt. Der Prozess wird am 04.06.2024 ab 9:15 Uhr fortgesetzt.

Wo: Sievekingplatz 3, Strafjustizgebäude, Hamburg

Da die große Strafkammer nicht bereit ist, Video- oder Tonaufnahmen der Verhandlungen zuzulassen, sucht Dr. med. Walter Weber einen oder zwei professionelle Stenographen gegen eine entsprechende Bezahlung. Kontakt: walterw@drwalterweber.de

Dominik Paradies

Protokoll 17. Mai 2024

Ein Zeuge kommt nicht, beruft sich auf Auskunftsverweigerungsrecht § 55.

Bevor der nächste Zeuge gehört werden soll, wendet sich Verteidiger Sven Lausen an die Staatsanwältin. Er möchte, daß sie erläutert, warum Herr P. aussagen soll. Der Vorgang, zu dem Herr P. eine Aussage machen soll, habe nichts mit der Anklage zu tun. Diese Vorgehensweise diene dazu, Herrn Dr. Weber zu belasten und die Schöffen zu beeinflussen.

Es habe, so Verteidiger Sven Lausen im besagten Fall keine Vorlagesituation eines Attestes gegeben, insofern sei die Aussage von Herrn P. irrelevant, Lausen bezieht sich auf die Anklageschrift der Staatsanwältin.

Verteidiger Ivan Künnemann sagt, daß der 7.11.2020 nicht Gegenstand der Anklage sei, daher auch nicht geeignet, subjektiven/objektiven Tatbestand zu ermitteln.

Erinnerung an den Antrag wegen der Nichtverlesung der Anklageschrift Antrag in Papierform eingereicht und verlesen; Mängel in der Anklageschrift sind Verstoß gegen StPO; Verteidigung sagt, daß die Schöffen dadurch beeinflusst werden, die die Akten nicht kennen.

Richterin ordnet an, daß Zeuge P. gehört wird, da er bei der Polizeivernehmung ein Attest erwähnt habe, daher sei seine Aussage doch relevant.

Verteidiger Lausen/Künnemann stellen Antrag, daß Zeuge Herr P. nicht angehört wird.

Unterbrechung, Kurzberatung Dr. Weber mit beiden Anwälten.

Verteidigung stellt Befangenheitsantrag gegen die Kammer, weil Zeuge Herr P. verhört werden soll. (Begründung bis 22. Mai 2024 erforderlich)

Zeugenaussage Herr P., Polizist Bundespolizei:

Der ICE-Führer weigerte sich nach Leipzig abzufahren, Zug abzufertigen, weil sich „Maskenverweigerer“ im Zug befanden. 12 Polizisten kamen dann zur Zugkontrolle. Die Stimmung war aufgebracht, Herr P. sprach einen Platzverweis aus, unter Androhung von Gewalt. Herr Dr. Weber zeigte sein Maskenattest vor, dies sei nicht lesbar gewesen und formal nicht gültig. Zeuge Herr P. sagte, Dr. Weber hätte darauf einen Stapel Din A4 Papier rausgeholt und sich selbst ein Attest ausgestellt. Text sah geschrieben aus wie MS Word. Und er hätte dann nachgefragt, ob noch jemand der Mitreisenden ein Attest benötige.

Der Zug wurde geräumt, die Mitreisenden, die zur Leizpig-Demo wollten, verließen den Zug. Das Ehepaar W. hatte keine Atteste, zeigte keine vor.

Die Richterin fragt den Zeugen, ob er ausschließen könne, daß das Ehepaar Atteste gehabt hätte.

Verteidiger Lausen rügt dies als Suggestivfrage.

Herr P. sagt, er erinnere sich an wirre Gespräche und krude Thesen.

Die Richterin fragt, ob Herr P. nach medizinischen Gründen gefragt hätte.

Herr P. sagte, die Situation damals, es wäre ja alles neu gewesen, aber jeder Reisende hätte glaubhaft machen sollen, warum er keine Maske trage. Wer kein Attest dabei hatte, wurde von der Fahrt ausgeschlossen, mußte mit auf die Wache kommen und den Führerschein vorlegen.

Frage der Richterin, ob Glaubhaftmachung in diesem Fall vorlag. – Herr P. Verneint.

Ehepaar W. wurde laut, so P., und wurde dann auch von Mitreisenden gefilmt, aus Sensationslust. Herr P. sagt, es spreche dafür, daß es sich um eine zufällig zusammengewürfelte Reisegruppe handelte, da Herr Weber nach den Namen von Ehepaar W. fragen mußte. Das sei Beleg für Zufälligkeit.

Die Richterin fragt, was für ein Papier war es, das Dr. Weber im Zug herausholte und was war Inhalt von Dr. Webers Attesten?

Sinngemäß, so Herr P., daß aus medizinischen Gründen jetzt und in Zukunft keine Maske tragbar sei. Dr. Weber hätte vorbereitete Atteste gehabt, „mit vorgedruckter Diagnose“, wo Name eingesetzt wurde, Adresse, Satzbaustein, dann Unterschrift Weber.

Verteidiger Lausen befragt Herrn P.

Wenn er solche Atteste vorgelegt bekam, wie war seine eigene Beurteilung der Krankheiten, die in den Attesten genannt wurden? Was hätte er mit medizinischen Geschichten anfangen können? Hat Herr P. häufiger Maskenatteste angeschaut? Hat er den Gesundheitszustand beurteilt?

Herr P. verneint, weil er ja kein Arzt sei.

Was, so RA Lausen, hat Herr P. mit dem ICE-Vorgang gemacht?

Antwort Herr P., er hätte diesen an OWI-Behörde weitergeleitet. Herr P. hat keine Strafanzeige gestellt. (Diese erfolgte durch Herrn M., Polizist Bundespolizei, 2. Zeuge dieses Verhandlungstages.)

Herr P. erinnert nicht, am 07.11.2020 ein Attest vom 18.06.2020 gesehen zu haben.

Vor Anhörung des nächsten Zeugen, Polizeiobermeister M., erneuter Einwand der Verteidigung, daß die Vernehmung unzulässig sei, da diese den Angeklagten in ungünstigem Licht erscheinen lassen soll.

Beim Vorgang im Zug 07.11.2020 ginge es nicht um ein anklagegegenständliches Attest, die Aussage hätte keine Relevanz. Verteidigung regt Gericht zum Nachdenken darüber an, daß negative

Begriffe benutzt werden, die bestimmte Narrative bedienen, ermahnt zur Sachlichkeit. Es sei das Durchziehen von Verfahrensschritten beobachtbar – so wurde der Begriff „Maskenverweigerer“ geäußert, in Bezug auf die Sprache. – Ermahnung zum Sachlichkeitsauftrag.

Die Verteidigung stellt zum 2. Mal einen Antrag auf Ablehnung der Vernehmung des Polizisten Herrn M.

Zeugenaussage Herr M., Polizist Bundespolizei

Er hat sich vorher nochmal die von ihm gestellte Strafanzeige durchgelesen. Der Zugbegleiter hätte damals die Polizei informiert, daß Reisende ohne Maske im Zug seien und die Zugweiterfahrt deshalb unterbrochen wurde. Herr M. sagt aus, er sei mit 11 Kollegen unterwegs gewesen. Herr Dr. Weber und das mit ihm sitzende Ehepaar trugen keine Mund-Nasen-Bedeckung. Sie wurden aufgefordert, eine Maske aufzusetzen oder eine Bescheinigung/Attest vorzulegen, der Zug würde sonst nicht weiterfahren.

Dr. Weber zeigte sein laminiertes Attest vor, Herr M. sah dies nicht als Attest an, akzeptierte es nicht. Dr. Weber stellte sich dann selbst ein Attest aus, dies wurde von der Polizei nicht akzeptiert. Danach hätten alle gemeinsam den Zug verlassen.

Richterin fragt, ob geäußert wurde, ob das Ehepaar W. ein Attest hätte bzw. ob über Krankheiten gesprochen wurde.

Herr M. erinnert nicht, daß Symptome benannt wurden.

Nach wessen Namen erkundigte sich Dr. Weber, nach denen des Ehepaars, so Herr M. Richterin fragt, ob Dr. Weber das Ehepaar kannte, ob es Indiz dafür gab. Nachfrage an Herrn M. nach der Befragung beim LKA, wurden Atteste vorgelegt? Was für eins und von wem?

Herr M. erinnert sich nicht.

Richterin fragt nach dem Papier, das Dr. Weber aus der Tasche zog.

Herr M. sagt aus, es gab einen Briefkopf Dr. Weber Praxis, einen vorgefertigten Text, daß aufgrund gesundheitlicher Beschwerden eine Befreiung vom Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung bestünde.

Richterin fragt, um wie viele Zettel es sich gehandelt hätte? Herr M. sagt aus, es hätte sich um einen kleinen Stapel von 10 – 15 Zetteln gehandelt. Dr. Weber hätte seinen Namen draufgeschrieben, unterschrieben und Herrn M. dann als Attest vorgelegt. Herr M. kann sich nicht erinnern, ob Dr. Weber nach diesem einen Attest noch weitere ausstellte.

Staatsanwältin fragt, ob Videoaufnahmen der Reisegruppe sichergestellt wurden. Herr M. sagt aus, es wurden Fotos/Videos gemacht, das hätte er gesehen. Aufgrund der Polizeimaßnahme auf dem Bahnsteig, Gruppe von ca. 20 Pers., hätte die Polizei keine Zeit gehabt, das Bildmaterial zu sichten, weil der Zug schnell abgefertigt werden sollte.

Verteidiger Sven Lausen befragt Herrn M., ob er häufiger Kontrollen dieser Art gemacht hätte oder ob dies eine Ausnahme war. Welches waren Kriterien von Herrn M, nach denen er ein Attest akzeptierte?

Herr M. kann sich an das Attest von Dr. Weber nicht erinnern bzw. weiß nicht mehr, warum er dieses nicht akzeptierte.

Hat Herr M. eine fachliche, medizinische Ausbildung, um zu verstehen?

Herr M. antwortet, er hätte seine Strafanzeige gefertigt wegen Ausstellens eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses bezüglich einer Person.

Frage Verteidiger Lausen zu Attest Juni 2020, hätte Herr M. Strafanzeige dieses Attest betreffend geschrieben?

Nein, Anzeige von Herrn M. bezog sich auf den Vorgang 07.11.2020.

Richterin fragt nach, ob Herr M. erinnert, daß ein Angebot für das Ausstellen weiterer Atteste durch Dr. Weber erfolgte.

Herr M. verneint, es war keine Zeit, die Polizei sei mit schneller Zugabfertigung befaßt gewesen.

Verteidiger Lausen befragt Herrn M., ob er das Attest der Person, das vorgelegt wurde, sichergestellt hätte.

Herr M. erinnert nicht mehr, ob er ein Foto gemacht oder es eingezogen hat. Dr. Weber hätte sich selbst ein Attest ausgestellt, was ohne Untersuchung nicht gültig sei.

Verteidiger Lausen beruft sich anschließend auf eine LKA Zeugenvernehmung, bei der Herr M. aussagte, er hätte das Attest von Dr. Weber abfotografiert.

Herr M. erinnert sich also nach vier Jahren nicht mehr an diese Vorlagesituation.

Verteidiger Lausen fragt, ob das Attest der Frau genau so aussah.

Herr M. Bejaht.

Frage Sven Lausen, ob Herr M. dieses Attest sichergestellt oder abfotografiert hat.

Herr M. erinnert nicht, ob ein anderes zweites Attest aktenkundig ist.

P.S. Im Zuschauerraum befanden sich Lautsprecher, die nicht angeschaltet waren. Das Verstehen des Gesprochenen im Gerichtssaal wurde dadurch extrem erschwert. Nach mehrfacher Ansage, daß z.B. die Richterin nicht zu verstehen sei, und mehrfacher Bitte, die Tonsituation zu verbessern, wurde der Mangel behoben.

Protokoll, Ruth, 17. Mai 2024

Was bisher geschah:

t.me/dominikparadies

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Von Redaktion

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