Gedanken zur narzistischen Gesellschaft

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[Der Aufstand 13/24, Seite 8]
 Sahra Müller

So, bevor ich mich für einige Zeit verabschiede,

weil das Privatleben meine ganze Aufmerksamkeit beansprucht (drei Umzüge…einer davon meiner), dürfen wir doch auch mal über die Liebe reden, oder? Oh nein – da laufen gleich alle weg. Keine Sorge – es wird hochpolitisch. Und äußerst gruselig. Worum es geht? Nun – um Hans-Joachim Maaz, seines Zeichens Psychotherapeut, Psychiater und Psychoanalytiker und seine Gedanken zur narzistischen Gesellschaft, worüber er auch ein Buch geschrieben hat. Die Grundidee ist einfach: Kinder, die zu wenig Liebe von der Mutter bekommen, werden Narzissten. Hört sich erstmal zu einfach an, doch … die Idee hat was für sich. Narzissten kennen wir („keiner wird Dich je so lieben wie ich“ – oder ich bin einfach sowieso der Größte seit Dieter Bohlen), aber Maaz entscheidet zwischen zwei Typen, die er das Größenselbst und das Größenklein nennt. Größenselbst kennen wir: der Großkotz von der Schloßallee mit Rolex, Rolls und eigenen Rennpferden. Das Größenklein – auch ein narzistischer Reflex auf den frühen Liebesmangel – leidet nun nicht an maßloser Selbstüberschätzung, sondern an Selbstunterschätzung. Es traut sich nichts zu, weil die Mutterverletzung jede Lebensenergie raubt, es fühlt sich immer klein, ungeliebt, missverstanden – und sucht Größe außerhalb seiner selbst, die stellvertretend für es selbst leben soll: zum Beispiel der Popstar, der Filmstar, die Influenzerin, der Fußballverein, der politische Führer oder gar die Nation selbst. Jede Form von Fankult ist so ein narzisstisches Ballet, wo vorne das Größenselbst den Takt angibt und die Größenkleine (blöder Begriff, ich weiß) begeistert mittanzt. Vorne Adolf Hitler, unten die begeisterte Masse. Er lebt seinen Größenwahn aus, sie kompensieren ihre abgrundtiefe Minderwertigkeit, kurz gesagt. Klar soweit?

Jetzt leben wir ja – nach dem Herrn Maaz – in einer narzistischen Gesellschaft, voller narzisstisch gestörter Gestalten … und die wird wieder in einem grauenhaften Blutbad enden. Nach innen und/oder nach außen. Ein Vorbeben haben wir während der Coronazeit erlebt, das nächste Vorbeben ist die Kriegssucht. Funktioniert überall, dieser Mechanismus, egal, mit welchen Supergestalten man sich identifiziert: manche mögen den Putin, weil er endlich mal zurückhaut, andere die Palästinenser, weil die auch so schrecklich arm sind wie man selbst, wieder andere mögen die Israelis, weil die so fürchterlich verfolgt werden und die ganze arabische Welt gegen sich haben, andere wiederum streiten fanatisch für die Ukrainer, weil die genau so arm sind wie man selbst: da leben sich massive psychische Störungen in der politischen Welt aus – ein Fanatismus, wie wir ihn von der Impfgeschichte kennen. Aber Fans sind ja nun mal so: fanatisch. Geistlos. Grausam und brutal, wenn es gegen ihre Identifikationsfiguren geht, ob die nun Höcke oder Wagenknecht oder sonstwie heißen.

Und es reicht wenig, um eine Kinderseele zu zerstören. Ein altbekannter Trick, um Kinder trocken zu bekommen? Die vollgekotete Windel vor die Nase halten, am besten, während die Verwandschaft zuschaut bei dieser genialen Methode. Das Baby denkt: oh, da ist essen. Dann riecht es, sieht den fiesen Gesichtsausdruck der Mutter, spürt ihren gnadenlosen Abscheu – und es verstört für den Rest seines Lebens. Und das ist noch ein harmloses Beispiel.

Voller Hunger, voller Mangel sind diese Menschen – also gar nicht mal böse. Die Größenselbste kompensieren diesen Mangel durch Höchstleistungen auf allen Gebieten, die Größenkleine suchen sich dafür andere Größenselbste, die stellvertretend für sie agieren.

So gesehen, wird keinerlei Politik, keine wirtschaftliche Veränderung, keine soziale Verbesserung die Katastrophe aufhalten können: alle wollen Blut sehen, weil sie ihren Schmerz nicht mehr aushalten.

Da müssen wir wohl jetzt durch. Fehlende Mutterliebe kann niemand nachträglich ersetzen, noch ist die zu heilen.

Man kann nur versuchen, den nächsten Generationen den Tip mitzugeben, den Kindern soviel Liebe wie möglich zu geben, obwohl man Liebe nicht anfassen, nicht vermessen, nicht wiegen oder berechnen kann und somit für unsere Experten gar nicht existent ist. Aber ihren Mangel – den kann man messen: in Form von Leichenbergen.

Jetzt könnte man natürlich von einer Liebesoffensive fabulieren, die die Katastrophe aufhält – nur: wer sollte das machen? Die ganzen verletzten Kinder? Oder die verschwindend kleine Minderheit, die normal geblieben ist – aber gegen so eine Masse gar keine Chance hat.

Ja, ich weiß: es ist ein monokausaler Ansatz, den Maaz selber hinsichtlich medizinischer Ansätze ablehnt … aber mir macht der immer mehr Sorgen, je mehr ich darüber nachdenke.

Aber der Maaz irrt sicher, weil der in Wirklichkeit keine Ahnung hat, oder? Und im besten Deutschland aller Zeiten, brauchen wir uns doch wirklich keine Sorgen zu machen…da ist doch alles supergut. Oder? Allerdings: die Philosophie des Herrn Maaz kommt ganz ohne Böse aus. Nirgends ein übler Mensch, der unbedingt weg muss – kein Arbeitsloser, kein Ungeimpfter, kein Moslem, kein Jude und auch kein Russe. Klingt für mich schon reizvoll. Oder?

Der Eifelphilosoph

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Von Redaktion

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