Julian Assange: Kurzbericht und Umfrage, Rede und Überzeugungen

Julian Assange:

Kurzbericht und Umfrage, Rede und Überzeugungen

Kurzbericht

Als ehemaliges (!) von Amnesty International fuhr ich am vergangenen Samstag um zweiten Mal in meinem Leben zu einer Kundgebung für Julian Assange. Für Julian Assange? Nein, auch für meine Freiheit, wie mir in den letzten Wochen zunehmend klar wurde.

Also nahm ich den Regionalzug nach Hamburg und fand mich in einem Ruhewagen wieder. Selbstverständlich wollte ich niemanden beunruhigen. Ich war doch selbst beunruhigt, wie wenig Menschen auch nur mit den Namen Julian Assange oder Wikileaks etwas anfangen können.


Die Umfrage

Also machte ich eine kleine Umfrage unter den ca. 10 Mitreisenden im gleichen Wagen, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Ganze zwei Menschen kannten den Namen. Eine wollte weiterhin ihr Kreuzworträtsel lösen. Der andere war etwas gesprächiger.

Ich fragte ihn, was er denke, dass nur so wenige den Namen kennen. Er antwortete, dass es immer noch Zensur gäbe. Ich meinte, immer noch? Immer mehr! Ich sprach ihn auf seinen französischen Akzent an. Er, meinte, Macron wolle in den Krieg ziehen, Scholz nicht. Ich fragte mich, ob es eine Rolle spielt, was Scholz wolle…

Kurzbericht

Mit etwas Verspätung traf ich bei der Kundgebung ein und war etwas erschrocken über die geringe Teilnehmerzahl, die ich auf 25 schätze. Gegenüber fand eine proukrainische Versammlung ebenfalls als stehende Versammlung statt. Das uns verbindende lag in unserer Sehnsucht nach Frieden. So jedenfalls eine unserer Rednerinnen. Weiter hielten die Atomkraftgegner direkt neben uns eine 20-minütige Kundgebung ab. Sicherlich liegt der Versammlungsbehörde daran, dass wir uns alles endlich mal verbünden, als uns weiterhin spalten zu lassen.

Dass wir so wenige waren, tat der Qualität keinen Abbruch. Wir hatten vielfach Gelegenheit, uns mit Passanten auszutauschen. Viele waren für ihre Freiheit, und sei es auch nur ihre Bewegungsfreiheit und die Freiheit, in einer Einkaufsstraße zu konsumieren.

Am Ende der Veranstaltung hielt Wunna aus Hamburg ein Rede, die mich sehr berührte. Der Effekt wurde durch die musikalische Untermalung von der proukrainischen Versammlung verstärkt. War es etwa Tschaikowsky? Ich möchte wirklich niemanden beunruhigen. Ab hier nun die Rede von Wunna aus Hamburg.

LASST JULIAN ASSANGE FREI! JETZT!

Die Rede von Wunna aus Hamburg

„Hallo, ich bin von Hamburg4Assange und ich beziehe mich auf ein Zitat von Julian Assange:

„Jedes Mal, wenn wir Zeuge einer Ungerechtigkeit werden und nicht handeln, trainieren wir unseren Charakter darauf, sehenden Auges passiv zu bleiben. Dadurch verlieren wir möglicherweise jede Fähigkeit, uns selbst und die, die wir lieben, zu verteidigen. In einer modernen Wirtschaft ist es unmöglich, sich gegen Ungerechtigkeit abzuschotten. Wenn wir Verstand oder Mut haben, sind wir gesegnet und aufgerufen, diese Gaben nicht zu vergeuden, indem wir die Ideen anderer passiv bestaunen, Wettbewerbe im Pinkeln gewinnen, die Effizienz des neokorporativen Staates verbessern oder in Obscuranta (Vernebeltes) eintauchen; besser wir beweisen die Kraft unserer Talente gegen die stärksten Gegner der Liebe, die wir finden können.

Wenn wir nur einmal leben können, dann soll es ein kühnes Abenteuer sein, das alle unsere Kräfte in Anspruch nimmt.“

(Ich kürze das Zitat jetzt mal ab. Weiter sagte er:

„so sehr ich mich auch bemühe, ich kann dem Klang des Leidens nicht entkommen.“ Und Assange schloss mit den Worten:

„… Männer in ihren besten Jahren, wenn sie Überzeugungen haben, haben die Aufgabe, nach ihnen zu handeln.“

Julian Assange hat nach seinen Überzeugungen gehandelt. Er ist ein Held! Er war davon überzeugt, dass wir Bürger das Recht haben, die Wahrheit zu erfahren, über das, was korrupte Mächtige hinter unseren Rücken verursachen. Er hat gesehen, dass die Wahrheit Kriege beenden kann – denn jeder Krieg beginnt mit einer Lüge (mindestens einer Lüge).

Und viel anderes Elend auch: Die Lügen der Mächtigen verursachen sehr viel unnötiges Leid. Stellen wir uns einmal vor, wir erhielten wirklich die Informationen darüber UND wir würden sie darum nicht zulassen: die Koruptionen, die Kriege, die sinnlosen Umweltverschmutzungen und und und. Wie wohlhabend, gesund und friedlich könnten wir leben?

Wir brauchen die Wahrheit.

Wenn wir an unserer wöchentlichen Mahnwache für Julian Assange stehen, geht manchmal jemand vorbei, der – wenn er gerade vorbei ist – über die Schulter ruft :“Er hat selbst Schuld, denn er hat sich mit den Falschen angelegt.“

Manchmal renne ich noch hinterher und hake nach, denn natürlich wusste Julian Assange, mit wem er sich angelegt hat, aber was denken Menschen, was er hätte tun sollen? Und leider höre ich dann, was wohl die grundsätzliche Lebens – Oder auch nur Über-Lebens-Praxis von manchen ist: unter dem Radar fliegen. Sich mit dem abfinden, was noch geht und ansonsten nicht auffallen.

Gut, es gibt Zeiten, wo es angebracht ist, im Verborgenen zu bleiben, etwa um Kräfte zu sammeln. Aber man kann das nicht das ganze Leben tun. Wenn wir den Zeitpunkt des Handelns verpassen, wird es ein „unter dem Radar“ eh bald nicht mehr geben. Und was wollen wir unseren Nachkommen hinterlassen, eine Welt zum funktionieren oder eine Welt zum Leben? Was werden uns die Machthungrigen übriglassen, wenn wir sie machen lassen?

Dass es keine gerechte Welt sein würde, sehen wir am Beisiel von Julian Assange ganz klar: ein Mann, der nichts Unrechtes getan hat, der aber ein hervorragenden Job als Journalist und Publizist gemacht und uns wichtige Informationen von öffentlichem Interesse bereit gestellt hat. Informationen, von denen die Mächtigen nicht wollten, dass wir sie bekommen. Das ist Journalismus, wie er sein soll! Und dafür wird er seit 13 Jahren seiner Freiheit beraubt, entrechtet und gefoltert!

Die Signalwirkung für alle Journalisten in der Welt ist groß: Berichte nie etwas, was die Mächtigen nicht wollen, dass es das Volk erfährt, sonst passiert dir etwas.

Und das tun die meisten Journalisten auch nicht mehr. Schon gar nicht für Julian Assange. Hier und da mal ein ungefährlicher Artikel. Als Feigenblatt. Dabei könnten die Medien Assange wirklich zum Thema machen, wenn sie wollten – wiederholt zum Thema machen „Hallo, warum ist Julian Assange immer noch nicht frei? Das nennt ihr Werte-Westen? Wir wollen endlich Rechtsstaatlichkeit und Wiedergutmachung sehen!“ Jede Woche solche Beiträge – das würde Assange sehr wahrscheinlich zur Freiheit verhelfen, weil das Volk verabscheut Ungerechtigkeiten! – Wenn die Menschen davon erfahren und auf den Laufenden gehalten werden.
Doch auch unsere Medien fliegen schon seit Jahren unter dem Radar.

Die Welt ist voll von Ungerechtigkeiten, Lügen, Verbrechen. Gute Journalisten könnten maßgeblich daran mitarbeiten, dass die Welt wieder in Ordnung kommt. Sie hätten reichlich zu tun. Könnten sie. Statt dessen erzählen sie uns, wie wir über wen zu denken haben. Oder setzen uns komplett unwichtigen Scheiß in den Kopf. (Entschuldigt, das böse Wort, es war bewusst gewählt.)

Die Journalistenkollegen von Julian Assange in den vielen Redaktionen, die sich nicht für Ihren Kollegen Julian Assange einsetzen, sind in Wirklichkeit keine Kollegen. – Nun, Journalist ist keine geschützte Berufsbezeichnung. Jeder angepasste Schmierfink darf sich so nennen, und das tun sie auch. Das Journalistik-Studium trägt offenbar auch nicht zum unabhängigen Denken und Berichten bei. Investigativ recherchieren? Aber nur bezüglich der erklärten „Feinde“.

Wikileaks steht noch immer zur Verfügung. Doch welche Redaktion bedient sich daraus?

Die so genannten Leitmedien, oder Qualitätsmedien, wie sie sich selbst nennen, sind schon lange nicht mehr die vierte Gewalt! Sie sind perfide Instrumente der Mächtigen (zum großen Teil gehören sie ja den Mächtigen), um den Menschen mit stetig wiederholten Fehlinformationen, Auslassungen und geistigem Müll die Gehirne aufzuweichen.

Und das merkt man leider bei einigen unserer Mitbürger. Viele angeblich Erwachsene hören brav auf die Medien, was sie zu tun und zu denken haben, um gute Menschen zu sein. Schade, denn sie haben eigentlich gute Herzen.

Und dann gibt es jene erfreulich wache Mitmenschen die sehr wohl merken, dass wir getäuscht werden. Aber sie treten nicht wirklich heraus.

Nein, niemand will so viel riskieren, wie Julian Assange! Aber ein paar Mutige, die den Anfang machen, muss es geben! Und es wäre für Assange auch nicht so ein riesiges Risiko gewesen, wenn die Journalisten ihren Job gemacht hätten.
Ebenfalls wäre es für Assange nicht so ein großes Risiko gewesen, wenn wir alle unseren Job gemacht hätten; denn jeder freie und mündige Bürger hat nicht nur Rechte sondern auch Verantwortung! Ich zitiere nochmal: „Jedes Mal, wenn wir Zeuge einer Ungerechtigkeit werden und nicht handeln, trainieren wir unseren Charakter darauf, sehenden Auges passiv zu bleiben. Dadurch verlieren wir möglicherweise jede Fähigkeit, uns selbst und die, die wir lieben, zu verteidigen.“ …zu verteidigen. Wo sind wir Bürger gewesen, als uns die Medien zeigten, dass Julian Assange aus der Botschaft geschleppt wurde?
Wir haben uns vernebeln lassen – vielleicht auch mit anderen Sorgen. Aber die Sorgen werden nicht besser, wenn wir uns nicht erheben.

Und es gibt uns Kraft, wenn wir es dann doch tun!

Julian Assange wurde im Gefängnis gefragt, ob er bereue, was er getan hat. Und obwohl er schon seit Jahren dieses Martyrium durchmacht und es ihm wirklich schlecht geht, sagte er nicht „ja, du siehst ja, was mir passiert ist“, sondern er sagte: „es hat mir sogar Spaß gemacht.“

Wozu sind wir auf diese Welt gekommen? Um unter dem Radar fliegend zu Über-leben und wenn es hoch kommt, Wettkämpfe im Wettpinkeln zu gewinnen?

Manche sagen, bevor wir geboren wurden, haben sich unsere Seelen dazu entschieden, gerade in dieser Zeit auf diese Welt zu kommen – weil wir etwas zu lernen und zu geben haben.

Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber sicherlich wird niemand einst auf dem Sterbebett denken: ach hätte ich doch mehr Netflix geschaut. Aber jeder, der zum Aktivisten gegen das Unrecht wird, kann sich später sagen: es lief zwar nicht alles glatt und oft habe ich mir auf der Straße den Allerwertesten abgefroren, aber ich stand für meine Überzeugungen ein und es hat Spaß gemacht!

Ganz im Sinne von Julian Assange!

Dieses gute Gefühl wünsche ich unserer ganzen Nation! Seid präsent und lasst das innere Licht leuchten! Tauscht die Angst gegen die Liebe ein! Das macht Spaß und das ist die gute Energie, die wir – im Gegensatz zu den korrupten Mächtigen – zur Verfügung haben! Die Macht der Masse mit der Kraft der Liebe.

Danke, dass ihr euch einsetzt!

FREE ASSANGE!“

Die Rede ging in einen kleinen Sprechchor über. Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit.

Thomas Niemöller

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Von Redaktion

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