Der Putsch – Bolsonaros Millitarputsch Teil 1

[Der Aufstand 03/25, Seite 6]

Der Putsch – Bolsonaros Millitarputsch Teil 1

Der gescheiterte Putsch von Bolsonaro in Brasilien und wie die Ermittlungen Beweise vorlegen, wie politische Gegner ermordet, verhaftet oder gefoltert werden sollten, in einer Verdrehung des Vorwurfs an die Gegner, sich als Verfolgung des Systems darzustellen. Der Zusammenhang dieser verzweifelten Strategie, die Gegner zu diskreditieren, mit dem internationalen Bestreben der extremen Rechten.

Einem gescheiten Leser muss es klar sein, dass es keine Geschehnisse ohne vorgeschichtliche Ereignisse gibt, die seiner Lebenszeit vorangegangen sind, die viele Aspekte und Kreise der Welt in ihrer Geschichte umfassen, ohne die ein vollkommenes Verständnis ihrer Gegenwart unmöglich ist. Diese ist oft eine Schwierigkeit junger Menschen, die sich mit den Problemen ihrer Gegenwart beschäftigen und sie besser verstehen wollen, wie auch der springende Punkt für Missverständnisse und für diejenigen Heuchler und Betrüger die das Unwissen für ihre Zwecke und eigenen Interessen nutzen.

Zu dem jetzigen Thema, dass sich um ein Geschehnis, dass sich erst vor zwei Jahren ereignet hat, und von dem noch mehrere Fakten Gegenstand von gerichtlicher Untersuchung sind, muss die Geschichtsspirale um fünfzig Jahre zurück gedreht werden, bis 1964, als damals der erste blutige Militärputsch in Südamerika geschah, in Brasilien, dem fünftgrößten Land der Welt, dass damals für Europa, dass sich noch nach dem Zweiten Weltkrieg erholte, nur ein exotisches fernes Land war. Die Bevölkerung der nördlichen Hemisphäre erlebte den kalten Krieg und war in sich selbst gekehrt und interessierte sich wenig für das, was sich im südlichen Teil der Welt abspielte.

Anders aber die Politik, die stets auf Ressourcen von Lateinamerika, Afrika und Asien angewiesen war und diese für billige Preise haben wollte. Dafür waren die Eliten in den verschiedenen Ländern dieser Kontinente zuständig und wurden unterstützt, damit sie mit dieser Politik kooperierten. Die kubanische Revolution ließ rote Lichter in den Geheimdiensten der USA und ihren Verbündeten hell leuchten und es mussten allen anderen inneren Bewegungen, die in die sozialistische Richtung gingen, Maßnahmen entgegengesetzt werden.

Würde die Zeitspirale um ein weiteres Jahrhundert zurück gedreht, könnte der größte Krieg in Südamerika detaillierter erzählt werden. Eine Allianz zwischen Brasilien, Argentinien und Uruguay mit Unterstützung und Finanzierung Englands gegen ein aufstrebendes Paraguay, dass ehemalige Territorien der Jesuiten in den Missionierungsgebieten beanspruchte. Der Krieg endete nach zwei Jahren blutiger Schlachten in einem Genozid der kaiserlichen Armee Brasiliens gegen die Bevölkerung Paraguays, die keinen einzigen Jungen unter zwölf Jahren am leben ließ und einen Teil des Territoriums Paraguays für sich einnahm.

Das zeugt vom Charakter der Armee Brasiliens, die fortan an ständigen Aufständen zum Schutz der Finanzkräftigen Machthaber des eigenen Landes und der Welt beteiligt war, einschließlich des Ausrufs der Republik, als die inneren Kaffeebarone aufgrund der Abolition der Sklaverei, sich gegen die der modernen Idee der Industrialisierung entgegensetzten, um ihre Privilegien zu behalten. Dies, ob die Republik ein Fortschritt bedeutete oder nicht, soll dahingestellt bleiben, wenn man sich daran erinnert, dass Englands Kolonialpolitik seit dem siebzehnten Jahrhundert eine Politik der englischen Krone war, wie vorher auch von Spanien und Portugal. Was aber hier zählt, ist die Haltung der USA und ihrer Verbündeten nach dem Zweiten Weltkrieg gegenüber ihren Hinterhöfen: Lateinamerika für die USA und Afrika und Nahost für Europa und die USA.

Der Lange Arm des Kapitalismus, der Faschismus.

Durch die Torpedierung mehrerer Handelsschiffe Brasiliens, durch italienische und deutsche U- Boote die den Atlantik Richtung England durchquerten, trat Brasilien auf Seite der Alliierten in den Krieg ein. Anders als Argentinien und Uruguay, wo oft englische wie deutsche Kriegsschiffe Zuflucht fanden, durften zuvor keine Kriegsschiffe fremder Länder auf die Häfen Brasiliens zusteuern. Jedoch wurden die Handelsschiffe vor der Küste Brasiliens versenkt. Eine Truppe von zwanzigtausend Mann wurde Ende 1943 nach Italien geschickt und machte zehn Prozent der „amerikanischen“ Armee in Süditalien aus. Damit ergatterte der Präsident Brasiliens, Getúlio Vargas, nach dem Krieg die Finanzierung der CSN (Companhia Siderúrgica Nacional), dem Stahlwerk, dass sein Land auf den Weg der Industrialisierung bringen sollte.

Die in ganz Lateinamerika existierenden alarmierende sozialen Umstände in der Agrarwirtschaft, die fast nur in den Händen von alten Latifundien lag, brachten die gravierenden Situationen die sich nach den fünfziger Jahren ergaben, als der Exodus von mit Gewalt vertriebenen, ihres Landes beraubten Bauern ohne Beweise ihres Besitzes in die Städte flohen um dort die Hoffnung auf bessere Überlebenschancen zu erfüllen.

In der Peripherie der Städte trugen sie zur Ausbreitung der Favelas und Armenviertel bei, als sie sich zu den dort schon anwesenden Schwarzen und Mischlingen der Sklavenzeit gesellten, die dort auch schon nur nichts anderes waren als unterbezahlte Arbeiter. Einige dünne Reformen wurden bis dahin in Gang gesetzt, durch die die Schulbildung der ärmsten Bevölkerung zugänglich wurde, aber längst noch nicht genügend, damit arbeitende Lohnsklaven und Kinderarbeit gelöscht werden konnten. Ärmere Kinder besuchten die Schule nur noch, bis sie schlecht lesen und schreiben konnten und die öffentlichen Schulen waren zum größten Teil den Kindern der mittleren Schicht zugänglich. Ein ähnliches Phänomen etablierte sich auch in der katholischen Kirche mit ihren ansässigen Priestern aus guten Familien und hohen Kirchtürmen, die nur auf vornehmen Plätzen zu sehen waren, was in der heutigen Zeit durch eine Vermehrung von evangelikalen Tempeln in jeder Ecke und in fast jedem Garagentor mit einem „Prediger“ mit einer Bibel unter dem Arm brachte.

Es flammten im Jahr 1964 durch mehrere Volksbewegungen die Ansprüche auf mehr Soziale Gerechtigkeit auf, und wie immer, waren sie eine Bedrohung der herrschenden Ordnung. Gegenbewegungen der Mittelschicht ließen nicht auf sich warten, die TFP, eine Organisation der katholischen Kirche die unter der Obhut der spanischen Opus Dei stand, deren Motto „Tradição, Família e Propriedade“ (Tradition, Familie und Eigentum) ist und der größte Teil der Spitze der hohen Militärs, von denen nur das Kommando des Staates Rio Grande do Sul, in Porto Alegre sich dazu bereit erklärte, einen Militärputsch gegen den Präsidenten João Goulart zu widersetzen.

Goulart war ein Farmer, der sein Eigentum selbst zur Agrarreform stellte, und der Gouverneur des Bundesstaates war Leonel Brizola, sein Schwager, ein Mann, der es aus niedrigen Verhältnissen zum Ingenieur geschafft hatte. Brizola organisierte den bewaffneten Widerstand. Auf die Weigerung des Präsidenten Goularts, Blut zu vergießen, gaben sie und die Legalisten Generäle die Widerstandslinie auf und begaben sich in das Exil in Uruguay. Die fünfte Flotte der US Streitkräfte stand Unweit von Rio de Janeiro zu Hilfe bereit, sollte sich der Putsch nicht als erfolgreich herausstellen. Es erfolgten Verhaftungen durch das ganze Land, in kleineren und großen Städten. In den ersten Monaten wurden Häuser gestürmt, Hausbibliotheken durchwühlt, Bücher auf offener Straße verbrannt, Menschen unter unterschiedlichen Umständen verhaftet und gefoltert. Innerhalb der nächsten Jahren spitzte sich die Lage deutlich zu, Kritiken wurden lauter und 1969 erließ die Militärjunta den „Ato Institucional 5“ (Institutioneller Akt 5), durch die alle individuellen Rechte gesetzlich aufgehoben wurden. Verhaftungen von Menschen ohne richterlichen Beschluss waren an der Tagesordnung. Menschen wurden entführt und verschwanden, ohne dass ihre Familien von ihrem Schicksal wussten. Es bildete sich ein untergründiger Widerstand, der nur erfolgreich wurde, als kleine Gruppierungen es schafften, Botschafter der USA und Italien zu kidnappen und sie gegen politische Häftlinge auszutauschen, die in das Exil gingen. Eine miserable Guerilla wurde gnadenlos ermordet und einige Banküberfälle brachten die Sensation zustande, die die zensierte Presse brauchte, um gegen Kommunisten anzuprangern.

Die Zahl der aus Flugzeug auf hoher See herunter geworfenen Personen ist ungewiss. Eine Praxis die die argentinische Militärjunta einige Jahre später übernahm und Chile unter Augusto Pinochet, unter dem über zwanzig bis dreißig tausend Menschen starben, noch verbessert wurde. In Chile wurden ehemalige deutsche Nazis engagiert, die im Süden des Landes Konzentrationslager nach altem Stil errichteten. Erst in den neunziger Jahren wurde auf dem Friedhof von Perugia, einen Stadtteil von São Paulo, ein Massengrab gefunden mit rund dreihundert unidentifizierten aufeinander geworfenen Knochenresten, mehrere von ihnen mit Schuss und Folterverletzungen. Die chilenische Armee übernahm die Form des deutschen Stahlhelms und den deutschen Marsch Schritt die sie heute noch pflegt. Mit Ausnahme der drei Guyanas und Venezuela, die aus Interesse an der Ölproduktion durch die USA nicht unter eine Diktatur gesetzt wurden, konnten die Zahlen der verhafteten, gefolterten, ermordeten und verschwundenen auf mehrere hunderttausende steigen. Mütter wurden unter Drohung der Folter von ihren Kinder zu Geständnissen gezwungen. Niemand konnte sich sicher fühlen, der sich nicht gemäß der herrschenden Ordnung in allen diesen Ländern äußerte, aufgrund der Bespitzelung in Schulen, Universitäten, sportlichen Ereignissen oder einfachen Treffen auf der Straße. Die Geschichte El Salvadors und die Ermordung des Erzbischofs Romeros und die bis heute katastrophal wirkende Geschichte des Landes kann eine besondere Betrachtung verdienen.

Aufgrund dieser Ereignisse die heute noch im Bewusstsein mehrerer Menschen verankert sind und die die Haltung einer sozialen Verantwortung besitzen, seien sie einfache Sozialdemokraten, Sozialisten, Kommunisten oder gar Sozialliberale, ist den meisten unter ihnen eine Tatsache klar: Der Faschismus, heute erkannt als Rechtsradikalismus zum Schutz einiger elitären Gruppen in verschiedenen Kreisen des gesellschaftlichen Lebens, ist der längere Arm des Kapitalismus aus dem sich die großen kapitalistischen Kräfte Nutzen ziehen, wenn der Anarcho Kapitalismus in Gefahr ist, der heute unter dem Mantel vom „Neoliberalismus“ steckt. Diese Feststellung erkannt, darf weiter zum Thema des geplanten Putsches von Jair Bolsonaro in Brasilien geschrieben werden, dass durch eine zweijährige Untersuchung der Bundespolizei herauskam, in dem der gewählte Präsident Luiz Inacio Lula da Silva, der Vize, Geraldo Alckmin und den derzeitigen beauftragter Justiz Berichterstatter des Obersten Gerichts Brasiliens ermordet werden sollten, zur Zeit innerhalb des Landes und in der internationalen Presse berichtete werden.

Noel Nascimento – 1. Januar 2025

Zum Autor:

Noel Nascimento-Filho. Pianist, war auch als Kunst – und Literatur Kritiker in Brasilien tätig. Sohn eines Staatanwaltes mit einer Gymnasial Lehrerein. Seine Eltern wurden durch die Militärdiktatur in Brasilien (1964-1985) verfolgt und gefoltert. Die Familie überlebte.

Erstveröffentlichung am 01.01.2025 auf INFO-WELT, siehe https://info-welt.info/2025/01/01/der-putsch-bolsonaros-millitarputsch-teil-1/


das könnte auch interessant sein

Avatar-Foto

Von Redaktion

Die Redaktion wird gestellt vom Ortsverein „Gesellschaft der Gleichen“ des UMEHR e.V. mit der Zielstellung, die öffentliche Debatte durch radikaldemokratische Prinzipien zu fördern. Sie erstellt die Publikationen auf PDF und stellt die Beiträge hier online. Die Redaktion ist nicht Autor der Beiträge. Die Autoren sind unter ihren Beiträgen auf den Beitragsseiten zu finden. Eingereichte Beiträge geben nicht die politische Position der Redaktion wieder. Eingereichte Beiträge von Parteien bedeuten nicht, dass die Redaktion Mitglied dieser Partei ist oder Positionen dieser Partei vertritt. Jeder Autor ist für seinen Beitrag selbst verantwortlich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert