Rainer Mausfeld verwechselt durchgehend Eigentümer mit Besitzer und die Macht von Staatsbürgern mit der Machtbegrenzung von Eliten

https://youtube.com/watch?v=0QyvAphbMDk&si=NP0WLGVEGTmFCk72
Interview: Markus J. Karsten spricht mit Rainer Mausfeld über Psychologie, Politik, Gesellschaft und vieles mehr (Premiere 16.06.2024)
[Der Aufstand 37/24, Seite 8]

Rainer Mausfeld verwechselt durchgehend Eigentümer mit Besitzer und die Macht von Staatsbürgern mit der Machtbegrenzung von Eliten.

Solche Verwechslungen und Begriffsverwirrungen führen zu fatalen Fehlern in der politischen Zielsetzung.

Ich beziehe mich in meiner Kritik vorerst auf ein Interview, dass sein Verleger mit ihm geführt hat, um sein neues Buch „Hybris und Nemesis“ (meine Übersetzung: „Selbsterhöhung und Ausgleich“) besser verkaufen zu können. In Folgeartikeln, werde ich auf entsprechende Textstellen in seinem Buch eingehen und die daraus folgenden Unterschiede in seiner politischen Strategie aufzeigen, die nach meiner Meinung nicht zu stabilen, radikaldemokratischen Machtverhältnissen, also nicht zur Demokratie, die Macht der Staatsbürger, wie Hanna Arendt sie in ihrem Buch „Über die Revolution“ beschreibt führen, sondern nur kurzzeitig zu etwas mehr Bürgerbeteiligung in den bestehenden Machtverhältnissen der Eliten.

Er erläutert in dem Interview, dass die erste Demokratie-Form vor ca. 2500 Jahren in Athen erdacht wurde, aber vergisst zu erwähnen, dass dies von Seiten der Eliten geschah, um einen Aufstand der freien, aber armen Bauern zu besänftigen. Das war die sogenannte attische Demokratie, also eine ganz spezielle Form der Demokratie, die wegen der Beibehaltung des Eigentumssystems, der ökonomischen Basis für extremen Reichtum, nur eine vorübergehende Erscheinung sein konnte.

Damals warnte Aristoteles die Minderheit der reichen Eigentümer, bei ihren Rückgriffen auf eine Bürgerbeteiligung, dass der Nachteil der Demokratie darin besteht, dass im ungünstigen Fall die Mehrheit der Armen über das soziale Schicksal der reichen Minderheit bestimmen könnte. Also wurde die Demokratie seit über 2000 Jahren von den reichsten Eigentümern und dessen Intellektuellen, als etwas ganz gefährliches für ihren privilegierten sozialen Status dargestellt.

Dann kam die große Wende mit dem Beginn der bürgerlichen Revolutionen am Ende des 18. Jahrhunderts. Als erstes griffen die sogenannten „Gründerväter der USA“, die reichsten Landeigentümer und Sklavenhalter nach der Erringung der Unabhängigkeit vom britischen Königshaus, auf demokratische Tricks zurück, um ihre sozialen Privilegien zu sichern. Sie erdachten die „Repräsentative Demokratie“, als Mogelpackung für die freie und bewaffnete, aber ärmere Landbevölkerung, welche keine neue Monarchie, sondern ihre eigenen Machtverhältnisse errichten wollten. Darin sahen diese „Gründerväter“, mit Erinnerung an Aristoteles seine Warnung, natürlich eine große Gefahr für ihre privilegierte Stellung zur Macht aufkommen.

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Einer der „Gründerväter der USA“ (James Madison) war der Meinung, dass die „Repräsentative Demokratie“ so organisiert sein sollte, das die Interessen und Privilegien der Minderheit der reichsten Eigentümer, vor den Interessen der Mehrheit der ärmeren und bewaffneten, aber freien Bürgermassen, die einer anderen sozialen Klasse angehören, unter allen Umständen geschützt sind. Die „Gründerväter der USA“ waren vor allem Bänker, Großgrundbesitzer und Sklavenhalter, die natürlich die sozial herrschende Klasse in dem nun unabhängigen Land darstellten und allgemein als Großbürger, Eliten und Oligarchen bezeichnet werden.

Reiner Mausfeld hat im genannten Interview erläutert, dass die „Gründerväter der USA“ wussten, dass der Begriff „Demokratie“ (Volksherrschaft) unter den freien und bewaffneten Bürgermassen sehr beliebt war und darum musste dieser unbedingt in ihrer neuen Machtkonstruktion als Etikett auftauchen und deswegen entschieden sie sich für die Formulierung „Repräsentative Demokratie“. Die „Repräsentative Demokratie“ war aber von vorne herein so konstruiert, dass die Reichen das Sagen haben und die wahlberechtigten, weil bewaffneten Volksmassen, hin und wieder ein Zettelchen in eine Urne werfen dürfen.“

Rainer Mausfeld beschreibt „Demokratie als die radikalste Einschränkung von Macht“. Demokratie sei die härteste Form der Eliten-Kontrolle. Es ginge darum, Parasitismus und eine Eliten-Verkommenheit zu verhindern. Das sei die eigentliche Idee von Demokratie. Er stellt damit die ökonomische Existenzgrundlage zur Entstehung von Eliten gar nicht in Frage und wendet sich nur gegen die Gefahr ihrer „Verkommenheit“. Damit schürt er die Illusion von „edlen Eliten“, wenn man sie nur „hart Kontrollieren“ würde. Wo das hin führt, hat die Geschichte bereits in Griechenland und Rom gezeigt, denn dort waren die freien Bürger eben nicht dazu in der Lage ihre Macht dauerhaft gegen die reichsten und einflussreichsten Großbürger zu sichern. Ich möchte diesen Fehler nicht wiederholen.

Weiter führt er aus, dass heutzutage der größte Teil der Bevölkerung nicht mehr weiß, wozu Demokratie überhaupt dient und wie sie entstanden ist. Die Masse hätte schon längst geschluckt, dass Demokratie das Gegenteil von dem bedeutet, was sie eigentlich bedeuten soll. Ich frage mich allerdings, ob Rainer Mausfeld den von den damaligen Eliten eingewebten System-Fehler der attischen Demokratie, die Beibehaltung des Eigentumssystems, die Grundlage zur langsamen Restauration ihrer „absoluten Macht“, bereits begriffen hat.

Ich als Radikaldemokrat verfolge das Ziel, die Machtergreifung durch Staatsbürger zu ermöglichen und nicht die Macht der Eliten nur zu kontrollieren und zu begrenzen. Rainer Mausfeld bezeichnet die reichsten Eigentümer der Produktionsmittel immer wieder fälschlich als die Besitzer der Produktionsmittel, doch faktisch müssen die Lohnsklaven die Produktionsmittel mit ihren Händen in Besitz nehmen, um für die Eigentümer zu produzieren. Die Lohnsklaven sind also fast vollständig im Besitz der vergesellschafteten Produktion, mit Ausnahme von den Teilen der Produktion, wo selbständige Kleinbürger noch selbst mit Hand anlegen.

Die radikalste Einschränkung der Macht der reichsten Eigentümer, Oligarchen, „Eliten“, usw., ist die Abschaffung des Rechts auf Ausbeutung mittels Eigentum, womit sie die Besitzer der Produktionsmittel zu Lohnsklaven machen und sie um den Ertrag ihrer Arbeit, mit Hilfe der Gewalten des Staates der Eigentümer berauben.

Rousseau verwies auf diese Lohnsklaverei in seinem „Gesellschaftsvertrag“ und Pierre-Joseph Proudhon gründete seine Theorie des Anarchismus auf die Feststellung, das „Eigentum Diebstahl ist“. Rainer Mausfeld blendet aber in seiner Sichtweise die ökonomischen Wurzeln der herrschenden, undemokratischen Machtverhältnisse völlig aus. Ist Rainer Mausfeld als Professor und sozial privilegierter Kleinbürger des Eigentumssystems, in seiner wissenschaftlichen Bewertung der Sachlage vielleicht befangen und verstellt ihm diese Befangenheit vielleicht den Blick auf wirklich radikaldemokratische Lösungen?

Es geht für mich als Radikaldemokrat also nicht darum, die Macht der Oligarchen zu begrenzen, sondern darum, dass die Staatsbürger die Macht selbst ergreifen und in ihre organisierten und ganz legitim wehrhaften Hände nehmen. Natürlich möchte ich nicht den jetzigen Zustand fortsetzen, dass die Macht der Staatsbürger durch irgend welche Eliten behindert, eingeschränkt, begrenzt und in ihr direktes Gegenteil gekehrt wird.

Die Großgrundeigentümer sind Eigentümer aufgrund entsprechender Eigentumstitel, dessen Eigentum vom Staat der Eigentümer, mit dessen Gerichten, Polizisten und wenn nötig mit Soldaten um jeden Preis geschützt wird, selbst wenn es Millionen Menschenleben armer „nur Besitzer“, also Lohnsklaven kostet, von denen sie ja durch die 4. technische Revolution immer weniger brauchen und diese als Überbevölkerung bezeichnen, die sie irgendwie nur noch los werden wollen, weil sie ihre Macht bedrohen könnten, falls sie sich organisiert zusammenschließen, um radikaldemokratische Machtverhältnisse zu errichten. Deswegen können die Eliten das Eigentumssystem nur mit brutalster staatlicher Gewalt gegen die Lohnsklaven aufrecht erhalten.

Würde eine Verfassung durch die Staatsbürger auf revolutionäre Weise so verändert, dass die Staatsgewalten von ihnen mit imperativen Mandaten versehen sind und nur noch auf den Schutz von Besitz verpflichtet werden, wäre jede rechtliche Handhabe auf Ausbeutung durch Eigentümer sofort beseitigt und die Besitzer der Produktionsmittel hätten die rechtmäßige Verfügungsgewalt über die Produktion und deren Produkte. Die Entfremdung der Produzenten vom Produkt ihrer Arbeit wäre sofort beendet.

Durch die Einführung eines modernen Besitzrechtssystems, statt des seit ca. 5.000 Jahren vorherrschenden Eigentumssystems, würde die ökonomische Grundlage unserer Gesellschaft so radikal verändert werden, dass soziale Klassenunterschiede nicht mehr realisierbar sind, also gar keine sozialen Eliten mehr entstehen könnten, die mit Hilfe ihrer ökonomischen Macht, unsere Gesellschaften politisch okkupieren könnten.

Aus diesem Grunde ist es notwendig, keine Verwirrungen um ökonomische und politische Begriffe zu dulden oder zu verharmlosen, um unsere nicht unbedingt selbst verschuldete politische Unmündigkeit zu beenden, wie Kant sie uns vorgeworfen hat. Selbst verschuldet ist unsere politische Unfreiheit nur, wenn wir es besser wissen und die Unterdrückten nicht darüber aufklären, um sie für ihre Selbstermächtigung zu mobilisieren.

Ich vermisse natürlich bei Rainer Mausfeld einen klaren und konkreten politischen Plan, wie er die Gesellschaft der reichsten Eigentümer radikaldemokratisch verändern möchte. Immerhin nannte sich Rainer Mausfeld in einem Interview, vor nicht all zu langer Zeit einen Radikaldemokraten. Ich würde gerne wissen, wie er Radikaldemokratie definiert, erkennt und herstellen will, wenn er die ökonomische Grundlage der Existenz von Eliten, das „Eigentumssystem“ und den Staat der Eigentümer nicht radikal verändern will?

Hans-P. Beneke

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Von Redaktion

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