Protestaktionen am 8. Januar – um was geht es eigentlich?

[Schwarmintelligenz, Ausgabe 01/24]

Protestaktionen am 8. Januar – um was geht es eigentlich?

Anlass für die Protestaktion der Bauern, Kraftfahrer und weiterer Unternehmer sind die Mauterhöhung sowie die Sparpläne der Bundesregierung, etwa bei Subventionen für die Bauern, die dem Haushalt etwa eine Milliarde Euro bringen sollen. Zwar machte die Regierung am 4. Januar Zugeständnisse an die Landwirte, diese reichen aber aus Sicht der Bauern nicht aus.

Strassenblockaden – nur bei Klimaklebern legitim?

Nachdem – ebenfalls am Donnerstag – über 300 Menschen am Anleger von Schlüttsiel friedlich gegen den geplanten Abbau von Subventionen für Landwirte demonstrierten (1) bezeichnete ein Sprecher der Bundesregierung die Blockade auf dem Anleger als „beschämend“ (2).
Laut Grundgesetz geht alle Staatsgewalt vom Volk aus. Wie es den Anschein hat, gilt die freie politische Willensbildung und Meinungsäußerung inzwischen nur noch, wenn der Protest von der „richtigen“ Seite kommt. Innenminister Herbert Reul (NRW, CDU) hat in einem Interview mit der “Rheinischen Post” geäußert, er sehe “nicht jede Protestform” als „zuträglich“ an. Er warnte insbesondere vor Straßenblockaden.
Die Klimakleber genießen bei ihren Strassenblockaden dagegen weit mehr Toleranz und Sympathie. In Österreich wurden kürzlich Klimaklebern bei der Blockade sogar wärmende Decken von der Polizei gereicht. (3)
Kuschelkurs mit linken Aktivisten, der Streik der Lokführer wird akzeptiert – aber bei den Landwirten, die wirkungsstark ihren Unmut kundtun, sieht die Bundesregierung eine „Verrohung der politischen Sitten“?

Niveaulose Angriffe unter der Gürtellinie

Nicht nur wird den Protestierenden die demokratische Haltung abgesprochen, sie werden vom Tagesschau-Jornalisten R. Becker auch noch als „dumm“ verunglimpft. T. Stötzel (WiWO) fordert empört eine „Sippenhaft“. (4) Und um dem ganzen die Krone aufzusetzen, unterstellt J. Müller-Jung den Landwirten in der FAZ tatsächlich, sie könnten „Brunnen vergiften“ wollen: “Wer weiß, wohin der eskalierende Widerstand‘ der Letzten Traktorfahrergeneration noch führen wird? Vielleicht fluten sie morgen schon die Berliner Trinkwasserbrunnen mit Gülle….“ (5)
Anstatt sachlich zu argumentieren, werden Kritiker einmal mehr auf persönlicher Ebene angegriffen und diskreditiert – wo ist nur der demokratische Diskurs geblieben?

Forderungen der Bauern

Das Wesentliche sind doch die Forderungen der Landwirte, die zum Teil weit über die Themen Diesel und Subventionsabbau hinausgehen..
Den freien Bauern beispielweise geht es nicht nur um ungerechte Steuern. Statt der sinnlosen Angriffe auf die Landwirtschaft solle sie endlich wieder einen festen und anerkannten Platz in der Gesell-schaft erhalten.

Forderungen der freien Bauern (6)
1. Schluss mit den EU-Programmen Green Deal und Farm-to-Fork
2. Rücknahme aller Dünge-, Pflanzenschutz- und Tierhaltungsregeln die uns seit 2017 ideologisch bevormunden.
3. Aufkündigung von Freihandelsabkommen und zollfreien Importen
4. Zerschlagung der Monopole in Handel und Lebensmittelindustrie auf der Grundlage der Kartellrechtsreform
5. Verbot von Gentechnik und Laborfleisch, Feuer frei auf die Wölfe

EU-Programme Green Deal und F2F führen zu Ernährungs-Unsicherheit

Die Forderung der freien Bauern, die EU-Programme „Green Deal“ und „Farm to Fork“ (F2F) zu beenden, ist nachvollziehbar:
Durch den Green Deal wird der Zweck der Landwirtschaftsgesetze von der Nahrungsmittelproduktion auf eine sogenannte „Umweltverbesserung und Verringerung der Kohlenstoffemissionen“ verlagert.
Die Landwirte sollen gezwungen werden, weniger Land für Ackerbau und Viehzucht zu nutzen, sowie weniger Dünger, weniger Chemikalien zum Pflanzenschutz usw. Dies führt natürlich zu einer Senkung der landwirtschaftlichen Produktion.

Die umstrittene Biodiversitätsstrategie der EU fordert… (6)
1. Reduzierung der landwirtschaftlich genutzten Flächen um 10%
– Verringerung des Düngemitteleinsatzes um 20 %
– Reduzierung des Einsatzes von Pestiziden um 50 %
– Reduzierung des Einsatzes von Antimikrobiotika, also Antibiotika und andere Medikamente, um 50%

Das erklärte Ziel der EU ist es, „unser Nahrungsmittelsystem mit den Bedürfnissen des Planeten in Einklang zu bringen“ – also ausdrücklich nicht, durch die Landwirtschaft die Ernährung der Bevölkerung zu sichern!
Die Forschungsabteilung des US-Landwirtschaftsministeriums (ERS) hat die Veränderung des Bruttoeinkommens der land-wirtschaftlichen Betriebe auf Grundlage der Erträge und der Änderungen der Preise/ Mengen errechnet. Im reinen „EU-Szenario“ werde – allein durch den Green Deal – das Bruttoeinkommen der landwirtschaftlichen Betriebe in der EU um 16 Prozent sinken!
Auch würde die Anzahl der Menschen, deren Lebensmittel-versorgung gefährdet wäre, auf bis zu 185 Millionen steigen. (7)
Als wäre das alles nicht genug, machen auch die Betreiber von Wind- und Solaranlagen der Landwirtschaft konkurrenz – mit negativen Folgen für die Umwelt. (8)

Umstrittenes Glyphosat

Auch wenn die meisten Landwirte Pflanzenschutz und Herbizide als unerlässlich für die Ertragssicherheit sehen: viele Verbraucher machen sich Sorgen um die Belastung der Lebensmittel, insbesondere bei Produkten aus dem Ausland, wo die Auflagen weit niedriger sind als in Deutschland.
Und wohl zurecht: eine Studie der amerikanischen CDC zu Monsantos „Roundup“ und dem darin enthaltenen Glyphosat gelangte zu der Erkenntnis, dass über 80 % der Urinproben von Kindern und Erwachsenen in den USA Glyphosat enthielten. (9)
Leider hat die Bundesregierung in der Vergangenheit die Veröffentlichung von Studien zu Glyphosat verhindert (10) – in den USA wurde dagegen Bayer zu einem Milliarden-Schadensersatz verurteilt. (11)

Regenerative
Landwirtschaft: die lohnende Alternative

Doch es gibt inzwischen erprobte Konzepte, mit denen die Landwirte sich die Kosten für den teuren Kunstdünger und Pflanzenschutzmittel sparen und damit wirtschaftlicher arbeiten können: Die regerative Bodenbearbeitung setzt den Fokus auf Humusaufbau und Förderung des Bodenlebens durch konstante Bedeckung des Bodens, Direktsaat, Komposttee, Zugabe fehlender Mineralstoffe und Spurenelemente wie z.B. Molybdän zur Stickstoffbindung als Blattspray u.a. Maßnahmen. (12)

Humus bindet CO2

Der Humusaufbau hat ein gewaltiges Potenzial, das CO2 aus der Luft zu binden:
Schon 1 % mehr Humus auf den Äckern kann die gesamten jährlichen CO2-Emissionen binden! (13)
Auch ohne den umstrittenen „Green Deal“ könnten unsere Landwirte damit ihren unersetzlichen Beitrag zur Nahrungssicherheit leisten.
David Montgomery erkannte schon vor Jahren: „Wo die Bauern auf Regenerative Landwirtschaft umgestellt haben, ist der Wohlstand zurückgekommen.“ (14)
Ich wünsche den Protesten viel Erfolg!

1 https://www.youtube.com/watch?v=E3Uwmx3j63I – siehe QR-Code

2 https://www.abendblatt.de/politik/deutschland/article241350378/Wuetende-Bauern-hindern-Habeck-am-Verlassen-einer-Faehre.
3 https://report24.news/oesterreichische-polizei-versorgt-klimakleber-mit-decken-gegen-die-kaelte/?feed_id=35760
4 https://twitter.com/OERRBlog/status/1743056053569237158; https://www.wiwo.de/politik/deutschland/wut-gegen-habeck-
bauernprotest-eskaliert-ein-bisschen-sippenhaft-muss-jetzt-sein/29586586.html

5 https://www.faz.net/aktuell und https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/faz-protestierende-bauern/
6 https://www.freiebauern.de/images/Januar24.pdf
7 https://www.agrarheute.com/management/agribusiness/studie-folgen-green-deal-dramatisch-fuer-bauern-verbraucher-575198
8 https://report24.news/gruene-energie-statt-nahrungsmittel-solarpanele-auf-ackerland-ein- destruktiver-trend/
9 CDC – Centers for Disease Control and Prevention;
https://wwwn.cdc.gov/Nchs/Nhanes/2013- 2014/SSGLYP_H.htm;
https://childrenshealthdefense.org/defender/cdc-study-cancer-glyphosate-roundup/
10 https://www.spiegel.de/politik/ausland/glyphosat-bundesregierung-hilft-vor-eugh-bei-studien-geheimhaltung-a-1182223.html
11 https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/glyphosat-prozess-bayer-in-usa-zu-milliarden- schadensersatz-verurteilt
12 https://www.regenerative-landwirtschaft.de/definition.html; siehe auch QR-Code

13 https://vhe.de/wp-content/uploads/2022/06/3VHE_HuMussLAND_2020_Online.pdf
14 David Montgomery: „Growing a Revolution“, 2018;
https://www.youtube.com/watch?v=-tm2-nWmHgk

Urs Müller

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Von Redaktion

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