Warum ich etwas pessimistisch geworden bin

Fotomontage aus: Kaikidan ekotoba (怪奇談絵詞, Japanese picture),
Quelle: Lüge als Staatsprinzip (Wikipedia)
[Der Aufstand 40/23, Seite 4]

Warum ich etwas pessimistisch geworden bin

In der letzten Zeit habe ich wieder vermehrt Aussagen gelesen wie: „Nun lassen Sie die Masken fallen“, oder auch „endlich sind die Lügen erkennbar“ und dergleichen. Ein bisschen wie Merkels „Wir schaffen das“. Auch wenn ich diese euphorische Sichtweise verstehe, kommt sie doch meist von jemanden, der diese dinge selbst erst vor relativ kurzer Zeit bemerkte.
Ich selbst habe damit bereits vor rund 22 Jahren begonnen. Der 11. September 2001 war für mich, jemand der Physik schon immer mochte, ein erster „Aufwach-Moment“. Es wurde damals auch immer davon gesprochen, dass es einen richtigen, körperlich spürbaren Moment gibt, in dem einem vieles bewusst wird. Und das kann ich bestätigen! Es ist eine Sache, sich Dinge erzählen zu lassen und eine völlig andere, sich diese Dinge selbst zu erarbeiten. Dieser Moment war bei mir rund 5 oder 6 Jahre später gegeben. Es dauert seine Zeit bestimmte Dinge zu erfahren und in die richtige (oder vermeintlich richtige) Beziehung zu setzen. Ich weiß noch ganz genau, wie ich damals über dem Buch saß, das ich in dem Moment las, und sich in meinem Kopf die Puzzelteile, all der krassen Dinge zusammensetzte und ein Bild, ein Muster offenbar wurde. Mir wurde schlecht, warm und kalt. Ich wusste nicht, ob ich weinen oder lachen sollte und noch einiges mehr an Gefühlschaos.
Warum erzähle ich das? Dieser gesamte Prozess, so hart und einschneidend dieser für das eigene Leben auch war und ist, kann ebenso motivierend wie demotivierend sein.
Vor 10 oder 15 Jahren z.B. haben alle hier in Deutschland noch von „der kritischen Masse“ geredet. Wobei dies doppeldeutig gemeint war. Es war zum einen auf eine „kritische Bevölkerung“ bezogen und zum anderen auf die „kritische Masse“ bei der Kernspaltung. Nach dem Motto: Wir sind so viele und es werden unaufhaltsam immer mehr. Nach meinem heutigen Wissenstand jedoch, schwöre ich Stein und Bein darauf, dass in den Jahrzehnten davor andere, „aufgewachte“ Personen, Journalisten und/oder Alternative (gab es in der Form wie heute ja noch nicht) ebenfalls dasselbe gedacht und gesagt haben: „Nun packen wir es aber bald!“
Bei mir machte sich aber irgendwann die Erkenntnis breit, dass wir uns bei nüchterner Betrachtung kaum vom Mittelalter unterscheiden. Optisch natürlich erheblich, aber der Rest hat bis in die letzten Winkel der Gesellschaft schon extreme Ähnlichkeit zu solch alten, feudalen Systemen. Ich für meine Teil würde sogar behaupten, dass es stellenweise deutlich schlimmer geworden ist.
Leider projizieren Menschen ihr eigenes ich sehr oft auf andere. Also wenn ich etwas erkenne, dann muss ich allen anderen nur dasselbe zeigen und sie werden zum selben Schluss kommen. Das ist aber nicht richtig. Ich glaube daher derzeit nicht mehr daran, dass es in absehbarer Zeit einen echten Wandel/Wechsel, also eine „freiheitliche Weltordnung“ geben wird. Es wird nicht klappen, denn dafür ist die Gesellschaft als solche noch nicht reif genug, bzw. diese natürliche Reife hat man ihr über Jahrzehnte der Umerziehung abtrainiert. Daher wird ein solcher, freiheitlicher Wandel sehr wahrscheinlich nicht mehr zu meinen Lebzeiten eintreten. Aber das ist auch o.k., denn dieses System wurde auch nicht in einer Lebenszeit erschaffen.
Diese Dynastien, wie man sie in Büchern von David Rothkopf, Caroll Quickley, Anthony C. Sutton und vielen anderen beschrieben findet, denken in 100 Jahreszyklen und mehr. Nur wird es schwer bis unmöglich sein, einer „alternativen Szene“ eine ähnliche Herangehensweise zu empfehlen. Stattdessen wird diese immer wieder aufgerieben und zerrieben werden. Und zwar eben von jenen Dynastien, die einen deutlich längeren Atem haben und die psychologischen und gesellschaftlichen Mechanismen kennen.
Alternative und Aufklärer werden sich wahrscheinlich nie „Einigen“ und an einem Strang ziehen. Und das dann auch noch über viele, viele Jahre oder gar Jahrzehnte hinweg, um überhaupt ein relevanter Gegenspieler zu werden, – der mehr als nur „Auswirkungen auf das aktuelle Geschehen“ nehmen könnte oder wird.
Schriften wie die von Gustave LeBon  „Psychologie der Massen“ oder auch „Psychologie des Sozialismus“ erläutern das Problem dabei. Auch Berneys und viele andere gute Autoren und Denker taten und tuen dies. Es fängt schon mit dem nicht so einfach und schnell zu ändernden Informationsgefälle an. Wissen ist Macht, dass war schon immer so. Hinzukommt, dass es noch dutzende psychologische Effekte gibt, die in solchen Momenten greifen.
Es bleibt natürlich die Hoffnung (ich hoffe immer das Beste, rechne aber mit dem Schlimmsten), dass sich tatsächlich ähnlich revolutionäre Strömungen entwickeln, wie in der Vergangenheit schon einmal. Wenn ich aber daran denke, dass es stets hieß, dass man für eine Revolution ca. 4 bis 5 % einer Bevölkerung benötigt, dann sehe ich Probleme. Der Unterschied ist nämlich, dass die Leute früher, also vor der Zeit des Internets (so viel gutes diese Technologie auch bringt) meist Nachbarn und Bekannte waren, oder zumindest aus einem Ort oder Dorf kamen. Heute kann eine Gruppe bei Telegram tausende Mitglieder haben, von denen sich nicht einer persönlich kennt. Ist sogar die Regel!
Das System ist aber nicht ohne Grund so aufgebaut, wie es aufgebaut ist. Es erhält sich in weiten Teilen selbstständig und da muss schon ordentlich was passieren, damit sich etwas ändert. Dieses „da muss schon ordentlich was passieren“, beinhaltet aber nicht zuletzt auch persönliche Opfer und Anstrengungen.
Zu schnell betrachtet man Dinge aus seiner eigenen Blase heraus. Ich kenne genug „Mainstream-Leute“, die von 90% der Dinge, über die bei Alternativen wie Selbstverständlich gesprochen wird, noch nie etwas gehört haben. Und das sind nicht nur alte Leute, sondern auch viele Junge. Die „Mainstream-Blase“ kann min. so allumfassend werden, wie die „Alternative-Blase“. Vor kognitiver Dissonanz, bzw. den Auswirkungen einer Dissonanzreduktion ist niemand gefeit. Ausgewogen informieren tun sich auch letztlich höchstens so viele, wie sich auch ernsthaft ausgewogen ernähren. Der Mensch sucht immer Zuspruch bei Gleichgesinnten, ignoriert, leugnet oder spielt ihm evtl. nicht passende oder seinem Weltbild nicht entsprechende Informationen herunter uvm.
Ich bin da aber generell auf der Seite von Hegel. Letztendlich wird der dialektische Prozess der Entwicklung der Gesellschaft zum Zustand der absoluten individuellen Freiheit führen! Ich denke aber auch, dass wir bis dahin, noch einige harte Rückschläge erleben werden. Die Systeme, die nach Diktaturen o.ä. kamen, waren stets deutlich freiheitlicher, als die Systeme vor dem aufkommen der Diktatur.

Zorlack der Planetenfresser

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Von Redaktion

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