Wieso die Ukraine diesen Krieg verloren hatte, aber die NATO gewinnen kann
von Jacob van Creutzveld
Am 24.05.2023, genau 15 Monate nach dem Beginn der „Militärischen SonderOperation der russischen Armee in der Ukraine ist ein Sieg und Rückgewinn der ukrainischen Gebiete nahezu aussichtslos. Dies hat vor allem damit zu tun, dass die ukrainische Armee mit dem zweiten Aufgebot im Donbass steht, wie der Autor sich in einem Kanal der Britischen Intelligence selbst überzeugen konnte.
Aber auch andere Gründe müssen angeführt werden: So fehlte den ukrainischen Generälen eine eigentlich alles entscheidende Idee, wie sich Kiew gegen diese Invasion zur Wehr setzt. In übereilter Notwehr wurde zum Ius Bellum gegriffen. Wie Herr General von Rundstück schon 2022 treffend feststellte, hätten die Ukrainer besser daran getan, sich in der Invasion zu ergeben und keinerlei Kampfhandlung zu zeigen. Die Besetzung der Ukraine mit vollausgerüsteter und kampfstarker ukrainscher Armee hätte auf Dauer die Besatzer überfordert. Aber Selenskjy entschied sich, anders als Saddam Hussein damals, zum Gegenschlag, was ihn zwar zum „Führer der freien Welt“ machte, aber eben nicht zu einem erfolgreichen Feldherrn.
Eine Kiew-Rus Stay Behind hat sich als eine schlechte Strategie entpuppt. Diese Kriegsführung wurde zum Himmelfahrtskommando.
Das Beste, was Selenskjy nun noch machen kann, ist Russland eine Feuerpause anzubieten und erhoffen, dass sie lange halten wird. Diese Feuerpause wäre in meinen Augen eine echte ‚Win-Win‘-Situation für die Ukraine, aber das setzt bei Selenskjy und den Miltärs voraus, dass sie den Krieg als verloren akzeptiert: Die Kiewer Rus würde dadurch endlich Frieden finden und sollte Russlands Militär die Feuerpause akzeptieren, wären Grundlagen für den späteren Waffenstillstand geschaffen und Europa um einen heißen Krieg herum gekommen. Sollte Rußland aber die Feuerpause nicht akzeptieren, wäre für die Ukraine der Präzedenzfall geschaffen, international mit einem exorbitanten supermoralischen Vorteil darzustehen, und daraus ergibt sich für mich dann auch der Momentum, mit dem die NATO einen Sieg über Rußland militärisch erreichen/erzielen würde.
Aus meiner Perspektive haben wir vieles in diesem Konflikt zwischen Rußland und der NATO noch nicht gesehen, was zur jetzigen Ausgangslage schwierig für NATO-Staaten sein dürfte: Putin hat die gesamte Ostsee zwar mit Schiffen der NATO gegen sich, aber dies ermöglicht taktische Angriffe auf einzelne Ziele durch die Luftwaffe oder durch U-Boote. Dazu ist auch die finnische Grenze nicht mit NATO-Soldaten übermäßig geschützt, ein Heer aufzustellen kostet Geld, auch wenn es sich in permanenter Gefechtsbereitschaft befindet, schläft es ein, es muss der Faktor Mensch im Moment der Überraschung berücksichtigt sein. Eine verkündete Feuerpause kurz vor einer militärischen Beteiligung kann die nötige Spannung bringen, wie im Finale bei den Olympischen Spielen. Der jetzige Zustand, zwar gefechtsbereit zu sein, aber ohne klare Kenntnis, ob – und wenn ja, wann – man beteiligt an einem Krieg sei, kann den Geist auf Dauer wie in einer Art ewigen Terrorübung, wo man nicht weiß, ob alles jetzt echt ist, oder nur ein Probealarm, in eine Art schläfrige Überforderung versetzen, oder an den Rand eines Nervenzusammenbruches – echt jetzt?
Sowohl der moralische als auch strategische und für die Konzentration wichtige Moment läge dann bei den NATO-Verbündeten und nicht wie im Moment bei der russischen Generalität.
Auch kann in einer solchen Situation die NATO für sich Kriegsziele definieren und sie priorisieren, eine – wie ich finde – der wichtigsten Entscheidungen, die eine Armeeführung und Leitung treffen muss. Bei Selenskjy sind mir keine Kriegsziele bekannt, außer, dass sie ja ihre von Rußlands Militär besetzten Gebiete zurück gewinnen möchten, was ja wie eingangs gesagt, dem Strategiewechsel entgegen steht. Will die ukrainische Armee alle Gebiete zurück haben, muss sie einsehen, dass sie dieses aus eigener Kraft nicht mehr erkämpft.
Da die Versuche Kiews, die NATO in ihren Krieg hinein zu ziehen, plump sind, und die NATO auch nicht scharf auf den Krieg auf eigenen Gebieten, später noch mit Bombardierung von ziviler Einrichtungen und Städte, sein kann, und sollte Kiew weiter gegen die russische neugeölte Kriegsmaschine ankämpfen, kämpft Kiew halb besiegt gegen einen Superschwergewichtsweltmeister, der sich eben erst gerade warm geboxt hat.
Den Autor erreichen Sie unter
j.vancreutzveld@posteo.de