Ein Neustart. Neue Regierung, neues Glück

[Der Aufstand 18/25, Seite 24]
 Sahra Müller

So, jetzt geht´s ja richtig los. Ein Neustart. Neue Regierung, neues Glück.

Und es sieht ja auch erfolgversprechend aus: sie packen das Übel an der Wurzel: die Arbeitslosen werden endlich wieder schikaniert. Wir wissen zwar noch nicht genau wie, aber der Vorsatz ist da … und es wird wohl ähnlich aussehen wie früher: alles wird gestrichen.

Man muss wohl ziemlich von vorgestern sein, wenn man diese genialen Pläne nicht verstehen kann: das, was die massiv mit Steuermitteln, Ressourcen, Manpower und Kapital ausgestattet Wirtschaft nicht schafft, dass soll die einfache arbeitslose fünfzigjährige Bäckereifachverkäuferin als Alleinerziehende mit Hauptschulabschluss leisten: Arbeitsplätze aus dem Nichts erschaffen.

Ich habe mal geschaut, wie viele offene Stellen wir gerade haben: 626.808 sozialversicherungspflichtige Arbeitsstellen gäbe es da. Und wie viele Arbeitslose im gleichen Monat? 2.967.000. Schon mit einfachsten Kenntnissen in Mathematik könnte man sehen: das geht nicht auf. Es bleiben 2,3 Millionen Menschen übrig, für die gar keine Arbeit da ist – im besten Deutschland aller Zeiten, in denen Menschen an den Schalthebeln der Macht mit arbeitslosem Einkommen schnell zu Multimillionären werden.

Gut, mit den Millionären kann man leben – aber was ist mit den Kollateralschäden? Den Millionen, die beim besten Willen gar keine Arbeit bekommen können, aber jetzt schnurstracks in die Hartzhölle marschieren, von Parteien, Wirtschaftsverbänden, Politikern und Journalisten zu Parasiten erklärt, zu Sozialschmarotzern, Menschen ohne Anstand, Ethik und Würde, Existenzen, die nur Ballast sind in den Augen der edlen, guten Nettosteuerzahler? Ja, wir haben wieder Parias – die nur von Glück reden können, dass es Putin und Querdenker gibt: so verteilt sich der Hass etwas. Ein geimpfter Bürgergeldempfänger, der Russen töten will ist sicherlich besser als ein friedliebender Kritiker der Pharmazie, oder?

Was mich verunsichert, ist die Tatsache, dass diese einfache Mathematik den deutschen Bundestag massiv überfordert. Die denken wirklich: fünf Menschen auf einen Stuhl zu quetschen, geht. Und dabei ist noch gar nicht mal berücksichtigt, was das für offene Stellen sind. Softwareentwickler ist der gefragteste Beruf – das schafft locker jeder arbeitslose Fernfahrer mit Bandscheibenschaden.

Könnte man nicht einfach den Firmen Arbeitslose zuweisen, die sie zu beschäftigen haben, so wie man Arbeitslosen Arbeitsplätze zuweist? Hier, Porsche, hast Du den Dieter, 57, herzkrank. gehbehindert, Mittlere Reife mit Durchschnittsnote, 3,8: sieh zu, dass Du den beschäftigst! Sonst: Geldstrafe.

Kommt jedem irre vor, der Vorschlag, oder? Außer der Politik, denn bei Arbeitslosen soll das ja so funktionieren. Die schwächsten, ärmsten, ressourcenlosesten Wirtschaftselemente sollen hier Zauber wirken, die die großen Riesen nicht gestemmt kriegen. Völlig irre – aber im besten Deutschland aller Zeiten ganz normal.

Oder?

Ja, die Hälfte der Bürgergeldempfänger haben keinen deutschen Pass. Weiß ich selbst. Das sind aber auch sicher jene – vor allem, wenn sie aus gewisssen Ländern stammen – denen gar nichts gekürzt wird. Und zwei Millionen sind Kinder. Also: die Leistungsträger der Zukunft, wenn man sie nicht durch Einsortierung in eine Kaste der Unberührbaren noch vor der Geburt aussortieren würde.

Nun ja: den Irrsinn des Systems, dass Arbeitslose mit potentiell tödlicher Gewalt (JAHA: das sind Totalsanktionen nun mal. Potentiell tödliche Gewalt in Tateinheit mit unterlassener Hilfeleistung) Arbeit annehmen sollen, die gar nicht da ist, ertragen wir ja nun 21 Jahre lang. Und was ist das für ein Erfolg gewesen!

Die Zahl der Millionäre stieg durch die Zwangsbilligarbeiter enorm, ihre Vermögen auch! Das erlaubt Spenden an Parteien, von denen man zuvor nur träumen konnte! Gut, von den fünf Millionen Arbeitslosen sind immer noch fünf Millionen übrig, so grob gerechnet – aber die Methoden, sie im System zu verstecken, sind raffinierter geworden. Kosten viel Geld, diese unsinnigen Maßnahmen, aber: sie bereinigen die Statistik. Wer bei „Walk und talk“ spazieren geht, ist halt nicht mehr arbeitslos. Toll. Wer für viel Geld Puzzle sortiert, auch nicht.

Diese Informationen sind übrigens alle öffentlich zugänglich, bei der BA selbst. Und das die dummen, asozialen, kriminellen und faulen Hartzies alle auf unsere Kosten in Florida leben, dürfte wohl inzwischen jedem bekannt sein, oder?

Seltsamerweise kenne ich nicht einen, der seinen Job aufgegeben hat, um im gelobten Bürgergeldsystem wie die Made im Speck zu leben. Nicht einen. Dabei soll das doch so toll sein, sagen alle.

Ich sage lieber: alles irre hier. Irre, gemein, gefährlich, grausam und absolut unmenschlich und ungerecht.

Aber wie es aussieht, wollen wir ja so eine Gesellschaft. Und nennen das dann: das beste Deutschland aller Zeiten. Und wer das Gegenteil behauptet, bekommt bald Ärger für die Verbreitung von Falschinformationen.

Oder?

Wer übrigens meint: er sei Rentner und damit fein ´raus, den muss ich etwas beunruhigen. Studiere gelegentlich die Volksmeinung bei X … und da geraten Rentner zusehends in den Fokus, weil sie ein Drittel des Bundeshaushaltes verschlingen. Und sie sind ja auch irgendwo nur … Arbeitslose. Und was das bedeutet … siehe oben.

Der Eifelphilosoph


Antwort auf den Beitrag „Konzept: Vorschlagswesen + Punktevergabe“
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Von Redaktion

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