Begegnungen in Spanien

[Der Aufstand 52/24, Seite 5]

Begegnungen in Spanien

Seit 07. Dezember 2024 erfülle ich mir einen Traum und reise im Winter durch Spanien. Bis dahin fuhr ich zügig durch Frankreich. Einen kleinen Abstecher nach Cannes mußte für mich, als kleiner Filmemacher, sein.

Den ersten Rastplatz, an dem ich in Spanien ein paar Tage verweilte, er lag nördlich von Dénia ca. 90 km südlich von Valencia, erreichte ich am Abend im Dunkeln. Ich stand direkt am Strand und wurde 6 Tage lang mit dem Blick aufs Meer wach. Am Morgen nach meiner Ankunft sah ich ein Wohnmobil aus den Niederlanden. Wir kamen ins Gespräch bei dem ich ihm meinen Ausweis zeigte. Nick lachte und meinte, das Datum, mein Aufnahmetag bei UHMER, sei sein Geburtstag.

Familienvater Nick war mit 4 Kindern, alles Mädchen und Frau unterwegs. Kurz vor Weihnachten wollen sie aber nach Deutschland und den Niederlanden fliegen. Das ist von Spanien aus billiger als von Amsterdam. Sein Wohnmobil parkt er so lange bei Freunden in Malaga. Schnell waren wir beim alles überschattendem Thema, dem Krieg in der Ukraine. Der sei falsch, so Nick und er sei gegen die Lieferung von Waffen. Stattdessen solle man den Menschen in der Ukraine auf humanitäre Weise helfen. Er bemängelte, daß auch in den Niederlanden die Presse die Menschen von der Richtigkeit, Waffen zu liefern, überzeugen will. Die Menschen, Nick meint die TV-Macher und Politiker, sind verrückt. Es sei alles nur Propaganda, genau wie bei Corona, wo er und seine Familie sich nicht impfen ließen.

Auch die Flüchtlingsursachen sieht Nick in falschem Verhalten der niederländischen Regierung. Es seien keine politischen Gründe, sondern Finanzielle Anreize, die die Regierung setzt. „Hier habt ihr viel Geld, kommt her“, meinte Nick.

15.12.2024

Schon am Tag zuvor viel mir ein junger Mann auf, der mit seinem roten Renault Kangoo D65 neben mir hielt. Besonders die Holzkonstruktion auf dem Dach seines Autos. Sie sah aus wie ein auf dem Kopf liegender Schlitten. Was er damit macht konnte ich mir gestern noch nicht vorstellen. Heute sah ich es. Kluges Köpfchen, der junge Mann, denn diese Holzkonstruktion nutzt er um sein Boot vom Auto zu lassen und wieder heraufzuziehen. Mit meinen Fingern deutete ich auf meine Kamera und er nickte freundlich lächelnd.

Als er von seinem Segelausflug zurückkam, sprach ich ihn an. Er machte grad eine Pause, denn das Boot über den Strand zu ziehen scheint anstrengend zu sein. Eine Apfelsine schälend, bot er mir sofort auch eine an. Ich wollte nicht unhöflich sein und nahm sie an. Die Apfelsinen waren nicht aus seinem Garten, sondern von einem Freund. Sie schmecken herrlich. Wir kamen ins Gespräch. Für mich, ohne Fremdsprachenkenntnisse, nicht einfach.
Der junge Mann heißt Ernesto, ist 26 Jahre alt und nicht verheiratet. Aber eine Freundin hat er. Ernesto erlernt, bzw. übt hier das Segeln. Wenn er es besser kann, dann will er auch fischen. Aber nur privat, denn beruflich ist er Betonbauer für Skaterbahnen. In seinem Beruf, war er sogar bis Januar 2022 in der Ukraine tätig.

Was er zum Krieg in der Ukraine denke, wollte ich wissen
„Ich glaube, dass niemand mit gesundem Menschenverstand einen Krieg unterstützen kann, aber ich persönlich glaube nicht, dass es eine gute und eine schlechte Kluft gibt, sondern dass es nur Menschen gibt, die in einen Konflikt verwickelt sind, der durch wirtschaftliche Interessen verursacht wurde, wie in allen Ländern und Religionen in der Welt. Sie haben einige von ihnen davon überzeugt, dass sie für die Verteidigung einer Flagge kämpfen müssen. Wenn sie Krieg wollen, lassen Sie die Politiker kämpfen, aber nicht die Zivilisten.“

Das Leben in Spanien ist teuer, meinte er. Die Menschen verdienen hier zwischen 1000 € und 1500 €. Eine Wohnung in der Stadt kostet 800 € – 1000 €.

Da bleibt nicht viel zum Leben bei ebenfalls hohen Lebensmittelpreisen.

Auf meine Frage, ob man dann zwei Jobs hat, meinte er, die Leute leben lange bei ihren Eltern oder teilen sich eine Wohnung. Mit seinem Auto ist er sehr zufrieden. Aus dem Baujahr 1998 und mit gelegentlichen Reparaturen ist es unverwüstlich. Ernesto investierte beim Kauf des gebrauchten Autos lediglich 800,- €. Neue Autos, so meinte er, taugen nichts. Einmal etwas kaputt, dann gleich wegwerfen.

Ich wechselte nach ein paar Tagen meinen Stellplatz und fand einen im Zentrum von Dènia. Hier besuchte ich eine Bar unweit meines Standplatzes, für ein Glas Wein Es wurden aber drei Gläser dank einer netten und interessanten Unterhaltung. Ich bemerkte in der Bar, daß alle Gäste nur mit ihrem Handy beschäftigt waren, ich leider auch. Ich nahm mein Handy und öffnete die App eines Übersetzers. Tippte ein, daß es traurig ist, daß alle in der Bar nur auf ihr Handy schauen, statt sich miteinander zu unterhalten. Das zeigte ich meinem Nachbarn, einem jungen Mann, an der Bar. Er nickte und hob den Daumen nach oben. Das Eis war gebrochen.

Es ist seltsam, aber ich traf bisher immer auf besondere Menschen.

Der junge Mann neben mir, er heißt Nico, hat mal 2 Jahre in der Schule Deutsch gelernt, aber, wie er sagt, alles wieder vergessen. Na ja, alles nicht, wie sich herausstellte. Ein paar Brocken konnte er noch. Nico ist 21 Jahre und möchte Deutsch lernen. Ich fragte ihn warum, Deutschland mache sich doch mit seinen derzeitigen Politikern nur lächerlich?

Nico möchte Berlin sehen, am liebsten mit der weihnachtlichen Dekoration. Aber es stimmt, meint Nico, Deutschland macht derzeit viel Unsinn.

Ich sagte ihm, daß ich mal in der Schule Russisch gelernt habe, aber auch wieder alles vergessen hätte. Nico zeigte auf die nette, junge Bardame und meinte, das ist Maria, sie ist meine Freundin und sie spricht Russisch. Erstaunt fragte ich woher Maria Russisch kann. Ihre Mutter stammt aus einer Gegend der Ukraine, in der russisch gesprochen wird. Sofort viel mir der Donbass ein und ich fragte danach. Ja, meinte Nico. Da Maria aber in Spanien geboren wurde und wohl auch um die 20 Jahre ist, wollte ich wissen, warum ihre Mutter damals, lange vor dem Ukrainekrieg, nach Spanien ausgewandert ist. Nico sagte, es gab damals eine Krise in der Ukraine. Ja, meinte ich, der Zusammenbruch der Sowjetunion.

Nun waren wir beim Krieg in der Ukraine. Nico meint, an sich ist der Ukrainekrieg ein heikles Thema, und Putin sei dumm. Er würde aber Diplomatie einem weiter andauernden Krieg vorziehen.

Die spanische Regierung hat bis Anfang des Jahres auch Waffen geliefert, was er aber ablehnt. Jetzt, so Nico, wird angeblich humanitäre Hilfe geleistet. Also Lieferung von Zelten, Decken und Medikamenten zum Beispiel.

Ob es in Spanien eine Friedensbewegung gibt, wollte ich wissen und Nico zeigte mir sofort mehrere spanische Webseiten. Selbst hat er noch keinen Kontakt, kann sich aber vorstellen, diese Friedensbewegung zu unterstützen.

Zu seiner Zukunft befragt, meinte Nico, daß er mit einem Freund nach Alicante ziehen will. Warum mit einem Freund und nicht mit seiner Freundin, wollte ich wissen.

Nico möchte Pharmazie studieren und deshalb mit einem Freund nach Alicante ziehen. Zu zweit ist es in einer Wohnung billiger. Maria dagegen will nicht studieren. Sie möchte Tätowiererin werden. Der Job ist zwar nicht lukrativer als der an der Bar, aber es sind bessere Arbeitszeiten.

Im Moment ist Nico arbeitslos. Er hat zwar einen Job in einem Supermarkt, aber erst im Sommer, wenn die Touristen wieder kommen, werden alle gebraucht. Er lebt jetzt von seinen Ersparnissen des letzten Sommers.

Bei seinem Wunsch, Deutschland zu besuchen, will ich ihm gerne helfen und meine Wohnung, nur 80km westlich von Berlin gelegen, mit ihm und Maria teilen. Mir ist es ernst und ich hoffe Nico meldet sich im nächsten Jahr.

Peter Bergmann

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Von Redaktion

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