Ich muss ja mal über die regelbasierte Weltordnung nachdenken – und über Putin

Verhältnis der Weltgemeinschaft zu den 2022 von Russland als Staaten
anerkannten ukrainischen Oblasten, Quelle hier
[Der Aufstand 10/24, Seite 19]
 Sahra Müller

Ich muss ja mal über die regelbasierte Weltordnung nachdenken – und über Putin.

Der hat wohl auch das gleiche Problem wie ich und gedacht: was ist das wohl, diese Ordnung? Dann hat er einfach mal aus dem Fenster geschaut und gesehen, wie die anderen das so machen. Die USA zum Beispiel, die ja auch wirklich das große Pech haben, dass über ihren Millionen Jahre alten Bodenschätzen ganze Staaten gewachsen sind, die erstmal weg müssen. Und dann hat der Putin das so gesehen, auch mal ins Geschichtsbuch geschaut und gemerkt: die Regeln lauten – wer Kanonenboote, Bomber und Panzer hat kann sich nehmen was er will. Korea, Vietnam, Panama, Grenada, Iran, Chile, Argentinien, Libyen, Afghanistan, Irak – die Liste ist endlos. Auch wenn man im Ausland mal Leute hat, die man nicht mag: kein Problem: „Unter US-Präsident Barack Obama sind 542 Drohnen-Einsätze gegen mutmaßliche Terroristen bekannt; dabei kamen 3797 Menschen ums Leben, darunter 324 Zivilisten“. Das sind die Regeln – dafür gab es einen Friedensnobelpreis. Also dachte sich Putin: das mache ich auch mal so ein wenig. Für einen guten Zweck. Nur: er hat das Kleingedruckte nicht gelesen. Die Regeln gelten nur für arische Herrenmenschen, nicht für Slawen. Für die gelten andere Regeln. Welche, das kann man womöglich in Israel anschauen. Die haben ja jetzt auch einfach mal in eine unbewaffnete Menschenmenge geschossen. Haben sich wohl gedacht: was die Hamas darf, das dürfen wir auch. Oder wollten einfach mal wissen, wie das so ist. Damals wurde ja auch weltweit gefeiert, das jemand in Massen unbewaffnete Zivilisten erschießt – vor allem junge Leute. Gab sogar Süßigkeiten. Jetzt warten wohl die israelischen Soldaten auch auf die Süßigkeiten – weil die auch nicht begriffen haben, dass es Herrenmenschenregeln und Untermenschenregeln gibt. Untermenschen – die müssen ruhig und geordnet ins Gas gehen, sonst kriegt der Herrenmensch kognitive Dissonanz. Untermenschen haben auch gar keine Rechte, selbst wenn sie Panzer, Bomben und Kanonenboote haben. Herrenmenschen jedoch: die haben alle Rechte.

Natürlich ist das Rassismus. Jedenfalls klingt es so. Aber da Untermenschen gar keine Menschen sind, sondern eigentlich nur eine Art Vieh, ist es dann doch keiner.

Und es geht ja nicht nur um Rassen. Untermenschen können jetzt auch arisch aussehen: haben sie kein Mindestbarvermögen von einer Million auf dem Konto, sind sie nur Ballastexistenzen, Minderleister, Parasiten. Kann man im Kernland der Herrenmenschen – die mit den weltweit versteckten Bodenschätzen – gut sehen. Die haben übrigens in Syrien die Ölquellen besetzt und schaffen das Öl in den Irak. Hüpft da jemand gegen? Die bombardieren da auch lustig herum – interessiert keinen. Keine Demos, kein Aufschrei.

Ich weiß, dass ist ziemlich kompliziert. So ist zum Beispiel sogar ein russischer Milliardär mehr Mensch als ein hessischer Arbeitsloser: da muss man äußerst differenziert denken. Oder ein chinesischer Kommunist ist zwar in vielfacher Hinsicht Untermensch – aber eben deutlich über einem hungernden Amerikaner in der Kanalisation von New York anzusiedeln. „Ranking“ ist da das ganz entscheidende Wort, und das Ranking Putins ist halt weit unter dem Ranking Obamas, weshalb der weltweit Leute ermorden darf, Putin aber eben nicht. Nur der Herrenmensch darf sich ausleben, der Untermensch darf gehorchen – und wehe, er läßt sich nicht impfen: dann merkt man ganz schnell, dass auch im besten Deutschland aller Zeiten Freiheit nur noch ein Aufkleber auf der „real existierenden Demokratie“ ist – die ungefähr so demokratisch ist wie der real existierende Sozialismus sozialistisch war.

So, ich hoffe, dass ich jetzt dem Putin mal geholfen habe, die Welt zu verstehen. Ist ein wenig schwierig, aber wenn man die Grundprinzipien verstanden hat, kann man sich eigentlich relativ sicher durch das durchbewegen, was gerade gut oder böse ist. Oder?

Man kann es auch einfacher sagen: Untermenschen sind immer böse. Immer häßlich. Immer falsch. Immer überflüssig. Herrenmenschen jedoch: einfach wunderbar und zauberhaft und immer fehlerfrei.

Der Eifelphilosoph

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Von Redaktion

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