Wie christlich ist Weihnachten in der kapitalistischen Welt?

FAVELA
[Der Aufstand 52/23, Seite 7]

Wie christlich ist Weihnachten in der kapitalistischen Welt?

Zuhause zündet man in den nordeuropäischen Ländern seine Adventskerzen, mit dem Gedanken, dass ein besonderer Tag bevorsteht. Im Grunde ist es ein Brauch; ein Kultur Brauch. Man hat es von Kind an gelernt. Das Beisein von geliebten Menschen ist Eucharistie, vom Griechischen: Euraristós, zusammen und verbunden sein. Niemals hat Jesus, Jeshua gedacht, dass eines Tages sein Geburtstag gefeiert werden sollte, zumal wir in Wirklichkeit nicht wissen, wann er geboren wurde.

Eher war Christus‘ Wort, sofern von den Ideen etwas übrig geblieben ist, das Jesus sagte, eine Predigt von Liebe, Bescheidenheit und Demut. Jesus‘ Wut gegen die handelnden Pharisäer im Tempel scheint eines der authentischen Abbilder seiner Person zu sein. Wenn es in der Bibel, im ersten Testament andere Aussagen gibt, die aus der Torah stammen und über gewalt und Mord sprechen, kann als grosser Fehler derjenigen krichlichen Vorreiter gewesen sein, auch dies als heilig anzukündigen, und diese Entscheidung mag nur aus Begründung und Vorwand zu Benutzung von Gewalt mit dem Zweck der Macht gewesen sein. Jesus: „Mein Reich ist nicht von dieser Erde”. Jedoch zeigte Jesus stets ein Wort der Verständigung und der Liebe vor allem zu den Armen und Leidenden dieser Welt. Über Reichtum war der Mann eindeutig: Viel mehr Wert war die kleine Spende einer armen alten Frau als die goldene Münze eines reichen Mannes. Dieser war der Mann, der als Aufruhr stiftender galt und der mit Pontius Pilatus Latein sprach und sich vor dem mächtigen Militär nicht beugte, und dieser war der Mann, der eine Nute vor der Steinigung mit den weisen Worten rettete: Werfe den ersten Stein..!

Eine sich aufopfernde Person, nach altem Brauch und Kulturen der Antike, als damals zuerst Ziege und Lamm, dann junge Frauen und sogar Kinder die Kehle geschnitten wurden, hat Jesus selbst nicht gesehen. Tausende erlitten die Kreuzigung seiner Zeit unter den Römern, und es muss ihm klar gewesen sein, dass sein Schicksaal als Unruhestifter kein anderes sein könnte. Er war aber nur einer von vielen.

Ob man den rachsüchtigen Personen Gott ehrt oder daran glaubt, ist ein anderer Gegenstand. Dass sogar einige Menschen sich des gegenwärtigen Standes der Wissenschaft einen Nutzen machen wollen oder es versuchen so darzustellen, als gäbe es Vorbestimmung anhand von Prädeterminismus und dadurch einige Personen, Gruppen oder sogar Völker vorbestimmt sein könnten (siehe mein letzter Artikel: „Der Wille, das Wissen und die Hölle“, von 03.12.23), ist es wieder eine Anmaßung die anstelle der Religionen sich als “Wissenschaft” verkleiden mag. Es gründet sich nur auf spekulative Ideen, die versuchen, auf dem Boden von aktuellen Erkenntnissen der Astrophysik solche Ideen zu verkünden, als wenn es keine anderen gäbe, die genau in die andere Richtung gehen. Wissen, tun wir noch so wenig über das Geheimnis des Universums und seiner Existenz, dass gegenwärtig unser Wissen in vielerlei Hinsicht mehr verwirrend ist als je zuvor. Zwar sind wir aus der Ignoranz des Mittelalters herausgekommen, als fast alle noch dachten, dass die Erde platt ist und die Sonne sich um sie dreht; wir haben Medizin- und Biologiekenntnisse, die unser Leben im Durchschnitt wesentlich länger machen. Vor der Größe des Universums sind wir klein; in uns ist Mikro- und Makrokosmos, es ist unten wie oben.

Oliver Reiser, einen amerikanischen Philosoph (1895 – 1974) der in Ohio im Jahre 1822 graduierte, hat als sein bekanntestes Buch “ Kosmischer Humanismus und Welteinheit”, zu einer Zeit als wissenschaftliche Hoffnungen im Bereich der Physik entstanden, die Menschen würden in einer acht dimensionalen Welt leben und die Erde könnte durch die Menschen und die Evolution ein großes Welt-Bewusstsein erlangen. Die Argumente basierten auf hoch empirischen mathematischen Formulierungen, von denen einige heute als pseudowissenschaftliche Kenntnisse, andere jedoch heute noch als spekulative Richtungen der Philosophie in Verbindung zu Wissenschaft gelten. In diesem Sinne waren religiöse Vorstellungen einer Welteinheit möglich, durch die das Verständnis der gemeinsamen Zugehörigkeit eines Spezies und seine bewusste Verantwortung zur Erhaltung des Planeten grundlegend, wobei er auf individuelle Charaktereigenschaften pochte, die als Grundlage dazu dienen sollten. Der österreichische Physiker Fritjof Capra, der unter anderem noch im Jahre 1989 Titel wie “Das Tao de Physik” schrieb, ging auf diesem Pfad in die Richtung ökologischen Bewusstseins. Trotz eines anfänglichen Lobs für die Zeit von Calvino, der bewiesen eine religiöse Diktatur in Europa eingeführt hatte, waren seine Gedanken, die von Holismus oder einer holistischen Welt sprachen, ernstzunehmen. Nichts davon blieb in unserer gierigen liberalen kapitalistischen Gesellschaft übrig.

Große Genies der Kunst verstanden es, die Grösse des Ganzen gegenüber in großer Demut zu leben, wie Johann Sebastian Bach. In seinem Werk war die Größe da, die von einem normalen Menschen ausging, ohne dass er sich selbst für mehr als einen Handwerker verstand, was er wirklich war. Und das sind wir alle noch. In Gesellschaft zu leben heißt es, dass wir für die anderen was tun. In der Musik wie in der Malerei oder in der Literatur zeigt sich das Beispiel, weswegen diese Bereiche den Menschen per se mit all seinen Eigenschaften als Kultur und Tradition durch Kreativität darstellen. Johann Wolfgang von Goethe stellte den Brauch der rachsüchtigen Gewalt der Kirche und den Hexenhammer dar, wie Wilhelm Bosch die phantastischen Kreaturen zeigte, die unsere Phantasie des Bösen predigten, wegen denen der rachsüchtige Gott der uns dem Schicksaal unserer Dumhheit überlässt, bestraft. Wie arm sind wir, oder doch nicht? Dass Beethoven sagte, mein Wille auch geschehe, und sich der herrschenden Aristokratie als Erster nicht beugte, war neu. In seiner Musik war die Ganzheit der Natur da, ohne noch den Menschen einzubeziehen, was dann etwas später die Romantik tat, als die Kunst den Künstler und der Mensch selbst in der Mitte des Sturms miteinbezog. Beethoven verstand Napoleon nicht, als der französische General sich selbst krönte, als Absage an die Ideale der Republik, aber die Krone aus der Hand des Vertreter des Papstes riss, und damit angedeutet: hier habt Ihr nichts mehr zu sagen!

Napoleon Bonaparte emanzipierte Völker die schon längst einen grossen Einfluss in der europäischen wie in der amerikanischen Gesellschaft hatten (Quelle: Götz Aly; Warum die Deutschen, Warum die Juden, bei Fischer Verlag), brauchte für seine Arméen finanzielle Unterstützung, wurde später durch die Handelsabkommen zwischen England und Russland verraten, wegen dem er das militärische Desaster in Russland anfing. Im neulichen Hollywood-Film über Napoleon wird verschwiegen, dass er vor der Schlacht von Leipzig Friedensangebote an England, Österreich und Preußen machte, und sogar dass es diese Schlacht noch vor Waterloo gegeben hat. Auf der Seite der üblichen Menschen wollten die Finanzgeier der Welt nie zu lange stehen. Da war die Aristokratie stets beliebte Parität.

Mit neutralem Auge betrachtet, erging Napoleon Bonaparte der Fehler, den die meisten Despoten erleben, wenn sie ihre Ideale vergessen, indem er seine Macht zu erzwingen versuchte, was Ideale in Willkür verwandelt. Das Ideal der Republik blieb, das an sich der Anschluss von verschiedenen Teilen eines Landes als Föderation vereint. Das hegemoniale Bestreben einer Nation über andere war dabei der größte Fehler, und diesem wird es stets einer oder einige geben, die sich gerechterweise widersetzen, ob sie demokratisch, republikanisch oder etwas anderes sind. Nachdem Napoleon die schlichten Menschen um sich versammelte, die auch von Robespiérres Diktatur ermüdet waren, der wieder rum “für die Republik” mordete, vereinte er Enttäuschte und Hoffnungen. Das galt höchstwahrscheinlich für Frankreich nur, jedoch galt es auch darum, England aus Südfrankreich zu vertreiben.

Der Mob, die einfachen! Sie sind oft dumm und ungebildet. In vielen Gebieten der Welt muss es so bleiben. Sie müssen manövriert werden. Eigenständig denken und bei freiem Willen bewusst entscheiden sollten sie nicht, und diejenigen, die es aus irgendeinem Grund schaffen und aus der Reihe geraten, sollen geohrfeigt werden und ruhig sein. Von christlich, scheint zu sein, dass nicht viel dabei ist. Länder, die auf Charakter bestehen, was eigene Tradition und Kultur bedeutet, wenn sie sagen, sie sind eine Nation, werden nicht toleriert, denn sie müssen sich fügen.Tschaikowsky, Shostakovich, auch Wagner, Villa-Lobos, sind Träger verschiedener Kulturen, die Anrecht auf eigene Existenz besitzen.

Selbst entscheiden, Charakter besitzen, ist gefährlich; es hat zwei scharfe Seiten, wie manches Messer. Selbst denken, was soll das heißen?! Hierzu sollte Kants kategorischer imperativ gelten; meine Freiheit endet da, wo die Freiheit des anderen anfängt.

Längst sind die Freiheiten des anderen durch mediale Verdrehungen von Informationen, der Benutzung von Emotionen und Gefühle aller Art, von Komplexen, die die Psyche mit Ängsten belasten, verwehrt. Es ist bewusst und klar, dass wir alle auf Informationen von anderen angewiesen sind, wie damals der pre – historische Sapiens auf den ihm nahestehenden Jäger war. Er könnte jedoch lügen, um Vorteile für sich zu erringen. Wir werden betrogen mit Weihnachten, wenn es um Kommerz geht, hinter dem Profit steht, zuerst Unternehmen, die eine Berechtigung ihrer Existenz besitzen, wenn sie Arbeit verschaffen. Hinter ihnen stehen Banken, die auf diesen Profit gierig sind und auch noch berechtigt sind, sofern sie wieder in andere Unternehmen investieren. Es ist inzwischen jedoch so, dass einige wenige immer reicher werden. Sie verdienen an Ausbeutung und Kriege.

Das kapitalistische Eigentum scheint sich in Leibeigenschaft zu verwandeln. Armer Jesu, wenn er jetzt leben und sehen würde, was aus seinen simplen Worten von globalen Pharisäer gemacht worden ist! Ja, Auge um Auge, Zahn um Zahn, aber auch die andere Wange zeigen, was nun?

Ich sehe heute noch vor meinen Augen den kleinen dürren Jungen, vielleicht sieben oder acht Jahre alt, der in einer Hütte mit Fußboden aus Erde mit seiner Mutter lebte, die meine Mutter zu meinem Geburtstag zusammen mit anderen Kindern einladen ließ, der zufällig auch zu Weihnachten ist.

Sie waren fast alle sehr arm. Viele liefen barfuß. Er aber steckte den Finger in die Kehle, nachdem er so viel Kuchen gegessen hatte, um wieder essen zu können, denn ein gutes Stück Kuchen hatte er noch nie gesehen. Kurz danach wurde die Hütte vom Bergabhang abgerissen und die Elenden davon vertrieben. Inzwischen ist er nach so langer Zeit höchstwahrscheinlich tot. So lange leben die Elenden nicht.

“Lass mich weniger erhalten, als geben: lass mich weniger verstehen, als verstanden werden”, hieß es in Franziskus‘ Predigt. Schwierige Aufgabe.

Jesus, das ist nur ein nützlicher Betrug von globalen Pharisäern, die predigen, dass so ein Kind selbst schuldig von seiner miserablen Existenz ist und dafür muss es leiden. Sich selbst retten konnte er nicht, und den lieben Gott im Himmel interessierte es nicht. Eigentum sind Menschen in der Hand anderer Menschen. Sie sollen für wenige Nutzer leben und sterben, und während sie nicht zu den Waffen greifen, sollen sie kaufen, oft sogar, wozu sie nur knapp was haben und sich dann verschulden, was noch lieber ist. Die Wirtschaft muss man ankurbeln und dafür mehr besitzen als andere, denn das verschafft den meisten erreichbaren Besitz und Glück, während sie davon träumen, auch mal so viel anzueignen wie sie selbst nicht benutzen oder essen können.

Besitzen dürfen die Millionen die Schiller in der “Ode an die Freude” hervorrief und heutige Milliarden sind, weder Dach und noch umso weniger Frieden, durch den Drang des Kaufs, denn wer mehr kauft, der ist mehr Wert, der nichts hat und besitzt, ist nichts.

Noel Nascimento-Filho
Studierte Musik an der Hochschule der Künste Berlin und an der Westfälischen Hochschule für Musik der Universität Münster. Wirkte in Brasilien auch als Dozent und Kunst, Kultur und Literaturkritiker. Lebt zur Zeit in Curitiba Brasilien.

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Von Redaktion

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