Kommentare zu „ABC des Anarchismus“ aus „Free21“
ABC des Anarchismus – Teil 1
Free21 stellt in unregelmäßiger Reihenfolge Text vor, die nicht real-existierende Gesellschaftsentwürfe beschreiben, als Anregung zum Denken. Dieser Text von Alexander Berkman, der 1929 in englischer Sprache erschien, stammt von einem der bedeutendsten Theoretiker des Anarchismus, der heute fast in Vergessenheit geraten ist. Sein Text war und ist eine ausgezeichnete Einführung in die Vorstellungswelt der Anarchisten. Er zeichnet sich durch ihre klare, einfache und leicht verständliche Sprache aus. Einen Ausschnitt dieser lesenswerten Schrift stellt Free21 in zwei Teilen vor. Vorschläge für die Rubrik Utopie sind willkommen!
Published On: 10. August 2023
Kategorien: Utopie
Dieser Text wurde zuerst auf www.anarchismus.at unter der URL <https://www.anarchismus.at/anarchistische-klassiker/alexander-berkman/83-alexander-berkman-abc-des-anarchismus> veröffentlicht. Lizenz: anarchismus.at, CC BY-NC-SA 3.0 DE
Hier als Serie eingereicht und mit Kommentaren versehen von J.M.Hacbarth.
Der Teil 1 von „Free21“wurde hier wegen seiner Größe in einem Teil 1.1 und einen Teil 1.2 zerlegt wegen. Das ist hier der
Teil 1.1:
Einführung
Ich möchte Ihnen etwas über Anarchismus erzählen. Ich möchte Ihnen sagen, was Anarchismus ist, denn ich glaube, es ist gut, wenn Sie es wissen. Auch deswegen weil so wenig darüber bekannt ist und das, was man im allgemeinen durch Hörensagen weiß meistens falsch ist. Ich möchte Ihnen darüber erzählen, weil ich glaube, dass Anarchismus die schönste und größte Sache ist, die Menschen je erdacht haben; er allein kann Ihnen Freiheit und Wohlstand geben und Frieden und Freude für die Welt bringen.
Ich möchte Ihnen darüber in so einfacher und schlichter Sprache erzählen, dass es keine Missverständnisse geben kann. Große Worte und hochtrabende Sätze verwirren nur. Unkompliziertes Denken verlangt eine einfache Sprache. Aber bevor ich Ihnen erzähle, was Anarchismus ist, möchte ich Ihnen sagen, was er nicht ist. Das ist erforderlich, weil so viele Lügen über den Anarchismus verbreitet worden sind. Sogar intelligente Menschen haben oft völlig falsche Vorstellungen. Manche Leute reden über Anarchismus, ohne auch nur das Geringste darüber zu wissen. Und manche verbreiten Lügen über den Anarchismus, weil sie nicht wollen, dass Sie die Wahrheit darüber erfahren.
Der Anarchismus hat viele Feinde, die natürlich die Wahrheit verschweigen werden. Warum der Anarchismus Feinde hat, und wer sie sind, werden Sie später in diesem Buche erfahren. Ich kann Ihnen aber schon jetzt sagen, dass weder Ihr politischer Führer noch Ihr Arbeitgeber, weder der Kapitalist noch der Polizist aufrichtig mit Ihnen über den Anarchismus sprechen werden. Die meisten von ihnen wissen auch nichts über ihn, aber alle hassen ihn. Ihre Zeitungen und Publikationsorgane – die kapitalistische Presse – sind ebenfalls gegen ihn. Selbst die meisten Sozialisten und Bolschewisten stellten ihn falsch dar. Es ist allerdings wahr, dass die Mehrheit unter ihnen es auch nicht besser weiß. Aber die, die es besser wissen, sagen oft nicht die Wahrheit und setzen Anarchismus mit Aufruhr und Chaos gleich. Sehen Sie selbst, wie unredlich viele in diesem Punkt sind: Die größten Lehrer des Sozialismus – Karl Marx und Friedrich Engels – haben gelehrt, dass der Anarchismus aus dem Sozialismus hervorgeht. Sie sagten, dass erst der Sozialismus kommen muss, aber dass auf den Sozialismus der Anarchismus folgen wird und dass dieser für die menschliche Gesellschaft eine noch freiere und bessere Lebensform darstelle als der Sozialismus. Die Sozialisten, die auf Marx und Engels schwören, beschimpfen den Anarchismus beharrlich als „Chaos und Aufruhr“, all dies zeigt Ihnen, wie ignorant und unredlich sie sind.
Er bedeutet nicht Bomben, Aufruhr oder Chaos. Er bedeutet nicht Raub und Mord. Er bedeutet nicht einen Krieg jeder gegen jeden. Er bedeutet nicht eine Rückkehr zur Barbarei oder in die Anfänge der Menschheit. Anarchismus ist das genaue Gegenteil all dessen. Anarchismus heißt, dass Sie frei sein werden; dass niemand Sie versklaven, Sie herumkommandieren, Sie berauben oder missbrauchen wird. Das bedeutet, dass Sie die Freiheit haben werden, das zu tun, was Sie wollen, und dass Sie nicht gezwungen werden, etwas gegen Ihren Willen zu tun. Das bedeutet, dass Sie die Möglichkeit haben, ohne Einmischung anderer so leben zu können, wie Sie es wünschen.
Das bedeutet, dass Ihr Nachbar die gleiche Freiheit hat wie Sie, dass jeder dieselben Rechte und Freiheiten besitzen wird. Das bedeutet, dass alle Menschen Brüder sind und wie Brüder in Frieden und Harmonie leben werden. Das heißt, dass es keine Kriege geben wird und keine Gewaltanwendung einer Gruppe gegen die andere, kein Monopol, keine Armut, keine Unterdrückung und kein Ausnutzen des Mitmenschen. Kurz gesagt: Anarchismus heißt die Gesellschaftsform, in der alle Männer und Frauen frei sind und in der alle die Vorteile eines geregelten und sinnvollen Lebens genießen. „Ist das überhaupt möglich?“ fragen Sie. „und wie?“ „Nicht bevor wir alle Engel werden“, bemerkt Ihr Freund.
Also sprechen wir es durch! Vielleicht kann ich Ihnen zeigen, dass wir vernünftig sein und wie anständige Leute leben können, ohne dass uns Flügel wachsen müssen. Die Bolschewisten tun dasselbe, obwohl ihr größter Lehrer, Lenin, gesagt hat, dass auf den Bolschewismus der Anarchismus folgen und dass man dann besser und freier leben wird. Darum muss ich Ihnen erst einmal sagen, was Anarchismus auf keinen Fall bedeutet.
Bedeutet Anarchismus Gewaltanwendung?
Sie haben sicherlich gehört, dass Anarchisten Bomben werfen, dass sie an Gewalt glauben und dass die Anarchie Aufruhr und Chaos bedeutet. Es ist nicht überraschend, wenn Sie so denken sollten. Die Presse, die Kirche und jede andere Autorität hämmern es Ihnen ständig ein. Aber die meisten dieser Institutionen wissen es besser, und sie haben Grund Ihnen nicht die Wahrheit zu sagen. Es wird Zeit, dass Sie diese hören. Ich habe die Absicht, mit Ihnen offen und ehrlich zu sprechen, und Sie können mich beim Wort nehmen, denn ich bin zufällig einer jener Anarchisten, die als gewalttätig und zerstörerisch gelten. Ich müsste darüber Bescheid wissen und habe auch keinen Grund etwas zu verbergen.
„Bedeutet Anarchismus nun wirklich Aufruhr und Gewalt?“ fragen Sie. „Nein, mein Freund. Es ist der Kapitalismus und die Regierung, die Unruhe und Gewalt erzeugen: Anarchismus ist das genaue Gegenteil, er ist für Ordnung ohne Regierung und für Frieden ohne Gewalt. „Aber ist so etwas möglich?“ wenden Sie ein. Genau darüber wollen wir sprechen. Aber zuerst wird Ihr Freund wissen wollen, ob Anarchisten nie Bomben geworfen oder Gewalt angewandt haben. Ja, Anarchisten haben Bomben geworfen und manchmal Gewalt angewendet „Na, siehst!“ wird Ihr Freund ausrufen. „Das dachte ich mir.“ Aber lassen Sie uns nicht voreilig sein. Wenn die Anarchisten manchmal Gewalt angewendet haben, heißt das dann unbedingt, dass Anarchismus Gewalt bedeuten muss? Stellen Sie sich selbst diese Frage und versuchen Sie, sie ehrlich zu beantworten.
Wenn ein Bürger eine Soldatenuniform anzieht, dann muss er vielleicht Bomben werfen und Gewalt anwenden. Würden Sie dann sagen, dass Bürgertum für Bomben und Gewalt steht? Diese Unterstellung würden Sie entrüstet von sich weisen. Das heißt, werden Sie antworten, dass ein Mensch unter bestimmten Bedingungen eventuell Gewalt anwenden muss. Dieser Mensch könnte ein Demokrat, ein Monarchist, ein Sozialist, Bolschewist oder Anarchist sein. Sie würden der Meinung sein, dass dieses für alle Menschen und alle Zeiten zutrifft. Brutus tötete Cäsar, weil er befürchtete, sein Freund hätte die Absicht, die Republik zu verraten und König zu werden; nicht darum, weil Brutus „Cäsar nicht liebte, sondern er Rom mehr liebte“. Brutus war kein Anarchist. Er war ein loyaler Republikaner.
Wilhelm Tell, berichtet die Volkskunde, erschoss den Tyrannen, um sein Land von der Unterdrückung zu befreien. Tell hatte nie etwas über Anarchismus gehört. Ich erwähne diese Ereignisse, um auf die Tatsache hinzuweisen, dass seit Urzeiten das Schicksal Despoten in Form einer Gewalttat freiheitsliebender Menschen ereilte, die gegen die Tyrannei rebellierten. Im allgemeinen waren die Attentäter Patrioten, Demokraten oder Republikaner, manchmal Sozialisten oder Anarchisten. Ihre Taten waren eine individuelle Rebellion gegen Unrecht und Ungerechtigkeit. Anarchismus hat damit nichts zu tun.
Es gab Zeiten im alten Griechenland, in denen das Töten eines Despoten als höchste Tugend galt. Das moderne Recht verurteilt solche Taten, aber das menschliche Gefühl scheint sich in dieser Beziehung von früher nicht zu unterscheiden. Das Gewissen der Welt empört sich nicht über Tyrannenmorde. Auch wenn sie öffentlich nicht gebilligt werden, so verzeiht doch die Menschheit im Herzen solche Taten und ist oft insgeheim darüber erfreut. Gab es nicht tausende patriotischer Jugendliche in Amerika, die bereit waren, den deutschen Kaiser zu ermorden, den sie für den Beginn des Ersten Weltkrieges verantwortlich machten? Hat das französische Gericht nicht erst vor kurzem den Mann freigelassen, der Petljura tötete, um Tausende von Männern, Frauen und Kindern zu rächen, die bei Petljuras Judenverfolgungen in Südrussland ermordet wurden?
In jedem Land und zu allen Zeiten hat es schon Tyrannenmorde gegeben; das heißt Männer und Frauen liebten ihr Land so sehr, dass sie bereit waren, ihr Leben dafür zu opfern. Meistens waren es Menschen, die keiner politischen Partei oder Idee anhingen, sondern nur die Tyrannei hassten. Gelegentlich waren es religiöse Fanatiker wie der fromme Katholik Kullmann, der Bismarck zu töten versuchte, oder wie die irregeleitete Schwärmerin Charlotte Corday, die während der französischen Revolution Marat tötete. In den Vereinigten Staaten wurden drei Präsidenten von Einzelgängern ermordet. Lincoln wurde l865 von John Wilkes Booth, einem Demokraten aus den Südstaaten, erschossen; Garfield im Jahre 1888 von dem Republikaner Charles Jules Cuiteau; und McKinley im Jahre 1901 von Leon Czolgosz. Nur einer der drei war Anarchist.
Es ist nur natürlich, dass das Land mit den schlimmsten Tyrannen auch die größte Anzahl von Tyrannenmorden aufweist. Nehmen Sie z. B. Russland. Wegen der totalen Unterdrückung der Redefreiheit und der Presse unter den Zaren konnte das despotische Regime nicht anders gemildert werden, als dass dem Tyrannen „die Furcht vor Gott“ eingejagt wurde. Jene Rächer waren meistens Söhne des Hochadels, idealistische Jugendliche, die die Freiheit und das Volk liebten. Da alle anderen Wege versperrt waren, sahen sie sich gezwungen, zu Pistole und Dynamit Zuflucht zu nehmen, mit der Hoffnung, dadurch die miserablen Zustände in ihrem Land zu mildern. Sie waren bekannt als Nihilisten und Terroristen. Sie waren keine Anarchisten.
In modernen Zeiten sind individuell ausgeführte politische Gewalttaten häufiger als in der Vergangenheit. Die Suffragetten in England haben oft darauf zurückgegriffen, um ihre Forderungen nach Gleichberechtigung zu propagieren und durchzusetzen. Seit Ende des Krieges haben in Deutschland Männer mit sehr konservativen Ansichten mit Hilfe solcher Methoden gehofft, die Monarchie wieder einführen zu können. Ein Monarchist hat Karl Erzberger, den preußischen Finanzminister ermordet; auch der Außenminister Walter Rathenau wurde von einem Mann derselben politischen Partei umgebracht.
Die Tat eines serbischen Patrioten, der noch nie etwas von Anarchismus gehört hatte, nämlich die Ermordung des österreichischen Thronfolgers war der eigentliche Grund oder zumindest eine Entschuldigung für den Eintritt in den Weltkrieg. In Deutschland, Ungarn, Spanien, Frankreich, Italien, Portugal und in jedem anderen europäischen Land haben Männer unterschiedlichster politischer Richtungen auf Gewalt zurückgegriffen, ganz zu schweigen von dem politischen Massenterror, der von organisierten Gruppen wie den Faschisten in Italien, dem Ku Klux Klan in Amerika oder der katholischen Kirche in Mexiko praktiziert wird.
Sie sehen also, dass das Monopol der politischen Gewaltanwendung nicht bei den Anarchisten liegt. Der Anteil, der von Anarchisten begangenen Gewalttaten ist vergleichsweise winzig gegenüber dem von Leuten anderer politischer Richtungen. Die Wahrheit ist, dass Gewaltanwendungen seit undenkbaren Zeiten in allen Ländern und in jeder sozialen Bewegung ein Teil des Kampfes gewesen ist. Selbst der Nazarener, der gekommen war, um das Evangelium des Friedens zu predigen, vertrieb die Geldwechsler gewaltsam aus dem Tempel. Wie ich schon sagte, besitzen die Anarchisten nicht das Monopol für Gewalt. Der Anarchismus lehrt im Gegenteil Frieden und Harmonie, Nichteinmischung und Unantastbarkeit des Lebens und der Freiheit. Anarchisten sind ebenso menschlich wie der Rest der Menschheit, vielleicht sogar mehr. Sie empfinden Unrecht und Ungerechtigkeit stärker, entrüsten sich schneller über Unterdrückung und daher ist es zuweilen nicht ausgeschlossen, dass sie in Form einer Gewalttat protestieren. Solche Taten sind aber Ausdruck eines individuellen Temperaments und nicht einer bestimmten Theorie.
Sie werden vielleicht fragen, ob das Festhalten an revolutionären Ideen Menschen nicht zwangsläufig zu Gewalttätigkeit führt. Ich glaube das nicht, denn wir haben gesehen, dass Methoden der Gewalt auch von Leuten mit sehr konservativen Ansichten angewandt worden sind. Wenn Menschen mit genau entgegengesetzten politischen Ansichten in gleicher Weise handeln, dann ist es wenig überzeugend, wenn man Ideen für diese Taten verantwortlich macht.
Gleiche Resultate haben die gleiche Ursache aber man darf diese Ursache sicherlich nicht in den politischen Überzeugungen suchen, sondern eher im individuellen Temperament und im allgemeinen Verhältnis zur Gewalt. „Sie mögen recht haben, was das Temperament betrifft“, sagen Sie. „Es leuchtet mir ein, dass revolutionäre Ideen nicht die Ursache für politische Gewalttaten sind, sonst müsste jeder Revolutionär solche Taten begehen. Aber rechtfertigen diese Ansichten teilweise nicht jene, die solche Taten ausführen?“ Auf den ersten Blick mag es so aussehen. Aber wenn Sie genau darüber nachdenken, dann werden Sie feststellen, dass dieser Gedanke völlig falsch ist. Der beste Beweis dafür ist, dass Anarchisten, die die gleiche Meinung über Regierung und die Notwendigkeit ihrer Abschaffung haben, in der Frage der Gewaltanwendung oft völlig uneinig sind. So verurteilen die auf Tolstoi zurückgehenden Anarchisten und die meisten individualistisch eingestellten Anarchisten politische Gewaltanwendung, während andere Anarchisten sie billigen oder zumindest rechtfertigen.
Darüber hinaus haben viele Anarchisten, die einst an die Gewalt als Propagandamittel glaubten, ihre Meinung geändert und unterstützen diese Methoden nicht mehr. Es gab beispielsweise eine Zeit, in der die Anarchisten individuelle Gewalttaten, bekannt als „Propaganda der Tat“, befürworteten. Sie erwarteten weder, dass Regierung und Kapitalismus durch solche Taten zum Anarchismus bekehrt würden, noch glaubten sie, dass die Beseitigung eines Despoten den Despotismus abschaffen würde. Nein, der Terrorismus wurde als ein Mittel angesehen, das allgemeines Unrecht rächt, dem Feind Angst einflößt und die Aufmerksamkeit auf das Übel lenkt, gegen das der Terrorakt gerichtet war. Doch die meisten Anarchisten glauben heute nicht an die „Propaganda der Tat“ und unterstützen Handlungen dieser Art nicht.
Die Erfahrung hat sie gelehrt, dass mögen diese Methoden in der Vergangenheit vielleicht auch gerechtfertigt und nützlich gewesen sein, sie unter den heutigen Bedingungen unnötig und für die Verbreitung ihrer Ideen sogar schädlich sind. Da aber ihre Ideen dieselben geblieben sind, heißt das, dass nicht der Anarchismus ihre Einstellung zur Gewalt formte. Das beweist, dass nicht bestimmte Ideen oder „Theorien“ zur Gewalt führen, sondern dass andere Prozesse sie mit sich bringen.
Wir müssen darum an anderer Stelle suchen, um die richtige Erklärung zu finden. Wie wir gesehen haben, wurden politische Gewaltakte nicht nur von Anarchisten, Sozialisten und Revolutionären jeder Schattierung begangen, sondern auch von Patrioten und Nationalisten, von Demokraten und Republikanern, von Suffragetten, von Konservativen und Reaktionären, von Monarchisten und Royalisten und sogar von religiösen Eiferern und frommen Christen.
Wir wissen jetzt, dass nicht eine bestimmte Idee oder „Ismen“ sie zu ihren Handlungen veranlasst hat, denn die unterschiedlichsten Ideen und „Ismen“ haben dieselben Taten hervorgebracht. Als Grund habe ich das individuelle Temperament und das allgemeine Verhältnis zur Gewalt angegeben.
Hier ist der springende Punkt. Wie ist das allgemeine Verhältnis zur Gewalt? Wir werden die Sache nur verstehen, wenn wir diese Frage korrekt beantworten können. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass jeder von uns an Gewalt glaubt und sie auch praktiziert, wenngleich er sie bei anderen auch verurteilen mag. In der Tat basieren sämtliche von uns unterstützten Institutionen und das gesamte Leben der gegenwärtigen Gesellschaft auf Gewalt. Was ist das, was wir Regierung nennen? Ist sie etwas anderes als organisierte Gewalt? Das Gesetz schreibt Ihnen vor, was Sie zu tun oder Sie nicht zu tun haben, und wenn Sie ihm nicht gehorchen, dann werden Sie mit Gewalt dazu gezwungen. Wir diskutieren jetzt nicht, ob es richtig oder falsch ist, ob es so oder nicht so sein sollte. Im Augenblick interessiert uns nur die Tatsache, dass es so ist, dass letzten Endes jede Regierung, alle Gesetze und jede Autorität auf Zwang und Gewalt, auf Bestrafung oder Angst vor Bestrafung beruhen. Sogar die geistige Autorität wie die Amtsgerichte der Kirche und die Autorität Gottes beruhen auf Zwang und Gewalt, denn es ist die Furcht vor Gottes Zorn und Strafe, die Macht auf Sie ausübt, Sie zu Gehorsam und an Dinge zu glauben zwingt, von denen Sie nicht überzeugt sind.
Wohin Sie auch blicken, Sie werden feststellen, dass unser gesamtes Leben auf Gewalt oder der Angst davor aufgebaut ist. Von frühester Kindheit an sind Sie der Gewalt der Eltern oder der Erwachsenen ausgesetzt. Zu Hause, in der Schule, im Büro, in der Fabrik, auf dem Feld oder in der Werkstatt haben Sie immer jemandem gehorsam zu sein, und seine Autorität zwingt Sie, seinen Willen auszuführen. Das Recht, Sie zu zwingen, nennt man Autorität. Angst vor Bestrafung wurde zur Pflicht gemacht und heißt Gehorsam. In dieser Atmosphäre des Zwangs und der Gewalt, der Autorität und des Gehorsams, der Pflicht, Angst und Bestrafung wachsen wir alle auf; wir atmen sie unser ganzes Leben lang ein. Wir sind derart durchtränkt mit dem Geist der Gewalt, dass wir nie innehalten und fragen, ob Gewalt richtig oder falsch ist. Wir fragen nur, ob sie legal ist und ob das Gesetz sie zulässt.
Sie stellen das Recht der Regierung zu töten, zu beschlagnahmen und einzusperren nicht in Frage. Wenn eine Privatperson und nicht die Regierung sich der Dinge schuldig machen würde, so würden Sie diese als Mörder, Dieb und Schurken anprangern. Aber solange die verübte Gewalt „gesetzlich“ ist, billigen Sie sie und unterwerfen sich ihr. Also protestieren Sie in Wirklichkeit nicht gegen die Gewalt, sondern gegen Leute, die Gewalt „ungesetzlich“ anwenden.
Diese erlaubte Gewalt und die Angst vor ihr beherrschen unsere gesamte individuelle und kollektive Existenz. Autorität kontrolliert unser Leben von der Wiege bis zum Grab – elterliche, priesterliche und göttliche, politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und moralische Autorität. Welchen Charakter die Autorität auch haben mag, immer derselbe Vollstrecker übt Macht über Sie mittels Angst vor Bestrafung in dieser oder jener Form aus. Sie haben Angst vor Gott und dem Teufel, vor dem Priester und dem Nachbarn, vor Ihrem Arbeitgeber und Vorgesetzten, vor dem Politiker und dem Polizisten, dem Richter und dem Gefängniswärter, vor dem Gesetz und vor der Regierung. Ihr ganzes Leben besteht aus einer langen Kette von Ängsten – Ängsten, die ihren Körper quälen und Ihre Seele zerreißen. Auf diesen Ängsten beruht die Autorität Gottes, der Kirche, der Eltern, der Kapitalisten und der Herrscher. Gehen Sie in sich und prüfen Sie, ob ich die Unwahrheit sage. Wie sollte es sonst möglich sein, dass sogar unter Kindern der zehnjährige Jonny seine jüngeren Geschwister dank seiner größeren physischen Kraft herumkommandiert, genauso, wie Jonnys Vater ihn wiederum auf Grund seiner größeren Kraft und wegen Jonnys Abhängigkeit bezüglich des Unterhalts herumkommandiert. Sie bestehen auf der Autorität der Priester und Prediger, da Sie glauben, dass diese „den Zorn Gottes auf Ihr Haupt lenken“ können. Sie fügen sich dem Willen des Vorgesetzten, des Richters und der Regierung, da diese die Macht haben, Ihnen Ihre Arbeit zu nehmen, Ihr Geschäft zu ruinieren, Sie ins Gefängnis zu werfen – eine Macht übrigens, die Sie Ihnen selbst gegeben haben.
Auf diese Weise regiert Autorität Ihr gesamtes Leben – die Autorität der Vergangenheit und der Gegenwart, der Toten und der Lebenden – und ihr Leben ist dauernder Angriff und Verletzung Ihrer Persönlichkeit, ständige Unterwerfung der Meinung und dem Verlangen anderer.
Sie rächen sich an anderen, über die Sie Herrschaft oder auf die Sie physischen oder moralischen Zwang ausüben können, indem Sie Ihnen Gewalt antun, und sie verletzen genauso wie man mit Ihnen verfährt. Auf diese Weise ist Leben ein scheußliches Flickenmuster aus Autorität, Herrschaft und Ergebenheit, Befehl und Gehorsam, Zwang und Unterwerfung, Herrschen und Beherrschen, Gewalt und Macht in tausend und einer Gestalt geworden. Wundert es Sie da noch, dass sogar Idealisten in dem Netz dieser Gedankenwelt von Autorität und Gewalt gefangen sind und oft durch ihre Gefühle und die Umwelt zu feindlichen Handlungen getrieben werden, die völlig im Widerspruch zu ihren Ideen stehen?
Wir sind immer noch Barbaren, die auf Macht und Gewalt zurückgreifen, um die eigenen Schulden, Schwierigkeiten und Probleme zu bereinigen. Gewalt ist die Methode der Unwissenheit, die Waffe der Schwachen. Diejenigen, die viel menschliche Güte und Verstand besitzen, haben keine Gewalt nötig, da sie unwiderstehlich sind aufgrund ihrer Überzeugung richtig zu handeln. Je weiter wir uns vom Urmenschen und vom Zeitalter des Handbeils entfernen, desto weniger werden wir auf Macht und Gewalt zurückgreifen. Je aufgeklärter der Mensch wird, desto weniger wird er Druck und Zwang ausüben. Er wird sich aus dem Staub erheben und aufrecht stehen: Er wird sich vor keinem Zaren im Himmel oder auf der Erde verbeugen. Er wird erst dann vollkommen menschlich sein, wenn er zu herrschen verschmäht und sich weigert beherrscht zu werden. Er wird erst wirklich frei sein, wenn es keine Herren mehr gibt.
Anarchismus ist das Ideal eines solchen Zustands; einer Gesellschaft ohne Gewalt und Zwang, in der alle Menschen gleich sein und in Freiheit, Frieden und Harmonie leben werden. Das Wort Anarchie stammt aus dem Griechischen und bedeutet ohne Macht, ohne Gewalt oder Regierung, weil Regierung der Urquell für Gewalt, Einschränkung und Zwang ist. Anarchie*(=* Anarchie bezieht sich auf den Zustand. Anarchismus ist die Theorie oder Lehre darüber.) bedeutet daher nicht Aufruhr und Chaos, wie Sie anfangs dachten. Sie ist geradezu das Gegenteil davon: Sie bedeutet keine Regierung, also Freiheit und Unabhängigkeit. Aufruhr ist ein Produkt von Autorität und Zwang. Freiheit ist der Quell der Ordnung. „Eine sehr schöne Idee“, werden Sie sagen, „aber nur Engel sind dafür geschaffen“. Dann lassen Sie uns abwarten, ob wir uns die Flügel wachsen lassen können, die wir für diese ideale Gesellschaftsform brauchen.
ENDE Teil 1.1
Kommentare von J.M.Hacbarth:
1. Zum Eröffnungstext von „Free21“
Ich kann die Einschätzung von „Free21“ nicht teilen, dass A.Bergmann mit diesem Buch eine „ausgezeichnete Einführung“ in den Anarchismus geschrieben hat, weil ein ABC des Anarchismus, indem man versucht Dogmen für den Anarchismus zu postulieren, schon im Ansatz der anarchistischen Idee widerspricht. Ich halte diese Schrift für hochgradig manipulativ und für einen Versuch, damals innerhalb der anarchistischen Strömungen die geistige Vorherrschaft übernehmen zu wollen.
Ich kenne nur einen anarchistischen Denker und Autoren, dem ich das Prädikat „Ausgezeichnet“ zugestehen würde und das ist Pjotr Alexejewitsch Kropotkin. Von seinen 11 sehr bekannten Schriften, empfehle ich besonders zwei als Grundlage für eine Debatte über anarchistische Positionen:
1. „Die französische Revolution 1789-1793“ (1909)
2. „Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschenwelt“ (1902)
Gemessen am Lebenswerk eines P.A.Kropotkin, erscheinen mir alle anderen anarchistischen Schreiber als kleinbürgerliche Populisten mit recht naiven Vorstellungen.
2. Zur Einführung von A.Bergman
Er beginnt mit einer unanständigen und dogmatischen Lobpreisung des Anarchismus der nach seiner Behauptung der Einzige ist ….(Zitat): „er allein kann Ihnen Freiheit und Wohlstand geben und Frieden und Freude für die Welt bringen.“
Wer ernsthaft in der Geschichte des Anarchismus nachforscht der entdeckt, dass der Anarchismus auf ganzer Linie versagt hat und heute nur noch eine bedeutungslose, aber unrühmliche Rolle spielt, weil seine auf Extremismus orientierten Gruppen, leicht von der Geheimpolizei unterwandert und für allerlei Terroranschläge leicht missbraucht werden können.
Gleichzeitig eignen sich anarchistische Dogmen, um den Aufbau radikaldemokratischer Parallelstrukturen zum bürgerlichen Repräsentationssystem zu sabotieren, weil sie auf dem kleinbürgerlichen Konzept des Individualismus und individuellen Terrors fußen. Die Dogmen anarchistischer Sektenführer verfangen in der Regel auch nur bei kleinbürgerlichen Intellektuellen, die eine instinktive Abneigung gegen eine wirkliche Volksherrschaft, also gegen die gleichberechtigte Mitbestimmung aller Lohnsklaven verspüren, deren Gesetze und Regeln sie auf keinen Fall folgen möchten. Das macht sie unfähig für effektive und verlässliche Kooperationen.
So zerfällt das sich anarchistisch nennende Spektrum in wilde Haufen, in denen sich viele kleinbürgerliche „Linke“ und „Grüne“ nur kurzzeitig maskieren, um extremistische Angriffe und Anschläge gegen politisch Andersdenkende verüben zu können.
Natürlich ist eine illegale Struktur, wie sie Anarchisten predigen, die nirgends greifbar und verantwortlich sein möchten, eine ideale Schattenwelt, aus der heraus Extremisten aller Schattierungen und auch die Geheimpolizei Terroranschläge begehen können. Oppositionelle, die der Staat nicht legal bekämpfen kann, kann er dann illegal mit der Maske des Anarchismus oder eines anderen Extremismus bekämpfen.
Dies kann man nur dadurch beenden, indem man nur anarchistische Gruppen als Verhandlungs- und Bündnispartner anerkennt, die nicht anonym in Erscheinung treten. Gruppen die dazu nicht bereit sind, müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie für alle Beteiligten eine terroristische Gefahr darstellen, weil sie dem bürgerlichen Staat Vorwände zur Verfolgung aller Oppositionellen liefern und jeder illegalen „Aufstandsbekämpfung“ des bürgerlichen Staates, die beste Deckung geben.
Natürlich verteufelt der anarchistische Dogmatiker A.Berkman jede Kritik am Anarchismus als falsch, ohne sich der Kritik sachlich zu stellen. Aber nicht alle Anarchisten sind Dogmatiker und Sektierer, wie man am Beispiel von P.A.Kropotkin selbst nachprüfen kann. Jede Sekte beginnt mit mindestens einem Dogma, dass nie hinterfragt werden darf, denn ohne Dogma, kein Sektenführer und keine Sekte.
Natürlich haben es Anarchisten leicht gegen Diktaturen zu argumentieren, wie die Diktatur der reichsten Eigentümer und die Diktatur einer kleinbürgerlichen Kaste im Sozialismus, aber was ist mit ihrer Argumentation gegen demokratische Strukturen einer echten „Volksherrschaft“?
Natürlich kollidiert auch eine echte Volksherrschaft mit dem anarchistischen Dogma „gegen jede Herrschaft zu sein“, was in der Geschichte immer nur kurzzeitig und sehr begrenzt zur Herrschaft ihrer autoritären und bewaffneten Sektenführer wie zum Beispiel Nestor Machno in der Ukraine und Buenaventura Dorruti in Spanien führte. Diese beiden größten anarchistischen Beispiele zeigen die undemokratischen Probleme des Anarchismus auf, woran sie immer gescheitert sind.
Diese beiden anarchistischen „Führer“ vereinigten außerhalb machbarer Vollversammlungen die Legislative, Exekutive und Judikative in ihrer eigenen Person, was unweigerlich den Widerstand und Aufstand ihrer engsten Gefolgsleute hervorrufen musste, weil sie ohne demokratische Strukturen in jeder operativen Situation, in interne Machtkämpfe um die Deutungshoheit gerieten.
Um das Problem zu verdeutlichen, möchte ich erwähnen, dass N.Machno eine anarchistische Streitmacht von ca. 100.000 Mann und B.Durruti ca. 10.000 Mann kommandiert haben, mit denen Vollversammlungen nicht mehr möglich waren und schon gar nicht zu jedem operativen Problem.
Anarchistische „Inis“ nennen die Versammlungen ihrer kleinen Gruppe gerne Plenum, in denen sie jede „Kleinigkeit“ gemeinsam entscheiden möchten. Aber was schon in kleinen Gruppen zur nervigen Überlastung aller Teilnehmer führt, die sehr schnell resignieren und die größten Maulhelden einfach machen lassen, ist in größeren Versammlungen nicht mehr durchführbar.
Genau deswegen ist das radikaldemokratische Rätesystem, in denen die Basisgruppen ihre fähigsten Leute mit einem gebundenen Mandat entsenden, realistisch, handlungsfähig und bewährt. Unter radikaldemokratischen Bedingungen nehmen alle Basisgruppen nur freiwillig teil und nicht weil sie durch die Gewalt einer Zentralmacht dazu gezwungen werden..
Wenn diese Vollversammlungen der Basisgruppen die Rolle der Legislative (der Gesetzgebung) übernehmen und für das operative Geschäft exekutive, judikative und mediative Räte wählen, die voneinander unabhängige agieren, sind die einzelnen Teilnehmer nicht mehr der Willkür einzelner Führer ausgesetzt, die zwischen den Vollversammlungen Kommandeur (Exekutive), Richter (Judikative) und oberster Verkünder der „Wahrheit“ (Mediative) in einer Person sind.
Wen wir uns daran erinnern, das die anarchistischen Führer auch kommandiert, geraubt und gemordet haben, und das sogar in einer absolutistischen Weise, weil sie keine demokratischen Strukturen aufgebaut haben, dann sind A.Bergnan seine Ausführungen wie die folgende, nur heiße Luft: „Anarchismus heißt, dass Sie frei sein werden; dass niemand Sie versklaven, Sie herumkommandieren, Sie berauben oder missbrauchen wird.“
A. Bergman wusste 1929 ganz genau, dass die ukrainischen Anarchisten im Bürgerkrieg um 1920 systematische und massenhafte Kriegsverbrechen an Gefangenen und der Zivilbevölkerung begangen haben, was eigentlich bei ihm dazu geführt haben müsste, das anarchistische Konzept grundlegend neu zu überdenken. 1927 versuchten die ukrainischen und russischen Exil-Anarchisten, die sich nach Frankreich retten konnten, darunter auch N.Machno, als „Plattformisten“ einen strukturellen Neu-Anfang des Anarchismus, aber stießen damit bei den westeuropäischen Anarchisten auf Unverständnis. Die westlichen Anarchisten wollten nicht wahrhaben, das der erste große Versuch des Anarchismus, in der Ukraine wegen seiner innewohnenden Probleme grausam ausgeartet und katastrophal gescheitert ist. A.Bekman reflektiert diese Ereignisse in seinem Buch überhaupt nicht und verbirgt sie absichtlich für die westlichen Leser, obwohl er zu der Zeit in Russland sehr dicht dabei war.
Auch P.A.Kropotkin konnte die riesigen praktischen Probleme des Anarchismus nicht übersehen und spielte mit dem Gedanken, den Anarchismus mit der Idee des Kommunismus irgendwie zu verbinden, aber eine Anarchie verhält sich zu der Idee einer Diktatur, wie Feuer und Wasser und können nicht vermischt werden. Da er in der Sowjetunion fest saß und die Bolschewiki ihn 1921 faktisch verhungern ließen, wie viele andere auch, hatte er nicht mehr genug Zeit, um den Ausweg aus dem Dilemma des Anarchismus zu finden.
Um das grausame Scheitern des größten anarchistischen Experiments besser verstehen zu können, empfehle ich das sehr aufschlussreiches Buch von Mark Zak, der sehr viel Sympathie für das ehrliche, aber hilflose Anliegen der Anarchisten mitbringt:
Als 1936 das zweitgrößte anarchistische Experiment im spanischen Bürgerkrieg ebenfalls grausam scheiterte war klar, dass der Versuch der Plattformisten, die Mängel des Anarchismus zu erkennen und zu beheben, keinen Erfolg hatte. Die erfahrensten Anarchisten waren bereits tot, oder fielen im spanischen Bürgerkrieg, so das ihre schmerzhaften Erfahrungen des Scheiterns des Anarchismus aus sich selbst heraus, von diesen nicht mehr direkt vermittelt werden konnten. Sie haben die Aufarbeitung und Auswertung dieser Ereignisse meist kommentarlos den ihnen nachfolgenden Revolutionären überlassen.
Heute ist der Anarchismus nur noch ein Schatten seiner selbst und wird von kleinbürgerlichen Intellektuellen und von der Geheimpolizei für allerlei Spielchen benutzt.
Der ehrlichste Versuch der Aufarbeitung des Scheiterns des Anarchismus im spanischen Bürgerkrieg, wurde nach meiner Meinung von Hans Magnus Enzensberger vorgenommen, der ebenfalls sehr fair und mit viel Sympathie für das Anliegen des Anarchismus in seinem Buch „Der kurze Sommer der Anarchie“ berichtet:
Im Angedenken des Scheiterns dieser beiden sehr großen Versuche des Anarchismus, kann das „ABC-des Anarchismus“ von A.Bergman, dass überhaupt nicht darauf ein geht, nicht ernst genommen werden.
3. Zu „Bedeutet Anarchismus Gewaltanwendung?“
A.Bergman macht viele Umstände, um letztendlich den gewaltsamen Terror von Anarchisten zu rechtfertigen und zu verharmlosen, den er als Antwort auf die viel zahlreichere Gewalt seiner Gegner und Konkurrenten, aber auch mit der Befriedigung von Rachegelüsten erklärt. Er erwähnt aber auch, dass nicht alle Anarchisten seine Einstellung zum Thema des gewaltsamen Terrorismus teilen und dessen Schädlichkeit erkannt haben. Womit klar wird, das es kein ABC des Anarchismus, über das sich die Anarchisten einig sind, geben kann.
Er behauptet in diesem Abschnitt sehr prophetisch, dass Anarchismus zu Frieden, Freiheit, Ordnung und in eine Welt ohne Armut führt, ohne zu erklären, wie eine solche Gesellschaft dies alles organisiert, erschafft und gegen Konflikte absichert. Ohne eine schlüssige Erklärung zu diesen Behauptungen, sind diese anarchistischen Prophezeiungen, nichts als utopistische Phrasen.
Fortsetzung folgt in den nächsten Ausgaben!
Kommentare von J.M.Hackbarth