Die Ukraine als ein neues Gebilde unter Chrustschow
Das Wissen der Deutschen über ihre osteuropäischen Nachbarn ist ja bei vielen hierzulande nicht so sehr ausgeprägt. Was wissen wir im Alltag über Polen, Tschechien, Slowenien, Ungarn, selbst Italien und Österreich sind oftmals nur dann präsent, wenn wir Verwandte dort oder Urlaube gemacht haben.
Das Römische Reich hatte irgendwas mit Caesar zu tun und aus Wien kommen Schnitzel und Mozart. Ach ja, letzterer war eigentlich Deutscher. Und Hitler war aus Braunau, woher sonst?
Die Ukraine ist ein Gebilde aus dem 20. Jahrhundert, es verwundert nicht, dass die meisten Entwicklungen unbekannt sind, die es in seiner ehrfürchtigen Geschichte genommen hat. Der Begriff Ukraine taucht das erste Mal ca. 1150 in der Gegend auf, und ich vermute, er wurde von deutschen Aussiedlern verwendet. Der Djnepr, dieser große Fluss in der Kiewrus, erinnerte sie an die Ucker, was ja so viel heißt wie Niedrigflusstal.
In der Gegend haben sich immer wieder Deutsche angesiedelt, Moldavia ist nach der Moldau benannt, das Gebiet hieß Bukovina. In Czernowitz, einer der intellektuellsten Städte des 20. Jahrhunderts, war die Heimat von großen Deutschen Dichterinnen und Dichtern, z.B. Rose Ausländer und Paul Celan. Dieses Gebiet wurde durch Offensive der Wehrmacht und Aufstandsbekämpfung gegen Juden „verheert“, es blieben keine Juden übrig.
Wie auch in Rumänien, in Siebenbürgen lebten ja ebenfalls Deutsche, war für die dortige jüdische Minderheit keine Chance des Überlebens gegeben. Der jiddische Theaterautor und Dichter Itzig Mangar musste zusehen, wie sein Volk schlicht aufhörte zu existieren, seine Stücke, die er gerade angefertigt hatte, wurden nicht mehr aufgeführt. Sein Werk ist nur in der Rekonstruktion erlebbar, Geschriebenes blieb nicht mehr erhalten.
Grundsätzlich sind ja die Grenzen der Westukraine nicht historisch eindeutig. Die Stadt Drohobytsch war lange polnisch, in ihr stand die zweitgrößte Synagoge Polens nach Warschau. Ist man heute mit einem Auto in Weißrussland, Belarus, unterwegs , und macht an dem Ende der Autobahn in Kumin, kurz vor Brest (B.- Litowsk) einen Schlenker nun nach rechts (wohin denn sonst, wir wollen in die Ukraine), fährt man an wunderschönen jüdischen Orten vorbei, und kommt bei Lwiw, einer polnischukrainischen-jüdischen Stadt, das früher Lemberg war, raus, biegt nach links Richtung Kiew ab, ist man nun unterwegs auf einem alten, aus dem Mittelalter stammenden Heerweg, an riesigen, wunderschönen Feldern vorbei, steht hier in der Oblast Chmelnyzkyj, östlich von Lwiw, zwischen zwei kleineren Orten ein rostiges Blechschild, weit in der Ukraine, auf dem der Satz „Hier ist Polen zu Ende“ steht. Diese Gebiete Polens wurden nach dem Weltkrieg 1920 im Rigaer Vertrag Polen genommen und der heutigen Ukraine zugesprochen. Ähnlich wie die Krim, von Chrustchow, ein Ukrainer, der Ukraine zugegeben, schuf so eine Gegenmacht zu der Türkei.
J.A.Dennis Gehrmann
[Der Aufstand 19/23, Seite 12]
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